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Cannabis-Konsum: Mein täglich Gras gib mir heute

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Der Konsum von Cannabis nimmt gerade bei jungen Leuten zu, Kiffen gehört vielfach zum Lifestyle. Doch die Folgen werden dabei oft unterschätzt.

Nach Erfahrungen aus der Suchtberatung fallen verharmlosende Darstellungen vom Kiffen besonders bei jungen Menschen auf fruchtbaren Boden. Foto: dpa
Nach Erfahrungen aus der Suchtberatung fallen verharmlosende Darstellungen vom Kiffen besonders bei jungen Menschen auf fruchtbaren Boden. Foto: dpa  Foto: Paul Zinken (dpa)

Im digitalen Zeitalter, in dem Instagram und Co. Jugendlichen diktieren, was sie gerade toll zu finden haben, konnte es nicht lange dauern, bis auch die Cannabis-Welt ihre Influencer hat. In den schillerndsten Tönen und Farben bringen sie in Sozialen Medien ihre Leidenschaft für Gras zum Ausdruck. Rapper Snoop Dogg ist in der Kiffer-Welt eine Ikone, wenn auch längst nicht die einzige. Bald jedes zweite Foto auf seinem Instagram-Account zeigt ihn mit einem Joint. Er rühmt sich damit, schon bei einer Gala des US-Präsidenten im Weißen Haus gekifft zu haben. Auch in den USA ist Cannabis in den meisten Bundesstaaten verboten. Die Botschaft des Rappers: alles easy, alles normal. Zugedröhnt sein als Lifestyle.

Mehr als 65 Millionen Abonnenten verfolgen das inzwischen allein bei Instagram. Meistens junge Menschen. Genau bei ihnen träfen solche verharmlosende Darstellungen leicht auf fruchtbaren Boden. "Es ist eine Zielgruppe, die schnell zu vereinnahmen und leicht beeinflussbar ist", sagt Helena Resch von der Jugend- und Suchtberatung Heilbronn.

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Kiffen gehört inzwischen oftmals zum guten Ton

Das schlägt sich in vielen Zahlen nieder. Laut Jahresbericht der Bundesdrogenbeauftragten stieg der Anteil derjenigen, die in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert haben, zwischen 2015 und 2019 von 15,3 Prozent auf 24,1 Prozent. Beim Polizeipräsidium Heilbronn hat sich die Zahl der Rauschgiftdelikte in den vergangenen fünf Jahren auf knapp 3000 erhöht. "Mehr als die Hälfte davon sind Besitzdelikte mit Cannabis-Produkten", sagt Jörg Tüx.

Der Leiter des Arbeitsbereichs Rauschgift sieht hinter dem Anstieg ein gesamtgesellschaftliches Problem und attestiert einen "sehr unkritischen Umgang" mit der Droge. Kiffen gehöre zum guten Ton. Hinzu komme eine unreflektierte Darstellung in Sozialen Medien. Aufklärung und Prävention sind zu einem Kampf gegen Windmühlen geworden. "Wir tun uns schwer gegen Youtuber und Influencer", sagt Tüx. Snoop Dogg lässt grüßen.


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Der Markt ist nahezu überschwemmt von Cannabis

"Cannabis wird über die Musikindustrie sehr gehypt", sagt auch Helena Resch. Anders als früher. Junge Menschen würden heute mit einseitigen Bildern geradezu bombardiert - ihnen wird suggeriert: Kiffen ist cool. Hinzu kommt eine enorm hohe Verfügbarkeit von Gras. Der Markt ist nahezu überschwemmt, sagt die Polizei. Entsprechend leicht ist es, an Stoff zu kommen. Im Park. Auf dem Schulhof. Über die Messenger-App Telegram lässt sich Cannabis ordern - und wie eine Pizza nach Hause liefern. Klar, dass dem aktuellen Suchtbericht zufolge bereits jeder Zehnte der Zwölf- bis 17-Jährigen Erfahrungen mit Gras hat. Tendenz steigend. Auch in der Region, sagt Helena Resch.

Das hat fatale Folgen. Was mit einer Veränderung der Wahrnehmung und des Bewusstseins beginnt, wirkt sich mit der Zeit auf die Entwicklung des Gehirns aus. Langzeitstudien belegen, dass regelmäßiges Kiffen eine Ausdünnung der Hirnrinde im präfrontalen Kortex zur Folge hat. Also jener Region, die maßgeblich an Impulskontrolle, Problemlösen, Priorisieren und Fokussieren beteiligt ist. "Je jünger das Einstiegsalter, desto größer ist die Gefahr, auf Dauer kognitive Störungen davonzutragen", sagt Robert Prager Loos, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Klinik für Suchttherapie am Klinikum am Weissenhof in Weinsberg.


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Es ist in größerem Ausmaß Gras im Umlauf, das mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt ist

Zwei Faktoren sorgen dafür, dass die gesundheitlichen Folgen im Lauf der Zeit zugenommen haben. Erstens: Im Vergleich zu früher ist das heutige Marihuana hochpotent. Der THC-Gehalt ist um das doppelte, mitunter dreifache angestiegen. "Das ist heute eine ganz andere Substanz", sagt Jörg Tüx. Und zweitens: Es gibt ein Problem mit der Reinheit. Europaweit ist offenbar in größerem Ausmaß Gras im Umlauf, das mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt wurde und die Rezeptoren im Hirn deutlich stärker anspricht als natürliches Gras. "Das macht akut was im Körper und am Ende viel schneller abhängig", sagt Prager Loos.


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Laut einer Mitteilung der Krankenkasse AOK ist die Zahl der Menschen, die sich wegen ihres Cannabis-Konsums in Therapie begeben, sowohl im Landkreis als auch in der Stadt Heilbronn in den vergangenen Jahren gestiegen. Es seien vermehrt Psychosen sowie Schizophrenie zu beobachten. Das betrifft etwa fünf Prozent der regelmäßigen Konsumenten, sagt der Arzt.

Dass Cannabis mitunter mit Blei gestreckt wird, um die Einheit schwerer und teuerer zu machen, zeigt ein anderes Problem. "Was viele nicht verstehen, ist, dass da im Hintergrund Unternehmen sind, die damit Geld verdienen", sagt Helena Resch. Ein Milliardenmarkt.

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