Drittimpfungen im Land sind angelaufen
Die Stiko will bald eine Empfehlung für besonders gefährdete Gruppen abgeben. Der Neckarsulmer Hausarzt Tobias Neuwirth erlebt in seiner Praxis einen hohen Beratungsbedarf zu Booster-Impfungen.

Am Mittwoch haben in Baden-Württemberg die Drittimpfungen für vulnerable Gruppen begonnen. Hochbetagte Patienten, etwa in Pflegeheimen, und Menschen mit Immunschwäche oder chronischen Krankheiten erhalten bei einer Auffrischung eine weitere Dosis eines mRNA-Impfstoffs. Voraussetzung ist, dass die letzte Spritze mindestens sechs Monate zurückliegt.
Auch Menschen, die mit einem Vektorimpfstoff von Astrazeneca oder Johnson&Johnson geimpft wurden, können sich die Auffrischung ein halbes Jahr nach der letztes Spritze geben lassen. Nach groben Schätzungen des Landes kommen Auffrischungsimpfungen in den kommenden sechs Monaten für bis zu 1,7 Millionen Menschen in Baden-Württemberg in Frage.
Geimpft wird derzeit noch in den Impfzentren, von mobilen Impfteams und niedergelassenen Ärzten. Nach Schließung der Impfzentren werde die Aufgabe ab 1. Oktober zu den niedergelassenen Ärzten verlagert, heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart.
Die Stiko will auch ihre Empfehlung für Schwangere aktualisieren
Die sogenannten Booster-Impfungen gehen zurück auf einen politischen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz der Länder. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat noch keine entsprechende Empfehlung ausgesprochen. Stiko-Chef Thomas Mertens kündigte jedoch gestern an, dass es zeitnah eine Empfehlung für Senioren und Immungeschwächte geben wird. Die Aufarbeitung der vorliegenden Daten sei in vollem Gange. Auch für Schwangere wird es wohl eine Aktualisierung geben. Ein genaues Datum nannte Mertens jeweils nicht.
Charité-Virologe Christian Drosten hatte eine Auffrischungsimpfung für alte Menschen und Risikogruppen kürzlich als sinnvoll bezeichnet. "Nach einem halben Jahr geht das über die Impfung erworbene Antikörper-Level vor allem bei sehr alten Menschen deutlich runter." Für die meisten Geimpften werde jedoch keine Auffrischungsimpfung notwendig sein, so Drosten.
Logistisch sieht der Neckarsulmer Arzt Tobias Neuwirth keine Probleme
Der Beratungsbedarf zu Drittimpfungen in seiner Praxis sei groß, sagt der Neckarsulmer Hausarzt Tobias Neuwirth. Logistisch sieht er keine Herausforderung bei der Bewältigung dieser Aufgabe. Impfstoff stehe derzeit mehr zur Verfügung als benötigt werde. Die meisten seiner Patienten hätten ihre Covid-Impfung zwischen April und Juni bekommen - und seien entsprechend erst zu Jahresende mit einer möglichen Drittimpfung an der Reihe.
Ärztesprecher hält Forderungen nach Regeln für eine Priorisierung für überflüssig
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, die Politik müsse jetzt eine klare Ansage machen, welche Gruppen bei den Auffrischungsimpfungen zuerst berücksichtigt werden. "Es muss klar sein, um welche Jahrgänge es sich handelt und bei welchen Risikofaktoren eine dritte Impfung angezeigt ist." Eine Forderung, die der Heilbronner Ärztesprecher Martin Uellner für überflüssig hält: "Wir versinken noch in Bürokratie. Einfach sechs Monate nach der zweiten Impfung die Auffrischung. Somit ist die Priorisierung eingehalten."
Laut Bundesgesundheitsministerium sind in Deutschland inzwischen 50,4 Millionen Menschen oder 60,6 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. Mindestens eine erste Impfung erhalten haben demnach mittlerweile 54,3 Millionen Menschen oder 65,3 Prozent der Bevölkerung. Bereits über der Marke von 70 Prozent liegen Bremen, das Saarland und Schleswig-Holstein - unter 60 Prozent dagegen die Länder Brandenburg, Thüringen und Sachsen.