Experten in Heilbronn sind besorgt: "Cannabis ist keine harmlose Droge"
Ende Februar hat der CDU-Kreisverband Experten zum Gespräch über die Cannabis-Legalisierung eingeladen: einen Arzt, eine frühere Konsumentin und eine Suchtberaterin. Sie alle warnen vor einer Verharmlosung und befürchten Schäden für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Eigentlich wollte der CDU-Kreisverband über die Gefahren von Cannabis diskutieren, bevor das Gesetz für die teilweise Legalisierung den Bundestag passiert. Diesmal habe sich die Ampel-Koalition aber schneller geeinigt, sagt der Heilbronner CDU-Abgeordnete Alexander Throm. Aufgeklärt werden soll beim Gespräch im Heilbronner Parkhotel dennoch: von der Betroffenen Jennifer Thumm, dem Kinder- und Jugendmediziner Hans-Ulrich Stechele und Helena Resch, Leiterin der Suchtberatung in Heilbronn. Der erste "Social Club" in Heilbronn bereitet sich unterdessen bereits auf die Anzucht von Cannabis-Pflanzen vor.
Cannabis-Legalisierung: Heilbronner Arzt warnt vor langfristigen Schäden
Er sei kein Suchtexperte, betont Stechele. Aber der Kontakt mit Drogen im Kindesalter gehöre zu seiner Arbeit. Anders als bei Alkohol seien akute Fälle von Vergiftungen bei Cannabis selten. „Cannabis-Konsum läuft eher verdeckt." Im Idealfall mache die Droge euphorisch und gelassen, sie könne aber auch Übelkeit, Erbrechen und Panikattacken auslösen.
Vor allem die langfristigen Folgen bereiten dem Arzt Sorgen. In der Pubertät werde das Gehirn umgebaut, ein Prozess, der erst mit 25 Jahren abgeschlossen sein kann. Cannabis könne diesen Vorgang unterbrechen oder anhalten. "Das Cannabis-Gesetz geht sehenden Auges über diese Tatsache hinweg." Ebenfalls problematisch sei, dass Cannabis Psychosen auslösen könne. Regelmäßiges Kiffen erhöhe dieses Risiko. Zwar sei das selten, wenn es passiert, aber "eine Katastrophe", so Stechele. Die "Heilbronner Stimme" berichtete bereits vor einigen Jahren darüber, wie schädlich Zigaretten, Alkohol und Cannabis wirklich sind.
„Cannabis ist keine harmlose Droge" – für eine Betroffene aus Heilbronn war es die Einstiegsdroge
Jennifer Thumm erzählt ihre eigene leidvolle Geschichte, die mit Cannabis begonnen hat. Mit 14 Jahren raucht sie ihren ersten Joint. „Ich dachte, so schlimm kann das nicht sein." Doch schnell bekommt sie Probleme in der Schule und zieht sich von ihren Freunden zurück. „Das Gefühl, das mir Cannabis schenkte, ließ mich alles vergessen."
Mit 18 Jahren nimmt sie erstmals Heroin, dann auch „alles andere“. Sie bekommt zwei Kinder, die nicht bei ihr aufwachsen. Der Vater ihrer Tochter wird unter Drogeneinfluss von einem Bus überfahren, erleidet Hirnschäden und muss nun in Betreuung leben. Jennifer Thumm entkommt dieser Abwärtsspirale nur, weil sie vor Gericht die Regel „Therapie statt Strafe" annehmen kann. Sie wird in Weinsberg therapiert, zieht nach Heilbronn und wird nie mehr rückfällig.
„Sucht ist wie ein langer Schlaf, aus dem man nicht von alleine aufwacht", sagt die 40-Jährige heute. Sie ist für eine Entkriminalisierung der Konsumenten; ihnen solle man helfen, statt sie zu bestrafen. Allerdings müsse man Süchtige manchmal zwingen, Hilfe anzunehmen, sagt Thumm. Das Cannabis-Gesetz will sie stoppen. „Aus meinen Erfahrungen weiß ich, dass Cannabis keine harmlose Droge ist."
Suchtberaterin Helena Resch befürchtet, dass abhängigen Jugendlichen zu spät geholfen wird

Helena Resch, Leiterin der Suchtberatung in Heilbronn, kritisiert, dass die Ampel-Koalition Gelder für die Suchthilfe zusammengestrichen hat. Zwar sei die Situation in Heilbronn noch recht gut, in anderen Regionen würden aber Beratungsstellen schließen. Mit dem neuen Gesetz werde die Droge Cannabis verharmlost, findet Resch.
Und erste Effekte seien schon spürbar. Bisher seien die meisten Jugendlichen von Gerichten zur Suchtberatung geschickt worden. „Seit etwa einem Jahr lässt das nach", erzählt Resch. Sie fürchtet, dass abhängige Jugendliche künftig noch später Hilfe bekommen. „Ich sehe nicht, dass der Kinder- und Jugendschutz gestärkt wird."
Höchstmengen, Privatanbau und Mehrfach-Mitgliedschaften in Anbauvereinen: Richter und Polizisten halten das für unkontrollierbar
Wie viele offene Fragen es noch gibt, zeigt sich bei der Diskussion. Der Heilbronner Richter Alexander Lobmüller, einer der Zuhörer, warnt, dass selbst minderjährige Cannabis-Konsumenten nicht mehr belangt werden könnten. Er findet das neue Gesetz „völligen Wahnsinn“. Ein Polizist hält die Mengenregeln für nicht kontrollierbar und geht davon aus, dass Kontrollen nur noch bei Verdacht stattfinden werden. Ein weiterer Kritikpunkt: Auf dem Papier dürfen Kiffer nur in einer Anbauvereinigung sein, um sich mit Gras zu versorgen – ob man nur in einem Verein Mitglied ist, kontrolliert jedoch niemand.
Alexander Throm macht wenig Hoffnung, dass das Gesetz noch gestoppt werden kann. „Für uns ist klar als Union, dass wir das zurückdrehen wollen." Aber das sei schwierig, nun da Cannabis einmal legalisiert werde. Außerdem brauche es eine CDU-Mehrheit.