Mit dem Traktor zum Bauernprotest nach Berlin – "Akzeptanz wird immer größer"
Landwirt Gerd Sommer aus Untereisesheim fährt mit seinem Sohn und einem Mitarbeiter zum Bauernprotest nach Berlin. 15 Stunden dauert die Fahrt mit dem Traktor – und dann geht es erst richtig los.

Gerd Sommer (56) sitzt in seinem Büro auf seinem Bauernhof in Untereisesheim. Sein Mobiltelefon klingelt. "Ja, Uhrzeit geht klar, ja, wir fahren mit." Er schreibt auf, organisiert, verteilt Aufgaben, plant das Personal. Denn es müsse auch von Sonntag bis Dienstag weitergehen auf seinem Bio-Hof.
Sohn Daniel (26) und Mitarbeiter Max Elser (26) bereiten Schilder vor. Seit Mittwoch gehe das so. Die Drei starten am Sonntagvormittag Richtung Berlin. Nicht mit dem Zug, nicht mit dem Bus. Jeder mit einem Traktor. Sie beteiligen sich am bislang größten Bauernprotest des Landes (Stimme.de berichtete in einem Newsblog). Flagge zeigen. Gerd Sommer geht davon aus, dass etwa zehn, zwölf Bauern aus der Region mit ihren Fahrzeugen mitfahren. Viel mehr kommen mit Bussen.
Mit dem Traktor nach Berlin: Für die Landwirte aus Untereisesheim nicht das erste Mal
Für den Protest mit dem Traktor nach Berlin – für Gerd Sommer ist das nicht das erste Mal. 2020 war er schon einmal dort. Sein Sohn Daniel sogar schon zwei Mal. Die Öffentlichkeit hatte 2020 seiner Meinung nach weit weniger Notiz genommen als in den vergangenen Tagen, an denen sich gefühlt das ganze Land mit den Bauern solidarisiert.
"Die Akzeptanz von den Kollegen und den Bürgern wird immer größer." Das liege an der allgemeinen Unzufriedenheit der Menschen, glaubt der Landwirt. So viel Zustimmung gibt Rückenwind. 2020 war das nicht so. Corona. Kontaktverbote, Querdenker-Demos. Und dann noch die Bauern.
600 Kilometer Fahrt: Auf Landes- und Bundesstraßen zum Bauernprotest nach Berlin
15 Stunden werden sie für die etwa 600 Kilometer nach Berlin brauchen, weiß Gerd Sommer aus Erfahrung. Treffpunkt ist am Sonntagvormittag an der B27 kurz vor Flein. Schlepper, die zwischen 50 und 60 Stundenkilometer schnell fahren, beteiligen sich an der Tour. Zwischen 150 und 360 PS stark sind die Traktoren, die Sommer normalerweise für die Bodenbearbeitung seiner Felder einsetzt. Auf Landes- oder Bundesstraßen geht es Richtung Bundeshauptstadt. Wenn sie am frühen Montagmorgen in Berlin ankommen, ist an Schlaf noch nicht zu denken.
Die Steuerbegünstigung von Agrardiesel, von der alle reden, sei nur ein Punkt und bei weitem nicht der wichtigste. Da wäre beispielsweise die Herkunftskennzeichnung bei Tieren aus dem Ausland. "Wo wurden sie aufgezogen, geschlachtet, wo die Ware produziert?", fragt er. Sei nicht so, müsse angepasst werden. Oder das Thema Pflanzenschutz. Landwirte aus dem Ausland, die ihre Erzeugnisse in Deutschland verkaufen, sollten nur die Pflanzenschutzmittel verwenden dürfen, die in Deutschland zugelassen sind. Sei nicht so, müsse angepasst werden.
Oder das Thema Mindestlohn. "Der liegt beispielsweise in Spanien mit sechs Euro deutlich unter dem Mindestlohn bei uns", sagt Gerd Sommer. "Wie sollen wir da wettbewerbsfähig sein?", fragt er. Sei nicht so, müsse angepasst werden, findet er. Oder die Vorgabe von da oben, dass bis zum 15. Februar Felder umgepflügt sein müssen. Das gebe das Erosionskataster vor. "Wir können nicht nach dem Kalender arbeiten, wir müssen uns nach dem Wetter orientieren."
Gerd Sommer aus Untereisesheim ist überzeugter Bio-Bauer
Sommer ist kein aufbrausender Typ. Er bringt seine Argumente sachlich vor. Spargel, Zucchini, Karotten, Weizen und Mais baut er auf seinen Feldern an. Er ist überzeugter Bio-Bauer. Dass aber gesetzlich verbindlich künftig mindestens 30 Prozent Bio-Landwirte sein sollen, hält er für problematisch. Während der Corona-Zeit sei der Bio-Markt regelrecht eingebrochen. So langsam erhole sich der wieder. Aber es müsse auch all die Kunden geben, die sich Bio-Produkte leisten können. "Was, wenn nicht?", fragt er. Vielleicht liegt die Antwort in Berlin.


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