Bio wächst, aber nicht schnell genug
In der Region haben weniger Betriebe auf ökologische Landwirtschaft umgestellt als im Landesdurchschnitt. Zwischen 2012 und 2017 ist die Fläche um knapp 30 Prozent gewachsen. Um mehr Bauern zur Umstellung zu bewegen, müsste sich einiges verbessern.

Die Zahl der biologisch wirtschaftenden Bauern steigt. In Baden-Württemberg von 2012 bis 2017 um knapp 30 Prozent, erklärt das Landwirtschaftsministerium. Die Fläche sei im selben Zeitraum sogar um 42 Prozent gewachsen. Dieser Trend gilt auch für die Region Heilbronn und Hohenlohe.
Und trotzdem: Die Produktionsmenge reicht nicht aus, um die Nachfrage in Baden-Württemberg zu decken. "Unser Ziel ist es, die mit der Entwicklung des ökologischen Landbaus verbundenen Potenziale für die Unternehmen und die Umwelt im Land zu nutzen", sagt Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) unserer Redaktion. Für den Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) steht fest, dass umstellungswillige Landwirte bessere Rahmenbedingungen brauchen - stabile Preise, eine reformierte Agrarpolitik.
Verbandsvorsitzender Zucker: Jeder Betriebsleiter muss selbst entscheiden
In Stadt- und Landkreis Heilbronn haben sich bis Ende vergangenen Jahres 4,6 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe zertifizieren lassen. Das ist deutlich mehr als noch vor fünf Jahren, im Vergleich zum Land (8,2 Prozent) aber eher wenig. Im Hohenlohekreis sind es 4,4 Prozent der Höfe. "Ist Bio wirklich die Lösung?", fragt sich Eberhard Zucker, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg. Er hält nichts von pauschalen Antworten.
"Jeder Betriebsleiter muss für sich die Entscheidung treffen, was am besten passt, wie er sich weiterentwickeln möchte." Zucker warnt davor, konventionell arbeitende Bauern zu stigmatisieren. "Auch in diesem Bereich wird es durch die Digitalisierung eine noch genauere Ausbringung von Betriebsmitteln geben."
Aktuelle Umfrage des Bauernverbands zeigt: Im Süden größere Umstellungsbereitschaft
Der Deutsche Bauernverband hat in einer aktuellen Umfrage der eigenen Branche auf den Zahn fühlen lassen. Ergebnis: Die Bereitschaft der Betriebe, in den kommenden zwei bis drei Jahren auf Öko-Landbau umzustellen, sei nochmals um 1,2 auf fast 17 Prozent gestiegen.
Zum Vergleich: Es gab Zeiten, da lag dieser Anteil bei elf Prozent. Geografisch betrachtet, liegt die Umstellungsbereitschaft im Süden Deutschlands höher als im Norden oder Osten - was auch an der kleinteiligeren Struktur im Süden liegen dürfte. Vor allem Futterbaubetriebe können sich den Kurswechsel vorstellen, und es sind eher die kleineren Höfe.
Bund will Bio-Anteil auf 20 Prozent steigern
Der Bund hat das Ziel formuliert, dass der Bio-Anteil bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent wachsen soll. "Aufgrund der Strukturen und der Entwicklung in Baden-Württemberg kann das Land sicherlich einen sehr guten Beitrag leisten", meinte ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Doch was erwarten umstellungswillige Landwirte? Aufschluss gibt die Umfrage des Bauernverbands.
Da Öko-Landwirtschaft deutlich mehr Aufwand verursacht, setzen die Bauern auf höhere Erzeugerpreise. Sehr wichtig sind ihnen gesicherte Abnahmeverträge - wie es sie durch die Kooperation von Lidl und Bioland zum Beispiel gibt. Auf dem Wunschzettel stehen auch höhere Förderungen von umstellungsbedingten Investitionen und verlässliche politische Rahmenbedingungen.
Reform der Europäischen Agrarpolitik gefordert
Der BÖLW hält das 20-Prozent-Ziel der Bundesregierung für erreichbar. Dazu brauche es aber eine konsequente Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP). Freiwillige ökologische Leistungen müssten stärker, der reine Flächenbesitz dagegen weniger honoriert werden. Henrik Wendorff, Öko-Beauftragter des Bauernverbands, appelliert zudem an den Handel, alle heimisch erzeugbaren Importe durch regional in Deutschland produzierte Öko-Waren zu ersetzen.
"Viele Bio-Produkte tragen bereits die Deutschlandkennungen auf der Verpackung, bei anderen sollten die Kunden besser aufgeklärt werden, wie sie die Herkunft erkennen können", fordert Wendorff. So seien Öko-Eier aus Deutschland neben der 0 mit einem D gestempelt.
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"Wir unterstützen mit dem Aktionsplan ,Bio aus Baden-Württemberg" den ökologischen Landbau", betont Minister Hauk gegenüber der Stimme. Umstellungswillige Landwirte könnten beispielsweise aus dem Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (Fakt) Zuschüsse beantragen. In der Vergangenheit seien immer genügend Haushaltsmittel bereit gestellt worden. "Derzeit ist keine Begrenzung vorgesehen", versichert ein Ministeriumssprecher.
Thünen-Institut sieht Vorteile von Bio-Landwirtschaft
Dass Bio-Landwirtschaft viele Vorzüge aufweist, bestätigt auch das staatliche Thünen-Institut in einer Auswertung zahlreicher wissenschaftlicher Forschungsarbeiten. Vorteile erkennt das Institut beim Umwelt- und Ressourcenschutz: Wasserschutz, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klimaanpassung und Ressourceneffizienz. Kein klares Bild ergebe sich beim Tierwohl.
Bei Verhalten und Emotionen deuteten sich Vorteile der ökologischen Tierhaltung an. Bei der Tiergesundheit seien abgesehen von der Gliedmaßnahmen- und Klauengesundheit keine grundlegenden Unterschiede festzustellen. Das Management auf dem Hof scheine entscheidender zu sein als die Wirtschaftsweise.
Bio-Milch läuft sehr gut
Viele Landwirte schließen sich Verbänden mit besonders strengen Vorgaben an. Auch, um Beratungs- und Vermarktungsmöglichkeiten zu nutzen. Nach Erhebungen des BÖLW haben Bioland (7744), Naturland (3721) und Demeter (1599) die meisten Mitglieder (Stand 1. Januar 2019). "Bio-Milch war mit Abstand das erfolgreichste Produkt", schreibt der BÖLW. Die Gesamterlöse seien auch wegen der größeren Menge, um 21 Prozent gestiegen. Und was machen die Verbraucher? Laut BÖLW gaben sie im vergangenen Jahr fast elf Milliarden Euro für Bio-Lebensmittel aus - 5,5 Prozent mehr als 2017.
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