"Das Impfzentrum muss gut sichtbar und erreichbar sein"
Muster für Heilbronn? Koordinator Tobias Vahlpahl erklärt, wie es in Mannheim gelungen ist, die Impfquote in bestimmten Quartieren zu erhöhen und die Inzidenz insgesamt zu senken.

Mit Sonderimpfaktionen in Brennpunkt-Quartieren hat Mannheim bundesweit Schlagzeilen gemacht. In Bereichen wie der Neckarstadt-West, wo Menschen auf dichtem Raum leben und viele einen Migrationshintergrund haben, waren die Corona-Inzidenzen lange Zeit hoch und die Impfquote niedrig. Das hat sich inzwischen gewandelt - und die Inzidenz in Mannheim insgesamt liegt Stand Dienstag bei 18,7. Tobias Vahlpahl, der die Impfaktionen koordiniert hat, zieht eine vorläufige Bilanz.
In welchen Quartieren bieten Sie Sonderimpfaktionen an?
Tobias Vahlpahl: Wir haben begonnen in Hochstätt, waren dann in der Neckarstadt-West, sind jetzt in Mannheim-Rheinau und überlegen, mit dem Bus vor Ort in ein weiteres kleines Quartier zu gehen, aber das ist noch nicht spruchreif. Es ist die Kombination aus hoher Inzidenz und niedriger Impfquote, die uns aktiv werden lässt. Wobei ich sagen muss: Die Daten des Landes zur Impfquote sind relativ dürftig. Da ist dann auch viel Schätzung von uns dabei. Aber wir kennen unsere Quartiere gut und können beurteilen, wo die Menschen in der Lage sind, sich selbst einen Impftermin zu beschaffen und wo nicht.
Welche Zwischenbilanz ziehen Sie?
Vahlpahl: Eine sehr gute. In Hochstätt konnte man sehen, wie die Inzidenzen zwei, drei Wochen nach der ersten Impfaktion deutlich gesunken sind. In der Neckarstadt-West haben wir in zehn Tagen rund 4500 Menschen geimpft und haben es damit geschafft, die Impfquote in etwa auf das Niveau der Gesamtstadt zu heben. Es ist uns gelungen, dass einige Roma-Familien vorbeigekommen sind - und auch Prostituierte. Diese Personen wären auf dem üblichen Weg nicht an die Infos gekommen, um einen Termin zu vereinbaren.
Wie haben Sie die Menschen über das Angebot informiert?
Vahlpahl: Das Impfzentrum muss gut sichtbar sein und die Wege dorthin kurz, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Weil es zentral gelegen ist, war das Quartiersimpfen im Pop-Up-Impfzentrum in der Neckarstadt-West auch so ein Erfolg. Außerdem sind unsere Netzwerke gerade dort durch jahrelanges aktives Quartiersmanagement sehr gut. Wir haben über die Schulen und über unsere zahlreichen Sozialprojekte informiert. Zusätzlich haben wir auf direkte Ansprache auf der Straße gesetzt. In Mannheim-Rheinau machen wir das jetzt noch viel intensiver, da kämpfen wir richtig auf der Straße, weil das Impfzentrum etwas abseits liegt. Wir sprechen die Menschen an und fragen, ob sie ihren Ausweis dabei haben. Wer will, ist 20 Minuten später geimpft, einfacher geht es nicht.
Zur Person
Tobias Vahlpahl ist Soziologe und Leiter der Koordinierungsstelle Quartiermanagement bei der Stadt Mannheim. Er ist verantwortlich für die Sonderimpfaktionen in den Stadtteilen.
Sie sagen also, die direkte Ansprache macht es aus?
Vahlpahl: Die direkte Ansprache und das Absenken der Hürden. Irgendwo im Quartier an einer Tür einen Zettel aufhängen und dann damit rechnen, dass jemand kommt - das wird nicht funktionieren.
Aus Ihrer persönlichen Erfahrung: Würden Sie anderen Städten zu solchen Aktionen raten?
Vahlpahl: Der organisatorische Aufwand ist enorm, aber solche Aktionen zahlen sich aus. Man darf nicht vergessen: Es ist kein Problem, die ersten 40 bis 60 Prozent der Gesellschaft zu impfen, aber bei den nächsten zehn Prozent, die wir auch dringend brauchen, wird es dann richtig schwierig.



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