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Blockade des Bürgergelds stellt Jobcenter in der Region vor große Herausforderungen

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Soziale Träger in der Region Heilbronn würden die Reform der Hartz-IV-Regelung begrüßen. Sie fordern einen schnellen Ausgleich der Mehrkosten für Essen und Heizen. Doch die Verzögerung des Vorhabens könnte Jobcenter in die Bredouille bringen.

Eine Mitarbeiterin der Bundesagentur für Arbeit berät eine Kundin.
Eine Mitarbeiterin der Bundesagentur für Arbeit berät eine Kundin.  Foto: Oliver Berg/dpa

Marco Krebs, Chef des Jobcenters des Landkreises Heilbronn, macht sich Sorgen. Seine Kunden, Hartz-IV-Bezieher, bekommen ab Januar möglicherweise das neue Bürgergeld. Doch nun haben die unionsgeführten Länder und die mit CDU-Regierungsbeteiligung die Sozialreform der Ampelregierung im Bundesrat vorerst ausgebremst. Das Verfahren verlängert sich, ein Scheitern ist nicht ausgeschlossen.

2000 zusätzliche Kunden hat das Jobcenter aus der Ukraine

Für Marco Krebs und seine Mitarbeiter heißt das Stress. „Die Arbeitsbelastung ist eh wahnsinnig hoch. Wir haben 2000 zusätzliche Kunden aus der Ukraine.“ Das alles bewältige das Jobcenter ohne einen einzigen Mitarbeiter mehr. Um das Bürgergeld rechtzeitig zum 1. Januar umzusetzen, sei genug Vorlaufzeit wichtig. „Bis Ende November ist es noch möglich, im Dezember wird es schwierig.“


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Ab Januar sollten die Menschen dann 53 Euro mehr, also 502 statt 449 Euro bekommen. Potenzielle Sanktionen, die im ersten halben Jahr wegfallen sollen und für politischen Sprengstoff sorgen, haben in seiner Praxis wenig Relevanz. „Die Anzahl der Leute, die nicht arbeiten wollen aber könnten, das sind ein bis zwei Prozent.“ Der Rest arbeite mit und sei oft unverschuldet in Not gekommen.

 Es gibt nur wenige Menschen in der VdK-Beratung mit entsprechendem Schonvermögen

Auch die Diskussion um das umstrittene Schonvermögen hat kaum Bezug zu seinem Alltag im Jobcenter. „Das jemand 60.000 Euro Vermögen mitbringt, das gibt es so gut wie nicht. Solche Fälle bewegen sich im Promillebereich.“

Genau wie bei den Beratungen des VdK. „Uns sind noch keine Personen untergekommen, die 60.000 Euro und mehr Vermögen haben“, sagt Frank Stroh. Es könne sein, dass das bei Selbstständigen der Fall sei. „Sie haben vielleicht einen Betrag für die Altersvorsorge zurückgelegt, aber hier zu verlangen, sie sollten ihn auflösen, ist aberwitzig“, sagt der Kreisverbandsvorsitzende des Sozialverbands. „Im Rentenalter fallen sie uns sonst als Grundsicherungsempfänger auf die Füße.“ Geringverdiener politisch gegen Bürgergeldempfänger auszuspielen, das sei „Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“.

Nico Morast sagt, der Unterschied zu Geringverdienern dürfe nicht zu klein sein

Dass der Abstand zu Geringverdienern nicht zu gering sein darf, betont Nico Morast, CDU-Fraktionsvorsitzender und stellvertretender Vorsitzender im Kreistag. Der Anreiz, arbeiten zu gehen, müsse vorhanden sein, die Bemühungen müssten sich lohnen.

Silke Ortwein, DGB-Regionsgeschäftsführerin, verurteilt „die Neiddebatte“ nach unten. Stimmung mit unwahren Behauptungen zu machen, etwa, dass Geringverdienern weniger bliebe als Bürgergeld-Beziehern, sei fatal. Vollzeitarbeit bringe mit Wohngeld und Kinderzuschlag in einer vierköpfigen Familie laut DGB 730 Euro mehr.


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Karl Friedrich Bretz, Sprecher der Liga der freien Wohlfahrtspflege, sieht das ähnlich. „Für Menschen mit geringen Einkommen ist in erster Linie ein schneller Ausgleich für die Mehrkosten wichtig, die für alle alltäglichen Dinge schon seit längerer Zeit entstehen.“ Für Essen, Heizung. „50 Euro sind eigentlich schon zu wenig. Der 1. Januar ist eigentlich viel zu spät.“ „Nun sei selbst diese Erhöhung in Gefahr, „zerredet im Parteienstreit“.

Genug finanzielle Mittel hält die Aufbaugilde für wichtig

Die Aufbaugilde hat besonders auch die Langzeitarbeitslosen im Blick. 42 Menschen haben dank des so genannten 16i-Programms derzeit ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. „Langzeitarbeitslose wollen arbeiten, müssen aber angesprochen, motiviert und begleitet werden“, sagt Geschäftsführer Gerald Bürkert. „Niemand lässt sich gern zuhause die Decke auf den Kopf fallen.“

Wichtig seien genug finanzielle Mittel. Und: Die Politik müsse die Jobcenter in die Lage versetzen, dass sie wieder genug Luft für Beratungsgespräche hätten. Stefan Schneider, Geschäftsführer der Caritas Heilbronn-Hohenlohe, hofft jetzt auf eine breitere Akzeptanz des Bürgergelds: „Das wurde von der Ampel ungeschickt kommuniziert.“

 

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