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Bauernproteste: Landwirte aus der Region senden starkes Signal nach Berlin

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Traktorkolonnen ziehen sich durch zahlreiche Gemeinden in der Region. Der Frust von Bauern sitzt tief. Jäger und Fuhrunternehmer sowie viele weitere solidarisieren sich mit dem Protest.

Von unserer Redaktion
"Wir grüßen Berlin", steht am Frontlader dieses Traktors, der am Montagmorgen an der A6-Anschlussstelle bei Bad Rappenau-Bonfeld und Fürfeld in der Kolonne fährt.
"Wir grüßen Berlin", steht am Frontlader dieses Traktors, der am Montagmorgen an der A6-Anschlussstelle bei Bad Rappenau-Bonfeld und Fürfeld in der Kolonne fährt.  Foto: Hoffmann, Adrian

Es ist stockfinster und eisig kalt. Kurz vor 6 Uhr gestern Morgen versammeln sich überall in der Region Heilbronn und Hohenlohe Bauern und Winzer an den vereinbarten Treffpunkten. Der Protest entzündet sich an den aktuellen Subventionskürzungen. Der Frust vieler Landwirte hat sich jedoch über die Jahre hinweg aufgestaut. Im Liveblog zu den Bauernprotesten berichtet die Heilbronner Stimme am Montag über die Geschehnisse.

Kritik an der Agrarpolitik der vergangenen Jahre

"Wir hatten die letzten 30 Jahre eine verfehlte Agrarpolitik", sagt Dieter Betz in Weinsberg. Der 48-Jährige ist Weinbauer im Hauptberuf in. Eigentlich. Inzwischen gehe er nebenher arbeiten, weil das Einkommen sonst nicht reicht. Nächstes Jahr werde die Vergütung für die Winzer um 17 Prozent sinken. "Es werden noch einige aufhören", ist Betz sicher. "Dann wird die Kulturlandschaft eine andere sein."

Die Unterstützung für den gesamten Berufsstand treibt den Weinsberger Horst Kühner (59) auf die Straße. Er kritisiert die Auflagen und Forderungen, die in den vergangenen Jahren auf alle Landwirte zugekommen seien. Dokumentationspflicht und die Reduzierung von Pflanzenschutzverbote, die allerdings zum Teil zurückgenommen worden seien, nennt er Beispiele.

Im Vergleich mit Kollegen in Europa fühlen sich hiesige Bauern benachteiligt

Ein langer Treck zieht sich durch Heilbronn-Neckargartach, Karl-Wüst- und Salzstraße. Es machten fast doppelt so viele Landwirte wie erwartet mit, berichtet der Frankenbacher Landwirt Thomas Knobloch. Das zeigt dem 60-Jährigen, "dass die Unzufriedenheit sehr groß ist". Er sieht deutsche Landwirte benachteiligt. "Die Franzosen fahren mit Heizöl." Andere bezahlten null Euro für den Diesel. "Ich tanke ganz normal wie jeder Autofahrer an der Tankstelle", erklärt Knobloch. Am Ende des Jahres beantrage er 20 Cent pro Liter Rückerstattung beim Zoll. Ein riesiger bürokratischer Akt, sagt er.

Mehr als 50 Teilnehmer einer nicht angemeldeten Aktion in Löwenstein

Die Teilnehmer sind zum großen Teil über den Landesbauernverband (LBV) organisiert. Anders in Löwenstein. Dort treffen sich mehr als 50 Landwirte und Wengerter auf dem Parkplatz der Aussichtsplattform. Über Obersulm geht es Richtung Autobahnkreuz Weinsberg. "Die Agrarsubventionen sind nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", sagt Daniel Ritter aus Wüstenrot. Eine überbordende Bürokratie ist LBV-Ortsobmann Martin Frank aus Weinsberg-Gellmersbach ein Dorn im Auge. "Früher hatten wir fünf Ordner, heute sind es fünf Aktenschränke voll mit Ordnern. Wir sind bald in der Planwirtschaft." Zwangsstilllegung von vier Prozent der Ackerflächen beschäftigten ihn und seine Kollegen. Der Vorwurf, die Proteste würden durch rechte Kräfte unterlaufen werden, kennt der 55-Jährige. "Das ist richtig, dass das versucht wird, das wird aber nicht gelingen. Landwirtschaft ist bunt, nicht braun."

