Audis Vision von der nachhaltigen Fabrik – Heilbronner Werk bereits am Ziel
Audi will am Standort Neckarsulm bis 2025 bilanziell CO2-neutral aufgestellt sein. Die "Mission Zero" ist auf verschiedenen Maßnahmen aufgebaut, um Energie, Wasser und Abfälle zu sparen.
Nachhaltigkeit wird für viele Autokäufer immer wichtiger. Aber nicht nur im Hinblick auf den Antrieb. Wer sich beispielsweise einen vollelektrischen Audi Q6 E-Tron bestellt, kann unter anderem Sitzpolster ordern, bei denen der Stoff Elastic Melange zum Einsatz kommt, er besteht vollständig aus recyceltem Polyester. Elastic Melange wird außerdem für die Sitze und auch an gewissen Stellen des Türspiegels verwendet. Dachhimmel, Säulen und Sonnenblenden sind aus dem Stoff Draft hergestellt, der ebenfalls aus zu 100 Prozent recyceltem Polyester besteht.
Audi setzt aber nicht nur auf nachhaltige Materialien, die Produktion an sich soll es ebenfalls sein. Und die nicht nur die, sondern ganze Fabriken.
Audis Vision von der nachhaltigen Fabrik: Böllinger Höfe bereits am Ziel
„Unser Ziel steht: Alle unsere Werke sollen bis zum Jahreswechsel bilanziell CO2-neutral sein. Neckarsulm und San José Chiapa in Mexiko werden gerade noch umgestellt, in allen anderen Werken ist das bereits der Fall – zum Beispiel auch in den Böllinger Höfen in Heilbronn“, sagte Audis Produktionsvorstand Gerd Walker im Gespräch mit der Heilbronner Stimme. „Das funktioniert über viele Maßnahmen, unter anderem über die Eigenerzeugung und den Einkauf von Grünstrom.“
Der Standort Böllinger Höfe in Heilbronn war der erste deutsche Audi-Standort, der bilanziell CO2-neutral gestellt war. Bei der „Mission Zero“, wie Audi das Projekt nennt, biegt nun auch das Werk in Neckarsulm auf die Zielgerade ein.
Dekarbonisierung, Wassernutzung und vieles mehr

„Jedes Fahrzeug soll während seines Lebenszyklus einen möglichst kleinen CO2-Abdruck hinterlassen“, sagt Neckarsulms Werkleiter Fred Schulze. „Ein wichtiger Baustein dabei ist eine konsequent nachhaltige, bilanziell CO2-neutrale Produktion und Logistik, die wir im Audi-Werk in Neckarsulm mit ganzem Einsatz, Teamarbeit und vielen verschiedenen Bausteinen erreichen.“
Audi arbeitet in vier Handlungsfeldern an der nachhaltigen Produktion: Dekarbonisierung, Ressourceneffizienz, Wassernutzung und Biodiversität. Ein Pilotprojekt ist zum Beispiel der Kunststoffkreislauf: In Neckarsulm entstehen dabei aus Abfällen, die in der Produktion anfallen, mit der Hilfe von 3D-Druckern Montagehilfen für die Fahrzeugproduktion.
Fernwärme und Photovoltaik
Seit dem Jahr 2020 bezieht Audi für Neckarsulm und Heilbronn Grünstrom aus österreichischer und französischer Wasserkraft. Für die bilanziell CO2-neutrale Wärmeversorgung liefert die EnBW ab Jahreswechsel für das Werk Neckarsulm Fernwärme. Ein weiterer wichtiger Baustein sei die Erzeugung von regenerativer Energie mittels Photovoltaik, erklärt Achim Diehlmann, Umweltbeauftragter des Standorts. Derzeit befinden sich nach Angaben des Unternehmens knapp 4,5 Megawatt in Neckarsulm und in Heilbronn in der Planung oder im Bau. Das entspricht ungefähr einer Fläche von 45.000 Quadratmetern.
Halbe Milliarde Euro investiert
Audi hat hat in Neckarsulm zuletzt rund eine halbe Milliarde Euro neue Gebäude und Produktionsanlagen investiert. Mit der Erneuerung der Lackiererei setzt der Standort energie- und ressourcensparende Technologien ein. Bei der Fertigstellung im neuen Jahr soll die Lackiererei zu den modernsten und umweltfreundlichsten Anlagen in der gesamtem Automobilbranche zählen.
Zahlreiche optimierte Prozesse würden den Energieverbrauch signifikant senken, so Werkleiter Schulze. Das sieht man bereits aktuell bei der Produktion des neuen A5. Zum Standard in der Lackiererei gehören nach Angaben von Audi etwa nachhaltige Lacke auf Wasserbasis.
Neue Prozesse in der Lackiererei

