Bio, Lidl und die Landwirtschaft
Ortstermin auf dem Biobauernhof: Seit kurzem arbeiten der Discounter Lidl und der Öko-Anbauverband Bioland zusammen. So mancher Bauer hat ob der Kooperation noch Bauchschmerzen.

Lidl und Bioland? Ein bisschen fremdeln die Partner schon noch - das wird auch beim Besuch des Chefeinkäufers der Neckarsulmer, Jan Bock, auf dem Bauernhof von Ralf Bund in Wertheim deutlich. Ein wenig Bauchweh hat der Landwirt noch immer, obwohl er für die Kooperation gestimmt hat und seinen Hof für den Pressetermin öffnet.
Statt Preis-Minus schlägt Bioland Werbung mit Öko-Plus vor
Das Discounter-Prinzip mit all den Preissenkungen behagt ihm nicht wirklich. Selbst Bioland-Präsident Jan Plagge, der mit Bock die Vereinbarung ausgehandelt hat, schlägt bei dem Termin seinem Vertragspartner eine neue Art der Werbung vor: "Schreiben Sie doch mal hin, dass es mit unseren Produkten 50 Prozent mehr Artenvielfalt gibt."
Zumindest noch sind solche Töne bei Lidl nicht vorgesehen. Aber wer hätte es noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten, dass diese ungleichen Partner ein Bündnis eingehen? "Bioland musste sich an uns heranrobben", weiß Lidl-Manager Bock. "Obwohl wir ja längst kein Hard-Discounter mehr sind."
Letztlich sind es die Zahlen, die für die Partnerschaft sprechen. "Der Umbau der Landwirtschaft hin zu Bio geht zu langsam vonstatten", sagt Plagge. Weil es an Absatzkanälen fehlt.
Umstellung war für Bauer Bund die beste Entscheidung seit der Wahl seiner Frau
Ralf Bund ist dafür ein gutes Beispiel: Dass er im konventionellen Anbau immer mehr Gift einsetzen musste, widerstrebte ihm schon lange bevor er mit seinem über 100 Hektar großen Hof Bioland-Mitglied wurde. Aber für die Milch, die seine 110 Kühe täglich produzieren, gab es keinen Bio-Markt. Bis zum 9. Mai 2010, dem Tag, an dem die Molkerei Zott ihm grünes Licht gab.
"Am 10. Mai haben wir umgestellt. Das war seit der Hochzeit mit meiner Frau die beste Entscheidung in meinem Leben", sagt Bund, der mit seiner Arbeit schließlich mindestens so viel verdienen möchte, "dass wir uns nicht überlegen müssen, ob wir uns die Pizza leisten können". Obwohl er für die Umstellung seines Betriebs einen Betrag im siebenstelligen Bereich investieren musste.
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Seit Lidl mit Bioland zusammenarbeitet, wird Ralf Bunds Milch zu Mozzarella und Emmentaler verarbeitet, die deutschlandweit in 3200 Filialen angeboten werden. 25 Millionen Kunden besuchen diese Märkte jede Woche, sagt Jan Bock. "Wir wollen den Biomarkt insgesamt vergrößern", betont der Lidl-Mann. Das Unternehmen schiele dabei nicht auf die Kunden der Naturkostfachhändler, die die Kooperation mit Argusaugen beobachten.
Umstellung muss im Gleichschritt mit der Marktentwicklung erfolgen
An Landwirten, die umstellen wollen, mangelt es nicht, weiß Jan Plagge. In Baden-Württemberg seien das 20 Prozent der Höfe. Aber bisher liegt der Marktanteil der Öko-Lebensmittel nur bei fünf bis sechs Prozent. Mit der Kooperation möchte Lidl erreichen, dass in den eigenen Märkten die zweistelligen Zuwachsraten der durchaus lukrativen Produkte auch in den kommenden Jahren erreicht werden, erklärt Bock seine Zielsetzung.
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