Bauernprotest B39 zwischen Heilbronn und Weinsberg am Montag.
Bauernprotest B39 zwischen Heilbronn und Weinsberg am Montag.  Foto: Berger, Mario

Autobahnzufahrten behindert

Gegen 8.30 Uhr behindern Traktoren die Zu- und Abfahrten der Anschlussstelle Weinsberg-Ellhofen. Ein Weiterkommen ist schwer möglich. Ähnlich ist es an der Anschlussstelle Bretzfeld. An der L1111 in Untergruppenbach-Donnbronn empfängt die Jägergemeinschaft die Protestteilnehmer mit warmen Getränken und einer heißen Wurst. "Wir erklären uns solidarisch mit unseren Bauern", sagt Jäger Peter Hirsch (66). Landwirt Peter Möhle kommt von der letzten Runde aus Heilbronn zurück. "Die Solidarität in der Bevölkerung ist sehr groß", sagt der 60-jährige LBV-Ortsobmann.

Ein besonders großer Protest findet an der A6-Anschlussstelle bei Bad Rappenau-Bonfeld und Fürfeld statt. Dutzende Traktoren fahren am frühen Morgen dort entlang. Der Verkehrsfluss auf der A6 wird nicht beeinträchtigt. Neben Landwirten sind auch zahlreiche Jäger und Fuhrunternehmer präsent.

Autoverwertungsbetrieb zeigt sich solidarisch

Andreas Schlauch (50) aus Hüffenhardt vom gleichnamigen Autoverwertungsbetrieb ist gleich mit fünf Fahrzeugen dabei. "Mir ist das heute ganz arg wichtig", sagt er. Letztlich treffe diese Politik doch alle, wenn Lebensmittelpreise anstiegen. Sein Betrieb leide ebenfalls stark - unter anderem unter der Lkw-Maut, erklärt Schlauch. "Es ist eine schwierige Zeit." Er hoffe, dass viele Menschen zusammenhalten.

Andreas Schlauch aus Hüffenhardt stand mit Lkw im Protest bei Bonfeld.
Andreas Schlauch aus Hüffenhardt stand mit Lkw im Protest bei Bonfeld.  Foto: Hoffmann, Adrian

Zusammenhalt über Generationen hinweg

Heide Gaugler (72) aus Bonfeld schaut sich die Protestfahrt vom Straßenrand aus an. Ihr Mann Gert, Sohn Tobias und ihr zehnjähriger Enkel Daniel sind mit Traktoren unterwegs. Daniel sei heute schon um 4 Uhr aufgestanden, war ganz aufgeregt. "Er will später mal Landwirt werden", sagt Gaugler. "Eine solche Einigkeit unter Landwirten wie bei diesem Protest habe ich noch nie erlebt." Zwischenzeitlich fahren einzelne Demonstranten nach Bad Rappenau, wo der Verkehr kurzfristig gelähmt ist. Jäger René Merklein zeigt sich beeindruckt. Metzgereien und Getränkehandel sowie weitere Betrieb hätten die Verpflegung für die Abschlusskundgebung bei Agroa Raiffeisen im Gewerbegebiet Buchäcker beigesteuert, gratis. Die Verbundenheit mit den Protestierenden sei groß.

In Donnbronn: Norbert Weinerts Protest gegen Lebensmitteleinzelhandel (LEH).
In Donnbronn: Norbert Weinerts Protest gegen Lebensmitteleinzelhandel (LEH).  Foto: privat

Ein Unfall am Rande einer Demo

Am Rande einer Schlepper-Demo ist es gestern Morgen zu einem Unfall in Offenau gekommen. Nach Angaben der Polizei wollte ein 17-Jähriger gegen 7 Uhr zwischen zwei Traktoren die Fahrbahn queren. Dabei sei er von einem Auto erfasst worden. Rettungskräfte waren im Einsatz. Der Jugendliche habe sich leichte Verletzungen wie Schürfwunden zugezogen, sagte ein Polizeisprecher. Vorsorglich kam er in ein Krankenhaus, das er nach der Untersuchung wieder verließ.

 
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