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Heilbronner Richter zu Cannabis-Gesetz: "Völliger Wahnsinn"

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Alexander Lobmüller befürchtet, dass von der Cannabis-Legalisierung vor allem Großdealer profitieren – und Jugendliche gefährdet sind. Das Gesundheitsministerium um Minister Lauterbach kritisiert er scharf.

Dieses Bild zeigt einen Einblick in eine spanische Hanfplantage, zwei Wochen vor Erntebeginn.
Dieses Bild zeigt einen Einblick in eine spanische Hanfplantage, zwei Wochen vor Erntebeginn.  Foto: B+H Solutions GmbH

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vertritt die Auffassung, dass die geplante Cannabis-Legalisierung die Justiz entlasten wird. Beim Deutschen Richterbund sieht man das komplett anders. Auch Alexander Lobmüller, Vorsitzender der Heilbronner Bezirksgruppe des Richtervereins Baden-Württemberg, kritisiert nun das geplante Gesetz scharf.

"Ins Fäustchen lachen werden sich vor allem die internationalen Großdealer", prophezeit der 50-Jährige, der in seiner Laufbahn in Heilbronn zahlreiche Drogenhändler abgeurteilt hat, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Richter Lobmüller zu Ermittlungen bei großem Cannabishandel: "Zustände schlimmer als in Kolumbien"

Für die Justiz "waren und sind auch künftig die großen Fische das Ziel, die Dealer im Hintergrund". Diese brächten auch den größten Ermittlungsaufwand mit sich. "Und genau da wird das Cannabis-Gesetz die Dinge nun zum Schlechten verändern", sagt Lobmüller, der Vorsitzender Richter an einer Strafkammer des Heilbronner Landgerichts ist.

Selbst wenn es künftig um einen tonnenschweren Cannabishandel gehe, werde die Polizei die Dealer weder am Telefon noch in der Wohnung oder gar der Öffentlichkeit abhören dürfen. Sie werde auch keine Handydaten mehr abfragen dürfen. "Polizeibeamte gehen am besten gar nicht mehr ans Telefon, wenn eine andere europäische Polizeidienststelle anruft", so Lobmüller. Auch deren Telefonüberwachung werde in Deutschland dann nicht mehr verwertbar sein. "Das sind ja Zustände schlimmer als in Kolumbien."

Weshalb Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die polizeilichen Möglichkeiten, die genau bei der organisierten Kriminalität enorm wichtig seien, absichtlich so rigide beschränke – das sei ihm nicht nachvollziehbar, sagt Lobmüller.

Cannabis-Legalisierung: Richterbund sagt "ganz erheblichen Mehraufwand" voraus

Der Deutsche Richterbund hatte bereits im August vergangenen Jahres in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Cannabis-Gesetzes festgestellt, dass auch auf die Staatsanwaltschaften ein "ganz erheblicher Mehraufwand" zukommen werde. Das Cannabis-Gesetz sieht vor, dass Menschen, die in der Vergangenheit wegen eines Cannabisverstoßes auffällig wurden, einen Antrag im Bundeszentralregister stellen können: auf Löschung ihrer Verurteilung. Dies soll für alle zurückliegenden Straftaten ohne zeitliche Befristung gelten.

"Falls die Staatsanwaltschaft diesen Antrag ablehnt, steht der Rechtsweg zum Oberlandesgericht offen", erklärt Lobmüller. Dieser Rechtsweg wiederum müsse vom Steuerzahler finanziert werden.

Cannabishandel: Angeklagte könnten vorzeitig aus Gefängnissen entlassen werden

Besonders kurios sei: Falls Akten wegen des Datenschutzes bereits vernichtet seien, solle eine eidesstattliche Versicherung des Verurteilten ausreichend sein, um den Eintrag zu löschen. "Das ist eine ausgesprochen naive und lebensfremde Lösung", schildert Lobmüller. Weitaus teurer werde die Angelegenheit aber bei den aktuell noch nicht vollstreckten Urteilen. Hier fehle es an jeglicher Regelung, wie sich die nun rückwirkend straffrei gestellten Verstöße auswirkten.

"Muss die Strafe eines Dealers, der beispielsweise neben einem Kilogramm Heroin auch fünf Gramm Cannabis für den Eigenbedarf dabeihatte, nun neu festgesetzt werden?" Es gelte Tausende Urteile zu überprüfen. Bei den Gerichten könne das dazu führen, dass Fristen nicht eingehalten werden und Angeklagte aus dem Gefängnis freikommen könnten.

Der Deutsche Richterbund Baden-Württemberg hatte vor wenigen Tagen erst in einem Schreiben an Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) genau vor solchen Folgen gewarnt. Die geplante Rückwirkung der teilweisen Straffreiheit für Besitz und Anbau von Cannabis sei in besonderem Maße bedenklich, heißt es darin. Werde das tatsächlich Gesetz, "steht die Funktionstüchtigkeit unserer Strafjustiz auf dem Spiel".

Richter Lobmüller: Dealer profitieren von Gesetz zur Cannabis-Legalisierung

Künftig soll jeder Volljährige legal 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum kaufen können – und zwar unabhängig davon, woher das Cannabis stammt. "Ein Einkauf auf dem Schwarzmarkt ist da deutlich einfacher als der recht komplizierte Bezug über eine Anbauvereinigung", erklärt Lobmüller. Er war viele Jahre lang Jugendrichter am Heilbronner Amtsgericht und sieht die Jugend durch das geplante Gesetz nicht geschützt, sondern gefährdet.

Minister Lauterbach werde Kindern den Zugang zum Schwarzmarkt vereinfachen. Sie könnten nicht nur sanktionslos Cannabis erwerben, auch für Dealer werde der Strafrahmen für eine gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis an Minderjährige deutlich herabgesetzt. "Die Gründe sucht man im Gesetzesentwurf vergebens."

Dabei seien Jugendliche in der Phase der Pubertät mitunter anfällig für eine Suchtproblematik, Gruppendynamiken unterworfen und dann sollen auch noch Sanktionen wegfallen – mit seinen als Jugendrichter gesammelten Eindrücken ließe sich die Cannabis-Legalisierung überhaupt nicht vereinbaren, beklagt Lobmüller. "Eine solche Sichtweise ist völliger Wahnsinn und wälzt die Verantwortung komplett auf die Eltern ab, die jetzt schon oft an ihre Grenzen stoßen."

Zur Person: Alexander Lobmüller ist Vorsitzender der Heilbronner Bezirksgruppe des Richtervereins Baden-Württemberg. Der 50-Jährige lebt in Heilbronn, wo er auch geboren ist. Lobmüller ist geschieden und hat drei Kinder. Nach dem Studium an der Uni Heidelberg und dem Referendariat am Landgericht Heilbronn war er seit 2001 Richter am Landgericht und Straf- und Jugendrichter am Amtsgericht. Seit 2022 ist er Vorsitzender Richter in einer Strafkammer des Landgerichts. Als Mitglied der CDU kandidiert er für die Gemeinderatswahl in Heilbronn am 9. Juni.

 
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