Damit Naschen nicht zum Diebstahl wird: Diese Regeln gelten für Spaziergänger und Co.
Ist Naschen während eines Spaziergangs erlaubt? Hier ein Überblick, welche Regeln in den Weinbergen, im Wald, auf Streuobstwiesen und Gemüsefeldern gelten.

Ob knackige Äpfel auf der Streuobstwiese, pralle Trauben am Rebstock oder süße Himbeeren im Wald: Die Natur gleicht einem Schlaraffenland und wirft gerade deswegen bei Spaziergängern vor allem eine Frage auf: Was ist erlaubt und was nicht? Zählt Naschen schon als Diebstahl? Hier ein Überblick.
Das gilt im Wald
Im Landeswaldgesetz Paragraf 40 ist geregelt, dass sich jeder im Wald Früchte, essbare Pflanzen oder Pilze kostenlos mitnehmen darf, aber: nur für den Eigenverbrauch, erläutert Landratsamt-Sprecherin Lea Mosthaf. Möchte jemand beispielsweise Bärlauch weiterverkaufen, bedarf es einer Genehmigung des Waldbesitzers und der Naturschutzbehörde. Bei Pilzen ist ein Handkorb die Obergrenze, bei Zweigen von Waldbäumen und Sträuchern ein "Handstrauß", erklärt Mosthaf.
Und wie sieht es mit Holz aus? Steffen Meyer, stellvertretender Leiter der Außenstelle von Forst BW in Eppingen, erklärt, dass manche Kommunen Leseholzscheine ausstellen. Möchte ein Spaziergänger ein "trockenes Ästchen" zum Basteln mitnehmen, sei das jedoch erlaubt, mit Gerätschaften wie Axt und Co. anzurücken dagegen nicht. Außerdem verweist Meyer auf die im Staatswald geltende Regel, dass Restholz unter sieben Zentimeter Durchmesser aus ökologischen Gründen im Wald bleiben muss. Wird beispielsweise eine Tanne gefällt und die Baumkrone zurückgelassen, geht das in den Nadeln enthaltene Magnesium in den Boden über und ernährt die nachfolgende Pflanzengeneration.
Das gilt auf Gemüsefeldern
"Sobald etwas vom Feld genommen wird, ist es Diebstahl und das gleiche, als ob jemand im Supermarkt einen Schokoriegel klaut", sagt Markus Läpple aus Ilsfeld, der als Gemüsebauer und im Vorstand des Kreisbauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg engagiert ist. Läpple hat kein Problem damit, wenn jemand probiert, sagt er. "Ich habe auch schon des öfteren Spaziergängern einen Weißkohl mitgegeben." Was den Gemüsebauer aber "massiv stört" seien Menschen, die gezielt auf Felder gehen und sich selbst bedienen. So hätten schon mal fünf Köpfe Kohl gefehlt. Typisches Diebesgut seien zudem Kürbisse im Herbst.
Ähnlich sieht das Bernhard Schmid, Obstbauer und Wengerter aus Lauffen: "Ich habe nichts dagegen, wenn jemand zum Beispiel einen Apfel probiert." Auf diese Weise habe Schmid schon des Öfteren neue Kunden gewonnen. "Das ist wie Werbung für unser Produkt." Keine Kostprobe ist es, wenn Menschen sich den Kofferraum mit Obst füllen, wie es der Landwirt auch schon erlebt hat.
Das gilt in Weinbergen
Wenn Spaziergänger ein paar Trauben naschen wollen, dann findet das Justin Kircher, Vorstandvorsitzender der Genossenschaftskellerei Heilbronn, völlig okay, wie er sagt. Er wünscht sich, dass die Menschen, wenn immer die Möglichkeit besteht, das Gespräch mit dem Wengerter suchen. Große Mengen an Trauben mitzunehmen, sei nicht in Ordnung. Jürgen Conz, Vorstandsvorsitzender der WG Stromberg-Zabergäu, erzählt, dass im Frühjahr tütenweise Blätter, vermutlich für eingelegte Weinblätter, gestohlen wurden. Folglich hätten ein paar Winzer Anzeige erstattet. "Wenn während der Wachstumsphase zu viele Blätter am Rebstock fehlen, bedeutet das Stress, und die Weiterentwicklung verzögert sich."
Das gilt auf Streuobstwiesen
"Selbst wenn nur einzelne Stücke Obst gestohlen werden, handelt es sich um einen normalen Diebstahl", erklärt Pressesprecher Pascal Önsöz vom Polizeipräsidium Heilbronn. Für die Polizei bedeutet das: "Auch, wenn wegen eines einzigen Stücks Obst eine Strafanzeige erstattet und ein Strafantrag gestellt wird, wird diese Anzeige verfolgt und der Staatsanwaltschaft vorgelegt."
Pascal Önsöz empfiehlt daher, Früchte und Pilze grundsätzlich nur mit dem Einverständnis des Eigentümers zu pflücken. Um das Dilemma zu lösen, gibt es in immer mehr Kommunen in der Region gelbe Bändchen für Bäume, die von den Besitzern zum Abernten freigegeben werden. In Heilbronn beispielsweise gibt das Amt für Liegenschaften und Stadterneuerung seit vergangenem Oktober solche Bändchen aus. In Eppingen wurde die Aktion bereits 2019 mit weißen Bändchen eingeführt. "Wir sind froh, wenn es für das kommunale Obst dankbare Abnehmer gibt. Natürlich ist es besser, das Obstgut wird verzehrt statt ungenutzt zu verfaulen", sagt Pressesprecherin Vanessa Heitz. "Interessierte sollten sorgfältig bei der Ernte mit den Obstbäumen umgehen, keine Äste beschädigen und nur reifes Obst ernten."
Wie sich die Rechtslage seit Mitte der 1970er-Jahre geändert hat
Wer von den Trauben am Obststand probiert oder vom Obstbaum am Straßenrand nascht, begeht damit bereits Diebstahl − wenn auch in geringem Umfang. Bis Mitte der 1970er-Jahre galt das Entwenden von "Nahrungs- und Genussmitteln in geringer Menge oder von unbedeutendem Wert zum alsbaldigen Verzehr" als Mundraub und war im Strafgesetzbuch geregelt. Da es sich juristisch gesehen nur um eine "Übertretung" handelte, war auch nur eine geringe Strafe vorgesehen.
Seit mehreren Jahrzehnten aber spielt es keine Rolle mehr, was entwendet wird − egal, ob Apfel oder Armbanduhr, es handelt sich um einen normalen Diebstahl, der nach Paragraf 242 Strafgesetzbuch zu ahnden ist. Werden allerdings Dinge von geringem Wert gestohlen − die Grenze liegt üblicherweise bei etwa 50 Euro − werden Polizei und Staatsanwaltschaft nur aktiv, wenn ein Strafantrag vorliegt.



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