Zudem durchlaufen die Autos einen neuen Lackierprozess. Dabei wird der sogenannte Füller durch die integrierte Lackierung mittels eines Vorzonenlacks ersetzt. Vorteil: Die bisherige separate Trocknung des Füllers entfällt, womit sich der Energieverbrauch signifikant reduziert. Pro Fahrzeug lassen sich so bis zu 140 kWh einsparen. Ein weiteres Beispiel ist die sogenannte kathodische Tauchlackierung zur Korrosionsvermeidung. Dabei wird die Karosserie jetzt in einem Rotationsverfahren kopfüber in das Becken getaucht und gedreht. Das ist nicht nur platzsparender und gründlicher als bisher, durch das neue Verfahren wird laut Audi ebenfalls Energie eingespart.
Für die Trocknung der kathodischen Tauchlackierung kommt ebenfalls ein neues, energieeffizienteres Verfahren zum Einsatz. Anstatt der bisherigen Außentrocknung wird nun eine sogenannte Quertrocknung durchgeführt, bei der Luft in den Innenraum geblasen und die Karosserie von innen heraus aufgeheizt wird. Neben der höheren Energieeffizienz ist der Quertrockner zudem besser geeignet für künftige Elektro- und Hybridfahrzeuge mit deren Anforderungen im Hinblick auf längere Aushärtezeiten.
Geschlossener Wasserkreislauf
Zudem setzt das Werk zum Beispiel auch auf einen geschlossenen Wasserkreislauf mit der am Standort angrenzenden Kläranlage des Abwasserzweckverbandes (AZV) Unteres Sulmtal. „Neue Leitungen und Anlagentechnik sorgen dafür, dass kein Nutzwasser aus dem benachbarten Neckar-Kanal entnommen werden muss“, erklärt Schulze. „Auf diese Weise lassen sich ab 2025 bis zu 70 Prozent Frischwasser in der Produktion einsparen.“
Für das entsprechende Wasserwerk fand im August das Richtfest statt. Das von der Kläranlage gereinigte Wasser wird von Audi für die Produktion mithilfe von Filteranlagen und Membranen weiter aufbereitet. Nach Gebrauch im Werk fließt das Betriebswasser in die Kläranlage zurück. Der Frischwasserbedarf wird damit reduziert. Audi werde durch die Rohwasserentnahme aus dem Kläranlagenablauf des Abwasserzweckverbands unabhängig von der Wasserverfügbarkeit des Neckars und stelle sich zukunftssicher auf, so Werkleiter Schulze.
Kläranlage mit vierter Reinigungsstufe

Als erste Kläranlage in Deutschland will der Abwasserzweckverband Unteres Sulmtal ab dem Jahr 2026 die vierte Reinigungsstufe nicht in offenen Becken, sondern im sogenannten Sequencing Batch Reactor (SBR) umsetzen. Damit werden unter anderem Arzneimittelrückstände und weitere Spurenstoffe wie Röntgenkontrastmittel, Duftstoffe aus Körperpflege- und Reinigungsmitteln, Pflanzenschutzmittel, Industriechemikalien und Flammschutzmittel aus dem Wasser geholt.
„Was wir hier bauen ist einzigartig“, freut sich der Geschäftsführer des AZV, Thorsten Morhaus. Beim AZV will man mittelfristig 90 Prozent der rund zwölf Millionen Kubikmeter Abwasser im Jahr reinigen, dabei auch das Prozesswasser von Audi mit einer Million Kubikmeter. Das lässt sich der Zweckverband rund 25 Millionen Euro kosten, der Baubeginn ist für 2026 geplant. „Wir hoffen auf eine Förderung durch das Land Baden-Württemberg in Höhe von vier Millionen Euro“, sagt Neckarsulms Oberbürgermeister Steffen Hertwig, der Vorsitzender des AZV ist. „Das ist ein guter Schritt für den Gewässerschutz in der Region.“
Unabhängige Prüforganisation überwacht
Was aber passiert, wenn irgendwo im Audi-Werk nicht vermeidbare Emissionen auftreten? „Für nicht vermeidbare CO2- und andere treibhauswirksame Emissionen nutzen wir sogenannte Carbon Credits zur Kompensation“, teilt eine Sprecherin mit. „Dabei achten wir auf den sogenannten Goldstandard und setzen ausschließlich auf technische Projekte wie Windkraft und Photovoltaik-Anlagen.“ Die Kompensation dürfe zudem einen Anteil von zehn Prozent nicht überschreiten. Geprüft und testiert würden die Fortschritte nach Angaben des Autobauers durch eine unabhängige Prüforganisation.