Probleme mit Bürgergeld: Auch in der Region Heilbronn gibt es Kritik
Das Bürgergeld steht immer wieder in der Kritik. Auch in der Region Heilbronn werden solche Stimmen laut. Nur rund die Hälfte der Leistungsempfänger ist auch erwerbsfähig.

Das Bürgergeld bleibt im Fokus, auch rund ein Jahr nach seiner Einführung. CDU-Chef Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann schießen dagegen wegen der Höhe, wollen es abschaffen.
Auch Sozialexperten in der Region üben Kritik. Kernproblem sei, dass Bürgergeldempfänger als heterogene Gruppe in einen Topf geworfen würden. Zielgerichtete Maßnahmen, Menschen in Jobs zu bekommen, seien erschwert, sagt Guido Rebstock, der als früherer Vermittler, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Heilbronn sowie als Amtschef des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg breiten Einblick ins Thema hat.
So viele Menschen bekommen in Heilbronn und der Region Bürgergeld
Tatsächlich sind in Heilbronn mit 8781 Bürgergeld-Empfängern 42,2 Prozent oder 3705 Menschen nicht arbeitslos. Sie sind Aufstocker (1307 Personen), Schüler, Studenten, Azubis (723 Personen), Ukraine-Flüchtlinge (1275), betreuen Kinder unter drei Jahren (400 Bedarfsgemeinschaften).
Im Landkreis ist der Anteil an den 13.687 Empfängern, die nicht vermittelt werden, weil sie etwa die Schule besuchen oder in Elternzeit sind, höher: Er liegt bei 53,8 Prozent. Das sind 7361 Menschen. Chronisch Kranke werden nicht erfasst. "Auch bundesweit stehen die vier Millionen Bürgergeldempfänger dem Markt gar nicht komplett zur Verfügung", so Rebstock.
Ziel von Hartz IV und Bürgergeld: Langzeitarbeitslose schneller vermitteln
Dass die restlichen Bürgergeldempfänger, also die, die erwerbsfähig und arbeitslos sind, mit anderen Gruppen zusammengefasst werden, moniert auch Hannes Finkbeiner, Lobbyist für Wohnungs- und Arbeitslose in Heilbronn. "Hartz IV wurde eingeführt, um Schwächere schneller in Arbeit zu bringen." Der breite Kreis der vom Jobcenter Betreuten sei kontraproduktiv. "Die Bezieher sollten stärker kategorisiert werden für zielgerichtete Unterstützung." Den intensiven Kontakt, der nötig sei, um Langzeitarbeitslose zu vermitteln, könnten die Jobcenter derzeit nicht bieten.
Ökonom Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg bestätigt: "Es gibt ein Pilotprojekt, das zeigt, wie mit höherem Betreuungsschlüssel die Übergänge in Jobs gestiegen sind." Es bereitet ihm Sorge, dass Menschen schlechter aus der Arbeitslosigkeit herauskommen, "obwohl es Jobs gibt".
Ohne Ausbildung und ohne Sprachkenntnisse: Aus diesen Gründen bleiben Menschen arbeitslos
Die Arbeitslosigkeit verfestige sich aus vielen Gründen. Zwei Drittel der Betroffenen hätten keine Ausbildung, gesundheitliche Einschränkungen, kleine Kinder, oder es fehlten Sprachkenntnisse. "Manchmal alles zusammen."
Genug Kapazitäten, um auf die Fälle einzugehen, sei essenziell. Arbeitslosigkeit koste den Staat 60 Milliarden Euro im Jahr, auch deshalb sei es wichtig, die Verfestigung zu stoppen. Tatsächlich brechen die Maßnahmen für Langzeitsarbeitslose in der Region ein. Zwar sind die Weiterbildungen beim Jobcenter Stadt gleichbleibend, das Jobcenter Landkreis litt 2023 unter "massiven Einschränkungen". Jetzt ist die Lage besser, so Jobcenter-Chef Marco Krebs. Mehrjährige Eingliederungsmaßnahmen stößt er trotzdem nicht an, weil offen ist, wie viel Geld es die nächsten Jahre gibt.
Kritik am Bürgergeld: Ökonom Blömer aus Heilbronn sieht Problem in Vielfalt der Leistungen
In Heilbronn plädieren Sozialexperten für die Zusammenlegung von Bürger-, Wohngeld und Kinderzuschlag. Arbeitsmarktforscher Maximilian Blömer vom Ifo-Institut München sagt dazu: "Das Problem ist das Nebeneinander der Leistungen und die Komplexität in der Praxis. Aus Betroffenensicht ist es nicht verständlich, warum so viele Behörden zuständig sind." Er hat für die Wirtschaftsweisen eine Studie unter anderem für bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten erstellt, wie sie auch Rebstock und Finkbeiner fordern. "Die Menschen fragen im Jobcenter: ,Wie viel darf ich dazuverdienen, bevor mir alles entzogen wird?'"
Budgets der Jobcenter sind gestiegen
Das Gesamtbudget des Jobcenters Stadt ist von 15,4 Millionen Euro dieses Jahr gestiegen auf 15,8 Millionen Euro, im Landkreis von von 19,7 auf rund 22,7 Millionen Euro wegen ukrainischer Flüchtlinge. Das verschafft der Behörde mehr Spiel, sagt dessen Leiter Marco Krebs. Kritiker wie Hannes Finkbeiner und Georg Zipser, Chef des Paritätischen, monieren, dass Personalkosten aus dem gleichen Topf wie Eingliederungsmaßnahmen bezahlt werden und für Arbeitslose nicht genug Geld bleibt. Maximilian Blömer vom Ifo-Institut sagt, wenn die Töpfe nicht zweckgebunden seien, bleibe mehr Flexibilität.



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