Bei jungen Müttern schnappt die Teilzeitfalle zu
Wirtschaftsprofessor der TUM Campus Heilbronn und Leiterin der Kontaktstelle "Frau und Beruf" Heilbronn-Franken berichten über die Situation von Frauen am Arbeitsmarkt. Wie kann man es vermeiden, in die Teilzeitfalle zu geraten?

"Frauen sind aus verschiedenen Gründen bei uns nach wie vor auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, insbesondere durch die Geburt von Kindern", sagt Philipp Lergetporer, Professor für Wirtschaft an der TUM Heilbronn, im Rahmen eines Erkenntnisaustausches auf dem Campus. Studien im deutschsprachigen Raum belegen, dass nach der Geburt eines Kindes die Einkommensverluste bis zu 60 Prozent betragen können.
"Das liegt daran, dass dann weniger Vollzeit gearbeitet wird. Zwar gehen 88 Prozent der Väter voll einer Arbeit nach, aber nur elf Prozent der Mütter, was sich bis zum Schuleintritt der Kinder lediglich auf 33 Prozent erhöht. Das könnte als die sogenannte "Child Penalty" bezeichnet werden - benachteiligt wird, wer Kinder hat", erklärt er. Als deren Treiber seien unter anderem die stärkere Kinderbetreuung durch Frauen oder auch die eher konservative Einstellung zur Mütterarbeit in Deutschland zu nennen.
Gründe und Realität
Ob diese wissenschaftliche Sicht der Problematik mit der Realität, wie sie tatsächlich in unserer Wirtschaftsregion erfahren wird, übereinstimmt, erläutert Simone Rieß, Leiterin der Kontaktstelle "Frau und Beruf" Heilbronn-Franken: "Natürlich sind die Gründe für eine verminderte oder fehlende Erwerbstätigkeit von Müttern sehr individuell. Sie reichen von mangelnder Kinderbetreuung am Wohnort, über fehlende Arbeitsplätze, bis hin zu gesellschaftlichen Normen, die man erfüllen möchte. Auch die Aufgabenteilung mit dem Partner ist wichtig oder die unsichtbare Sorgearbeit, die häufig von den Müttern getragen wird. Da bleibt oft nur die Möglichkeit der Teilzeitarbeit."
Laut Lergetporer unterstützen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie das steuerliche Ehegattensplitting oder die kostenlose Krankenmitversicherung bei Nichterwerbstätigkeit, die Teilzeitarbeit, was es grundsätzlich zu überdenken gelte. Denn ändere sich nach Jahren unvorhergesehen die persönliche Lebenssituation, dann sähen sich nicht selten die Mütter mit den Folgen der Teilzeitfalle konfrontiert, da sie zu geringe Rentenansprüche erworben haben.
Anreize denkbar
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und in Zeiten eines Fachkräftemangels und des Strukturwandels das Arbeitskräftepotenzial von Frauen stärker zu aktivieren und aus der Teilzeitfalle zu holen, kann sehr viel getan werden. "Aus ökonomischer Sicht wären mehr Anreize für Arbeitgeber denkbar, Mütter einzustellen. Sie könnten zum Beispiel Boni oder Kitagebührenzuschüsse erhalten oder Weiterbildungen zur Vermittlung von Spezialkenntnissen könnten gefördert werden, um den Fachkräftemangel abzufedern. Im Bereich der Weiterbildung und der Möglichkeit des Quereinstiegs ist die TUM Campus Heilbronn mit verschiedenen Partnerfirmen schon verstärkt aktiv", sagt Lergetporer.
Für Simone Rieß ist die Ausweitung und die Flexibilisierung der Kinderbetreuung ein probates Mittel zur Reduzierung von Teilzeitarbeit. Betreuungszeiten müssten verändert und an den ganzen Tag angepasst werden, damit auch am Nachmittag gearbeitet werden kann, wenn viele Büroräume verwaist sind, weil die Kinderbetreuung nur am Vormittag funktioniert. Dann wäre auch ein besseres Jobsharing möglich. "Kitagebühren sollten für niedrige Einkommen überall gesenkt oder wie in Heilbronn abgeschafft werden, denn diese dürfen nicht über den Wohnort entscheiden", ergänzt Lergetporer.
Sensibilisierung ist nötig
Wichtig sei, dass die Teilzeitfalle gar nicht erst zuschnappt und Frauen sensibilisiert werden, auch auf die Auswirkungen zu achten und sich frühzeitig an die Beratungsstelle zu wenden. "Es sollte je nach Lebensphase ein Spielraum für unterschiedliche Modelle vorhanden sein, der gemeinsam mit allen Akteuren gestaltet wird. Wiedereinstiegsmöglichkeiten sind schon viele vorhanden. Die Beratungsstelle ist deshalb wichtig, um zu sehen, was es gibt, damit man es auf dem Schirm hat und so den eigenen Weg finden kann", betont Rieß.
Beratung
Weitere Informationen und persönliche Beratung erhalten Interessierte über die Kontaktstelle Frau und Beruf Heilbronn-Franken GmbH. Die Aufgabe der Beratungsstelle ist es, Frauen auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt zu beraten oder ihnen neue Wege auf dem Arbeitsmarkt aufzuzeigen. Die Beratung erfolgt dabei vertraulich und kostenfrei. Darüber hinaus informiert die Kontaktstelle Unternehmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zu Themen der Fachkräftesicherung. Gefördert wird die Stelle im Rahmen eines Landesprogrammes des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg.
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