Bei den Corona-Tests hakt es
Experten äußern sich beim Stimme-Forum im Heilbronner Deutschhof sorgenvoll beim Blick auf die aktuellen Corona-Entwicklungen. Sie fürchten, dass die Fallzahlen weiter steigen - auch, weil es einige Schwachstellen im System gibt.

Wie geht es angesichts der Pandemie weiter in den Praxen und Krankenhäusern der Region? Diese Frage diskutierte Chefredakteur Uwe Ralf Heer am Montagmittag beim Corona-Forum der Heilbronner Stimme im Deutschhof mit vier Gästen.
Erst kurz zuvor war bekannt geworden, dass die Stadt eine kritische Marke an Neuinfektionen erreicht hat. "Das macht allen Sorge", sagt SLK-Chef Thomas Weber, der am Morgen als Teilnehmer des Krisenstabs mögliche Maßnahmen diskutiert hatte. "Die Gefahr besteht, dass wir die Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern erreichen", so Weber weiter. Vor allem Reiserückkehrer vom Balkan brächten das Virus aktuell mit. "Und wir sind ja gerade erst in der Hälfte der Sommerferien."
Täglich rund 100 Abstriche auf das Virus
Rund 100 Abstriche auf Corona macht Kreisärztesprecher Martin Uellner täglich in seiner Heilbronner Praxis - zusätzlich zur normalen Patientenversorgung. "Wir arbeiten bis 22 Uhr." Trotzdem reichten die Kapazitäten nicht aus, vor allem die Labore seien eine Engstelle. "Die Labore in Baden-Württemberg sind bei 95 Prozent ihrer Kapazitäten." Wenn jetzt noch wesentlich mehr Tests erforderlich werden, etwa dadurch, dass Lehrer und Kita-Kräfte vor dem Start des neuen Schuljahres getestet werden sollen, "ist das für uns niedergelassene Ärzte einfach nicht leistbar", sagt Uellner.
Maria Martin, Leiterin des SLK-Instituts für Infektionsprävention und Klinikhygiene, weist auf einen weiteren Schwachpunkt hin: Tests seien immer nur eine Momentaufnahme. Die Inkubationszeit bei Covid-19 betrage 14 Tage, gerade am Anfang sei ein Test oft negativ, ein weiterer könne schon am nächsten Tag positiv ausfallen. Deshalb hält Martin wenig von der Idee, Lehrer durchzutesten, "das bringt vielleicht ein gutes Gefühl, mehr aber nicht".
Arne Gailing von der Gewerkschaft Verdi weist auf die hohe Belastung für viele Angestellte durch die Pandemie hin. "Schon vor Corona sollten möglichst wenige Mitarbeiter möglichst viel Arbeit erledigen." Die Arbeitsbelastung sei bei SLK in einigen Bereichen enorm hoch und habe sich durch die Versorgung der Corona-Patienten weiter zugespitzt. Dass SLK-Mitarbeiter, die direkt mit Covid-19-Kranken arbeiteten, einen Bonus bekommen, begrüßt Gailing. "Allerdings hätten wir uns das auch für andere systemrelevante Gruppen gewünscht - wie zum Beispiel die Reinigungskräfte, auch auf deren Arbeit kommt es an."
Öffentlicher Gesundheitsdienst ist chronisch unterbesetzt
Kritik üben Uellner und Weber an der Zusammenarbeit mit den öffentlichen Gesundheitsdiensten. "Die Zusammenarbeit war lange nicht optimal", so Uellner. Auch jetzt seien die Gesundheitsämter noch nicht in der Lage, zum Beispiel Tests durchzuführen, das müssten die niedergelassenen Ärzte in Eigenregie organisieren. "Dabei sind wir eigentlich nicht dafür da, die Testung von Reiserückkehrern ohne Symptome zu übernehmen."
Doch die eigentlich zuständigen Behörden seien chronisch unterbesetzt. Auch Fieberambulanzen, die in der Hochphase der Pandemie im April eingerichtet worden waren, würden kaum Abhilfe leisten. "Auch die müssen ja von den niedergelassenen Ärzten betrieben werden und die Arbeit dort läuft überwiegend händisch." Da sei man in der eigenen Praxis schneller, wenn man die Versichertenkarte mit den Patientendaten elektronisch einlesen und einen Laborschein ausdrucken könne.
Informationsaustausch zwischen den Ämtern per Post
Für ungläubige Lacher unter den rund 60 Zuhörern sorgte Uellners Aussage, dass Gesundheitsamt und Ordnungsamt in Heilbronn seines Wissens nach auf dem Postweg kommunizieren - etwa, wenn es um die Info über Quarantänepflichtige geht. Auch Weber mahnte an, die richtigen Konsequenzen aus den ersten Monaten mit Covid-19 zu ziehen. "Die Erkenntnisse sind zwar da, aber den Schub in Sachen Finanzierung oder Ausstattung sehe ich noch nicht."
Einen weiteren Fall im Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch auf der Station L7 in der Vorwoche meldet das SLK-Klinikum am Gesundbrunnen in Heilbronn. Inzwischen sind neun Mitarbeiter positiv getestet worden. Die Zahl der infizierten Patienten ist gleich geblieben und beträgt zwei, teilt SLK-Sprecherin Marlies Kepp mit. Sie kündigt an: „Wir testen auch diese Woche weiter durch.“ Außerdem laufe die Kontaktermittlung weiter.
Es sei eine Herausforderung, wenn neue Vorgaben des Landes erst am Freitagabend bekannt gegeben werden, dann aber ab Montag umgesetzt werden müssen. "Das ist uns häufig nur deswegen gelungen, weil wir vorausgedacht haben."
Wie lange dauert es, bis ein Impfstoff Erleichterung bringt? Maria Martin will sich bei dieser Frage von Moderator Heer nicht festlegen. "Ich warte auch sehnsüchtig." Vielleicht, so die Medizinerin, sei ein zuverlässiger Impfstoff im Laufe des nächsten Jahres verfügbar. Bis dahin, so Gailing, nutze er persönlich die Corona-Warn-App. Die Gewerkschaft habe die ihren Mitgliedern zwar nicht ausdrücklich empfohlen. "Aber wir halten sie für sicherer als Whatsapp oder Facebook, und das hat ja auch jeder auf seinem Handy."