Ein Jahr nach Übernahme: Eberhard Wirth wirft Uwe Nothwang Versagen vor
Von den bei der Übernahme durch die Großmetzgerei Nothwang gemachten Versprechungen sei laut Eberhard Wirth nicht mehr viel übrig, drei seiner ehemals vier Filialen sind inzwischen geschlossen. Die Liste von Wirths Vorwürfen in Richtung Uwe Nothwang ist lang – doch der kontert.

Eigentlich waren Eberhard und Andrea Wirth am 13. Juli 2022 erleichtert. An jenem Sommertag fand eine außerordentliche Betriebsversammlung in den Räumen der Biberacher Metzgerei statt. Einziger Tagesordnungspunkt: Die Übernahme der Metzgerei Wirth durch die Bad Friedrichshaller Großmetzgerei Nothwang. Den versammelten Wirth-Mitarbeitern, damals waren es noch rund 90, und dem Ehepaar Wirth gab Käufer Uwe Nothwang ein Versprechen: "Wirth soll Wirth bleiben."
Die vier Wirth-Filialen sollten weiterbetrieben werden, auch für Kunden und Mitarbeiter sollte sich durch den Verkauf kaum etwas ändern, sagte Nothwang damals der Heilbronner Stimme. Und wenn, dann zum Guten: Synergieeffekte sollten erzielt werden, das Produktsortiment erweitert und neue Produkte entwickelt werden. Gemeinsam sollte es in eine Zukunft gehen, in der regionale Fleischereifachgeschäfte bestehen können.
Wirth verkaufte seinen Betrieb, gleichzeitig sein Lebenswerk, aus gesundheitlichen Gründen
Nur deshalb, sagt Eberhard Wirth (66), habe er sein Lebenswerk verkauft. Gesundheitliche Gründe hatten ihn bewogen, Kontakt zu Nothwang aufzunehmen – zumal in den kommenden Jahren größere Investitionen in den Betrieb notwendig geworden wären. Die Gespräche mit Nothwang seien gut gewesen, auch Wirths Sohn Christoph freute sich auf eine gemeinsame Zukunft mit den Bad Friedrichshallern. Er ist Prokurist bei der Nothwang-Tochter Lena Greenfood.
Gut ein Jahr und viele schlaflose Nächte später ist bei Eberhard und Andrea Wirth Enttäuschung und Verbitterung eingekehrt. Von den damals gegebenen Versprechen sei nicht mehr viel übrig, sagt der Metzgermeister. Die drei Wirth-Standorte in Heilbronn-Biberach, Obereisesheim und an der Heilbronner Allee sind geschlossen. Lediglich das Geschäft in Heilbronn-Böckingen hat noch geöffnet. "Das ist auch nur eine Frage der Zeit", sagt Wirth, der angesichts sinkender Kundenfrequenz auch in Böckingen mit dem Aus rechnet.
Wirth-Sortiment wurde nach und nach durch Nothwang-Produkte ausgetauscht
Die Gründe für die Schließungen liegen für ihn auf der Hand. "Innerhalb von zwei bis drei Monaten nach der Übernahme durch Nothwang wurde das bis dahin von uns geführte Sortiment nachhaltig reduziert und nahezu komplett ausgetauscht", berichtet Wirth. "Die Kundschaft blieb weg oder äußerte sich negativ und unzufrieden."
Auch seien viele Produkte, selbst beworbene, nicht in ausreichender Menge verfügbar gewesen. Die Mitarbeiter hätten das ausbaden müssen, die Unzufriedenheit sei gewachsen.
Wirth beklagt schlechten Umgang mit den Mitarbeitern
Zudem habe sich der Umgangston der Vorgesetzten gegenüber den Mitarbeitern unter dem neuen Eigentümer derart verschlechtert, dass viele Verkäuferinnen gekündigt hätten. "Heute sind nur noch fünf von mehr als 30 Mitarbeiterinnen im Verkauf übrig geblieben", berichtet Wirth. Eine langjährige Wirth-Verkäuferin, die sich ebenfalls einen neuen Job gesucht hat, bestätigt diese Aussagen.

Wie Nothwang die früheren Wirth-Geschäfte geführt habe, "ist wenig professionell und definitiv nicht in unserem Sinn", spricht der 66-jährige Metzgermeister Klartext. "Weder unsere ehemaligen Mitarbeiter noch wir als Familie, die die Firma aufgebaut haben, hätten gedacht, dass die Firma Nothwang in so kurzer Zeit ein wirtschaftlich gesundes und florierendes Unternehmen sehenden Auges gegen die Wand fährt", zeigt sich Wirth fassungslos. Hätten er und seine Frau Andrea gewusst, was passiert, hätten sie ihren Betrieb niemals an Nothwang verkauft.
Uwe Nothwang kontert die Wirth-Vorwürfe
Uwe Nothwang weist die Vorwürfe von Eberhard Wirth zurück und betont gegenüber der Heilbronner Stimme, dass er den Biberacher Betrieb gerettet habe. "Ohne die Rettung durch Nothwang würde es Wirth heute nicht mehr geben." Es sei vereinbart worden, dass Wirth so lange Wirth bleibe, "bis wir durch zusätzliche Investitionen die Fachgeschäfte auf die höheren Nothwang-Qualitätsstandards gebracht haben und danach aus den Fachgeschäften Nothwang-Geschäfte werden".
Christoph Wirth, Sohn von Eberhard und Andrea Wirth, begleite diese Transformation im Sinne aller Beteiligten. Allen Wirth-Mitarbeitern habe man angeboten, übernommen zu werden. Die Nothwang-Verträge böten in der Regel mehr als die alten Wirth-Verträge, etwa umfangreiche Sozialleistungen. Beliebte Wirth-Produkte wie Maultaschen habe man auch außerhalb der Wirth-Geschäfte verkauft und wolle diese wie auch die Fertiggerichte dem Einzelhandel anbieten, sagt Nothwang. Teilweise habe man Produkte aus Qualitätsgründen nicht liefern können.
Kritik am Ehepaar Wirth seitens Nothwang
Nothwang kritisiert, "dass die Eheleute Wirth sich nicht wie verabredet aus dem operativen Geschäft zurückgezogen" hätten. Der Spagat zwischen unterschiedlichen Arbeitsweisen und Leitbildern sei für die Mitarbeiter eine Herausforderung gewesen, räumt Nothwang ein. "In der Konsequenz haben uns leider Mitarbeiter aus den Wirth-Fachgeschäften verlassen." In Produktion und Verwaltung habe man dagegen die meisten Mitarbeiter halten können. Nothwang: "Wir sehen große Entwicklungsschritte mit neuen Perspektiven."
Er verstehe, welche Bedeutung das aufgebaute Lebenswerk für Andrea und Eberhard Wirth habe, sagt Nothwang. "Das Unternehmen stand vor dem Aus. Wir haben durch die Rettung von Wirth vielen Mitarbeitern und deren Familien neue Zukunftsperspektiven eröffnet", betont der Unternehmer.