Die Angst vor künstlicher Intelligenz
Maschinen sollen arbeiten können wie ein menschliches Gehirn. Müssen wir also Angst haben, irgendwann von Computern ersetzt zu werden? Experten erklären, was KI heute schon kann und was noch Zukunftsmusik ist.

Nichts klingt mehr nach Zukunft als künstliche Intelligenz (KI). Dass eine Maschine arbeiten können soll, wie es sonst nur ein menschliches Gehirn kann, erscheint vielen unvorstellbar. Doch Programmierer und die richtige Technik machen es möglich, dass KI riesige Datenmengen in Sekunden durchforstet, Muster erkennt und Fehler ausfindig macht. Für den Menschen wäre es unmöglich, Millionen von Bildern oder Texten innerhalb von Sekunden zu verarbeiten.
Da liegt der Gedanke nicht fern, dass der Computer den Menschen irgendwann ersetzen wird. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD kommt zu dem Ergebnis, dass die Jobs von 66 Millionen Arbeitnehmern durch Maschinen ersetzt werden könnten. Das schürt Angst. Aber ist diese begründet? Was kann KI heute schon, und was ist noch Zukunftsmusik? Wir haben mit Experten gesprochen.
„KI ist mitten unter uns“
Stephan Clasen, technischer Direktor der Denkwerk GmbH

„KI ist der Versuch, menschliche Intelligenz mit technischen Mitteln nachzubilden“, sagt Stephan Clasen. Er ist technischer Direktor der Kölner Firma Denkwerk und berät Unternehmen, wie sie künstliche Intelligenz einsetzen können. „Viele Unternehmen sitzen auf einem Berg von Daten, wissen aber nicht, wie sie diese nutzen können“, sagt Clasen. Große Mengen von Daten sind wichtig, um KI-Technik zu trainieren, erklärt er.
Wenn KI etwa eine Katze auf einem Foto erkennen soll, muss sie erst einige Tausend Fotos von Katzen zur Verfügung haben. Das Programm lernt, wie eine Katze aussieht und kann sie dann selbstständig auf neuen Fotos erkennen. Mit der gleichen Technik können etwa Tumore auf Röntgenbildern oder fehlerhaft gestanzte Metallteile erkannt werden.
KI ist längst im Alltag angekommen - etwa bei Zugverspätungen
Eine gute KI kann das schneller als der Mensch und macht seltener Fehler. In den vergangenen Jahren beobachtet Clasen deshalb einen regelrechten Trend. „Es passiert sehr viel in Deutschland. Nur betrifft das vor allem industrielle Produktion wie etwa die Vorhersage von Wartungsarbeiten. Das ist natürlich nicht so öffentlichkeitswirksam wie der neue Tesla“, erklärt er. Dennoch sei KI längst im Alltag angekommen. Sie errechnet, wie viele Minuten der Zug verspätet ist. Oder sie erkennt, was man vielleicht als nächstes im Netz kaufen möchte. „All das gibt es schon. In Zukunft wird es jetzt auch darum gehen, Akzeptanz zu schaffen, und nicht nur die Technik weiter voranzutreiben.“
Um Ängste zu nehmen, müssten die Entscheidungen der KI-Technik ein Stück weit nachvollziehbar sein, meint der Experte. Warum hat sie diese oder jene Entscheidung getroffen? Diesen Prozess sichtbar zu machen, nennt man Black Boxing. „Dabei stehen wir noch ganz am Anfang. Wir wissen nicht immer, wie KI zu ihrer Entscheidung gekommen ist“, sagt Clasen. Um diese Fragen zu beantworten und Prozesse zu verbessern, brauche es auch künftig Mensch und Maschine. „Die Politik ist gefragt, hier die Weichen zu stellen.“
„Als Entwickler arbeite ich meist ohnehin mit anonymisierten Daten.“
von Stephan Clasen
Angst vor Datenmissbrauch durch KI brauche man nicht haben, sagt Clasen. „Als Entwickler solcher Systeme arbeite ich meist ohnehin mit anonymisierten Daten.“ Dennoch begrüßt er die Diskussion, welche Regeln für KI gelten sollen. „Die Technologie ist schon da, wir fangen aber gerade erst an, über moralische und ethische Aspekte zu diskutieren. Das ist unabdingbar, wenn wir eine Überwachung wie in China verhindern wollen.“
„Evolution, nicht Revolution“
Eric Sax, Experte für autonomes Fahren am Karlsruher KIT

Wenn es nach Professor Eric Sax geht, braucht es bei der Diskussion um künstliche Intelligenz mehr Gelassenheit. „Ich sehe uns auf einem Weg der Evolution, nicht der Revolution.“ Als Direktor des Instituts für eingebettete Systeme und Sensortechnik am Karlsruher KIT beschäftigt sich Sax seit vielen Jahren mit KI. Oft hört er die Befürchtung, dass quasi alles im Leben durch Maschinen ersetzt werden könnte. Das gehe nicht auf einen Schlag, sondern nach und nach. „Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Dinge langsam entwickeln und dass sie deshalb auch ihren Schrecken verlieren“, sagt er.
Vieles in der Automobiltechnik funktioniert nur mit Sensoren
Gerade in seinem Fachgebiet, der Automobiltechnik, zeige sich, dass viele Entwicklungen der vergangenen Jahre heute nicht mehr wegzudenken sind. „Denken Sie an den Tempomat, an Abstandsregler oder den Parkassistenten.“ Das alles funktioniere nur mit Sensoren am Auto, die Daten über ihre Umgebung sammeln und intelligent handeln. Das komplett selbstfahrende Auto hält der Professor allerdings noch für Zukunftsmusik. „Wir haben im normalen Straßenverkehr einfach zu viele Eventualitäten, die wir nicht vorhersehen können und die nicht ohne weiteres erlernbar sind.“
„In Sachen Infrastruktur muss noch viel getan werden.“
von Eric Sax
Anders sei das bei selbstfahrenden Bussen, die auf einer eigenen abgeschlossenen Spur unterwegs sind. 2016 hat Sax zusammen mit Doktoranden einen Bus vom Amsterdamer Flughafen in Richtung Stadt fahren lassen. Drei Tage lang war der Bus unterwegs, kein einziges Mal musste der Sicherheitsfahrer eingreifen. „Wenn man eine Spur für den Bus freilässt, kann man sich das auch in Stuttgart vorstellen, etwa von Bad Cannstatt zum Hauptbahnhof.“ Ein Vorteil dieser Technik: Wenn kein Fahrer nötig ist, können die Busse in einem dichteren Takt fahren, rund um die Uhr. Weitere Vorteile sieht Sax bei Lkw, die selbstständig in der Kolonne fahren oder Parkhäusern, die Fahrzeuge automatisch einparken. „Dabei habe ich einen wirklichen Mehrwert.“
Wann es soweit ist, wagt Sax jedoch nicht vorherzusagen. Die Voraussetzungen für den Einsatz von KI in der Breite sieht er derzeit in Deutschland ohnehin noch nicht gegeben. „Wir brauchen den flächendeckenden Ausbau von 5G. Ohne diese Technik habe ich am autonomen Fahren keinen Spaß.“ Die Datenmengen, die KI verarbeiten muss, könnten ohne 5G-Mobilfunk nicht schnell genug ausgetauscht werden. „In Sachen Infrastruktur muss noch viel getan werden.“