SLK-Chef zur Personalnot: "Die Lage ist angespannt"
SLK-Chef Thomas Weber spricht im Interview über die Auswirkungen der anhaltenden Personalnot auf die Patientenversorgung und die Stimmung unter den Mitarbeitern.

Die Stimmung im Verbund sei "angespannt", sagt SLK-Geschäftsführer Thomas Weber: Das Personal ist knapp, gleichzeitig gab es in den vergangenen Wochen eine für den Sommer untypische Zunahme an Patienten. "Die Mitarbeiter gehen bis an ihre Grenzen, um die Versorgung zu sichern", so Weber.
400 von etwa 5600 Mitarbeitern sind krankgemeldet oder in Quarantäne. Was bedeutet das im Klinikalltag?
Weber: Kurzfristige Ausfälle bedeuten, dass andere Mitarbeiter freiwillig einspringen: Dienstpläne müssen verändert werden, freie Tage werden verschoben, Doppelschichten gearbeitet. Unsere Mitarbeiter leisten gerade Außergewöhnliches, um die Patientenversorgung sicherzustellen. Das ist nicht selbstverständlich.

Wie ist die Stimmung?
Weber: Angespannt im positiven wie im negativen Sinne. Die Patientenversorgung läuft hochkonzentriert. Gleichzeitig sind viele an ihrer körperlichen und psychischen Belastungsgrenze. Auch das wirkt sich auf den Krankenstand aus.
Welchen Anteil hat die Pandemie an der Misere?
Weber: Einerseits hat sich in den vergangenen Wochen eine große Zahl von Mitarbeitern infiziert oder musste in Quarantäne und stand dadurch nicht zu Verfügung. Andererseits hat die Dauerbelastung durch die Pandemie in diesem Sommer nicht abgenommen, anders als in den Vorjahren. Im Juli hatten wir wieder einen neuen Höchststand von 80 Corona-Patienten. Das bedeutet einen enormen Mehraufwand durch Isolationsmaßnahmen, das Tragen von Schutzkleidung, ständige Testungen.
Welche Einschränkungen in der medizinischen Versorgung gibt es?
Weber: Auch wenn es Verschiebungen von Operationen und Einschränkungen bei der Pflege gibt: Wir stellen die Versorgung der Patienten sicher. Wir müssen zwar immer wieder in einzelnen Bereichen Betten schließen, um das vorhandene Personal konzentrieren zu können. Im Klinikum am Gesundbrunnen mussten wir auch einmal für ein paar Stunden die Notfallversorgung einschränken, weil wir keine Kapazitäten mehr hatten. In solch einem Fall hilft aber die Verbundstruktur, die Patienten wurden an den Plattenwald gebracht.
Was bedeuten es konkret für den Patienten, wenn Betten geschlossen werden?
Weber: Planbare Operationen müssen mitunter verschoben werden, auch wenn uns das für den Patienten leid tut, der ja auf den Eingriff wartet, sich darauf eingestellt hat und eventuell Schmerzen leidet. Im pflegerischen Bereich gilt es zu überlegen: Was ist notwendige Pflege und was ist verzichtbar? Um das überspitzt zu sagen: Prophylaxe gegen Wundliegen muss man machen, den Patienten über den Gang begleiten geht vielleicht nicht mehr.
Gehört die mitfühlende, kümmernde Pflege endgültig der Vergangenheit an?
Weber: Nein, das würde ich nicht sagen. Wir müssen kreativ sein und neue Lösungen suchen, um alle Aspekte der Pflege beizubehalten. In den vergangenen Monaten haben wir zum Beispiel studentische Hilfskräfte eingestellt, die mit den Patienten herumgelaufen sind und sich Zeit für Gespräche oder die Essensgabe nehmen konnten. Auch Pflege- oder Stationshilfen mit einer kürzeren Ausbildung können solche Aufgaben übernehmen. Und wir müssen bessere Möglichkeiten schaffen, Menschen für die Pflege weiter zu qualifizieren. Da gibt es Ansätze in unserer SLK-Gesundheitsakademie, aber auch noch viele bürokratische Hürden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit ausländischen Pflegefachkräften gemacht?
Weber: Wir beschäftigen seit mehreren Jahren Menschen aus dem asiatischen Raum oder aus Lateinamerika, kümmern uns um Integration, Sprache und Behördengänge. Aber den großen Unterschied macht das von der Anzahl der Pflegekräfte her noch nicht, auch weil die Umsetzung mit Sprachzertifikaten, Einreiseerlaubnis und so weiter schwierig ist. Unikliniken gehen zum Teil vor Ort in die Länder und bilden dort aus. Das könnten wir nur im Verbund mit anderen Kliniken schaffen, aber auch darüber denken wir nach.
Wird es in der Zukunft Abstriche bei der medizinischen Versorgung geben?
Weber: Nein, das sehe ich nicht. Die Frage wird aber sein, in welchem Zeithorizont man welche Leistung anbieten kann und ob es gewisse Servicestrukturen im Krankenhaus noch geben wird. Und wir brauchen eine Lösung für die Notaufnahmen: Dorthin kommen immer noch sehr viele Patienten, die eigentlich in den ambulanten Bereich gehören. Es geht unter anderem darum, das Haftungsproblem zu klären, um Menschen ohne akuten medizinischen Hilfebedarf nach einer Begutachtung wegschicken zu können. Ob man das macht, indem eine ambulante Praxis in die Notaufnahme integriert wird oder ob unser Personal das übernimmt, muss man sehen.