Wie man Familie und Beruf unter einen Hut bringt
Drei Expertinnen erklären, was die größten Herausforderungen für berufstätige Eltern sind und warum Frauen wieder verstärkt mit alten Rollenbildern zu kämpfen haben. Gleichzeitig berichten sie, welche Lösungsansätze es gibt und wie sie umgesetzt werden können.

Im Arbeitsalltag von Frauen mit Kindern ergeben sich immer noch so manche Konflikte. Dazu können zum Beispiel traditionelle Rollenmuster und familienunfreundliche Arbeitsbedingungen zählen. Warum die Herausforderungen für erwerbstätige Eltern besonders Frauen betreffen und wie die Konflikte gelöst werden könnten, erklären die drei Expertinnen Prof. Dr. Miriam Bird von der Technischen Universität München (TUM) am Campus Heilbronn, Prof. Dr. Nicola Marsden von der Hochschule Heilbronn und Tanja Edelhäußer vom Netzwerk Familie in der Hochschule.
Die richtige Zeiteinteilung ist für Eltern oft schwierig
Das erste Problem für berufstätige Eltern scheint logisch: Zeit. "Einerseits möchte man die Arbeit gut verrichten und andererseits Zeit mit der Familie verbringen", erklärt Miriam Bird. Bei Männern würde es häufiger positiv wahrgenommen, wenn sie Kinder haben und Vollzeit arbeiten. Oft sei das sogar karrierefördernd, weil der Mann als Versorger wahrgenommen würde.
Nicola Marsden ergänzt: "Das Problem ist, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Frauenthema gemacht wurde." Es müsse genauso selbstverständlich und wahrscheinlich werden, dass Männer zum Beispiel in Eltern- oder Teilzeit gehen. Denn unter dem Zeitproblem litten auch Väter: "Viele fürchten, dass es am Arbeitsplatz negativ wahrgenommen wird, wenn sie Elternzeit nehmen", erklärt Marsden.

Zunächst, berichtet Bird, sei es wichtig, dass der Arbeitgeber den Konflikt wahrnehme und verstehe: "Wenn die Kindertagesstätte um 16 Uhr schließt, ist es zum Beispiel schlecht, wenn wichtige Meetings immer erst auf 18 Uhr gelegt werden." Hier könnte der Arbeitgeber familienfreundliche Maßnahmen umsetzen. Doch was, wenn abendliche Besprechungen manchmal nötig sind? In solchen Fällen, sagt Tanja Edelhäußer, "könnte der Arbeitgeber Abend-Kinderbetreuung zur Verfügung stellen."
Generell gibt es nach Ansicht der Expertinnen viele Lösungsfaktoren: Flexible Arbeitszeiten, mehr Autonomie und modernere Arbeitsmodelle zum Beispiel. "Es gibt etwa das Konzept, dass beide Elternteile 80 Prozent arbeiten und beide sich um die Kinder kümmern", sagt Edelhäußer. Zudem könne der Staat mehr Betreuungsmöglichkeiten schaffen und zum Beispiel steuerliche Anreize setzen, damit mehr Männer in Elternzeit gingen, sagt Miriam Bird. Dann sei es bei der Entscheidung, welcher Elternteil zu Hause bei den Kindern bleibt, auch nicht mehr so entscheidend, wer mehr verdient.
Als zweite große Herausforderung nennen die Expertinnen gender-spezifische Stereotype. "Bei den meisten Arbeitgebern herrscht immer noch die Ansicht, dass Männer als Arbeitnehmer immer verfügbar sind, weil da noch jemand ist, der sich um die Kinder kümmert", sagt Tanja Edelhäußer. Was könnte hier helfen? Für Edelhäußer fängt der Fortschritt schon bei kleinen Alltagsdingen an. "Viele Männer sagen: Ich helfe meiner Frau doch. Dabei sollten sie das nicht als Hilfe ansehen, sondern wissen, dass Haushalt und Kinderbetreuung auch ihr Job ist. Sie sollten sich in gleichem Maße verantwortlich fühlen", sagt sie.
Außerdem nennen die Expertinnen ein weiteres Stichwort: Vorbilder. "Sowohl weibliche als auch männliche Vorbilder sollten sichtbarer gemacht werden, damit alle sehen: Es gibt Väter, die in Elternzeit gehen und es gibt Frauen in Führungspositionen, die Kinder haben", erklärt Nicola Marsden.
Corona-Krise hat alte Rollenbilder wiederbelebt
Und dann gibt es da noch die Corona-Pandemie. "Die Gefahr, dass Frauen in ihren Karrieren zurückgeworfen werden, ist wahrscheinlicher denn je", sagt Miriam Bird. Die Krise habe dazu geführt, dass Frauen wieder mehr zurücksteckten und zum Beispiel wieder mehr in Teilzeit gingen. Generell, sind sich die drei Expertinnen einig, habe die Krise alte Rollenbilder wiederbelebt und verfestigt. Woran liegt das?
"Die Corona-Krise ist gefährlich, weil man sieht, wie dünn die Oberfläche der Gleichberechtigung ist. Wirtschaftliche Unsicherheit führt zu einer Rückbesinnung auf vermeintlich Altbewährtes", sagt Nicola Marsden. Diese "Retraditionalisierung" sei auch in Heilbronn aufgetreten, wobei die Rollenbilder in der Region schon vor der Krise traditioneller gewesen seien als im Bundesdurchschnitt. "Es muss massiv gegengesteuert werden, damit das nicht zu einer nachhaltigen Veränderung wird", sagt die Wissenschaftlerin. Zum Beispiel dürften Arbeitgeber und das familiäre Umfeld nicht einfach dankend annehmen, dass Frauen ihre beruflichen Ambitionen in der Krise aufopfern.
Eltern-Kind-Arbeitszimmer im Unternehmen
Ein kleiner Helfer, wenn das Kind wegen der Corona-Situation einmal mit zur Arbeit müsse, könne ein mobiles Kinderzimmer oder ein Eltern-Kind-Arbeitszimmer im Unternehmen sein. "Solche Angebote sind wichtig, weil bei der Jobwahl heutzutage verstärkt darauf geachtet wird, welche soft skills ein Unternehmen zu bieten hat", erzählt Peter Polzer, dessen Jagsthausener Firma unter anderem mobile Kinderzimmer herstellt. Miriam Bird hat eine solche "Kids Box" im Büro. Sie habe viele gute Funktionen, ein Ersatz für eine gute Kinderbetreuung sei sie aber nicht.
Eine familienfreundlichere Arbeitswelt: Letztendlich für alle von Vorteil, sagen die Experten. Sonst, erklärt Miriam Bird, "geht mit den Frauen sehr viel Humankapital und Potenzial verloren."
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