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Tests im Abwasser: Corona-Frühwarnung aus der Kloake

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Testergebnisse bilden das Infektionsgeschehen unvollständig und verzögert ab. Fachleute setzen auf Abwasser-Untersuchungen, um die Corona-Lage frühzeitig zu erkennen. Warum es in der Region bislang nicht zum Einsatz kommt.

"Das hat großes Potenzial", ist Andreas Tiehm überzeugt. Der Experte für Wassermikrobiologie vom Karlsruher Technologiezentrum Wasser (TZW) hat die jüngsten Corona-Wellen schon früher kommen sehen. Fast zwei Wochen früher. Systematisch untersuchen die Forscher das Abwasser der Kläranlage in Karlsruhe, aber auch in Leonberg bei Stuttgart oder im Berchtesgadener Land, auf Genbestandteile des Virus, sogenannte Biomarker.

"Wir sehen die Trends, auch wenn sich nicht so viele testen lassen", erklärt Tiehm. Lebende und damit potenziell gefährliche Viren finden sich nach den Erkenntnissen nicht im Abwasser. Wohl aber genug Informationen aus den Ausscheidungen der Menschen, die dazu dienen können, frühzeitig vor neuen Wellen zu warnen – oder Entwarnung zu geben. 

Deutlicher Zusammenhang, zeitlicher Vorsprung 

Der Karlsruher Tiehm und seine Kollegen haben kürzlich einen Fachaufsatz veröffentlicht. Grafiken zeigen eindrücklich, wie die nachgewiesenen Biomarker das anhand von Tests festgestellte Infektionsgeschehen um etwa zwölf Tage vorwegnehmen. Forscher in aller Welt setzen auf Erkenntnisse aus der Kloake. Die Schweiz, die Niederlande oder Kanada sind hier weiter. In der Heilbronner Kläranlage ist die Virus-Überwachung allenfalls Zukunftsmusik.


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"Ein Corona-Monitoring im Abwasser ist höchstens im Rahmen einer Studie sinnvoll, da es keine allgemein gültigen Standards für die Interpretation der gemessenen Werte gibt", sagt Peter Liebert, Leiter des städtischen Gesundheitsamtes. Um das Infektionsgeschehen nur für Heilbronn abzubilden tauge das Verfahren ohnehin nicht. Neben der Stadt sind noch Brackenheim, Cleebronn, Eppingen-Kleingartach, Flein, Leingarten, Massenbachhausen, Nordheim, Schozach, Schwaigern und Talheim an die Kläranlage angeschlossen.

In Kläranlagen der Region wird nicht auf Corona getestet

Auch für den Abwasserzweckverband Unteres Sulmtal, das mit der Kläranlage Neckarsulm ein Einzugsgebiet mit 75.000 Menschen umfasst, ist Corona-Monitoring bislang kein Thema. Dasselbe gilt für die Stadtentwässerung Eppingen oder die Kläranlage Öhringen. 

In Karlsruhe möchte man die Daten aus dem Abwasser nicht mehr missen: "Das Verfahren ist sehr gut geeignet als Frühwarn- und Informationssystem für das Infektionsgeschehen", teilt das Rathaus mit. "Trends und Entwicklungen sind frühzeitig zuverlässig erkennbar." Dauerhaft öffentlich zugänglich sind die Daten gleichwohl nicht. Die Sachlage sei komplex, man wolle keine "Verwirrung stiften", teilte das Rathaus hierzu mit.


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Experten sind vom Verfahren überzeugt 

Mittlerweile gebe es Anfragen anderer Städte, die sich nach dem Projekt erkundigen. Wissenschaftler Tiehm und seine Kollegen vom Technologiezentrum Wasser bieten das Verfahren als Dienstleister für Betreiber von Kläranlagen an – bezuschusst vom Bundesforschungsministerium. Das Verfahren, das auf den gängigen PCR-Tests beruht, sei zudem relativ kostengünstig. Die Forscher testen das Abwasser auch auf Virusvarianten.

In Großstädten, so die jüngsten Erkenntnisse, ist Omikron längst dominant. Die Methode wird sich durchsetzen – gerade dann, wenn die Pandemie vorbei, das Coronavirus aber zum ständigen Begleiter geworden ist, glaubt Marie Launay. "Das ist ein großes Zukunftsthema", sagt die Wissenschaftlerin vom Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg an der Universität Stuttgart. Das Verfahren sei "aktueller und genauer". Der Bund hat angekündigt, ein deutschlandweites Abwassermonitoring zu installieren. Der Probebetrieb soll demnächst starten. 


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