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Heilbronn
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Im Klärwerk bleibt das Abwasser immer in Bewegung

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Mit einigen Neuerungen optimiert das Klärwerk wichtige Details: Neue Rechen sollen bei Starkregen mehr zurückhalten. Klopapier wird an solchen Tagen aber wohl auch künftig im Neckar schwimmen. Ein Besuch im viertgrößten Klärwerk Baden-Württembergs.

Von Christian Gleichauf
Ein Blick auf die "Biologie". Hinten rechts werden die Feststoffe aus dem Abwasser geholt, danach der Sand. Anschließend geht es durch eine Reihe von Klärbecken. Fotos: Christian Gleichauf
Ein Blick auf die "Biologie". Hinten rechts werden die Feststoffe aus dem Abwasser geholt, danach der Sand. Anschließend geht es durch eine Reihe von Klärbecken. Fotos: Christian Gleichauf  Foto: Gleichauf, Christian

Von den Faulgastürmen des Heilbronner Klärwerks bietet sich ein beeindruckendes Bild. Hier kommt an, was die 125.000 Heilbronner und ihre Industrie durch den Abwasserkanal entsorgen. Selbst in der Sommerhitze erreicht die Nase an diesem Tag nur selten mal eine unangenehm riechende Brise. Auf dem Weg über das Gelände sagt der Leiter der Anlage, Steffen Broszio, sogar: "Das hier riecht doch ganz gut, so erdig." Das Wasser müsse nur immer in Bewegung bleiben. Das heißt: Ein Defekt, ein Ausfall eines Teils, kann den Geruch wie auch die Wasserqualität beeinträchtigen. Das gilt es zu vermeiden.

2,4 Kubikmeter Abwasser pro Sekunde kann das viertgrößte Klärwerk in Baden-Württemberg verarbeiten. Feststoffe und Sand werden herausgeholt. In unbelüfteten Becken sind anaerobe Bakterien am Werk, anschließend geht es in Becken, die "feingasig belüftet" werden, wie Kurt Latzel, der stellvertretende Leiter der Entsorgungsbetriebe, erklärt.

Wie in der Natur, nur schneller

Die Bakterien in diesen "Belebungsbecken" bauen etwa Harnsäure zu Nitrit und dann zu Nitrat um. So wie einst der Stickstoff von den Pflanzen aufgenommen wurde, wird er nun wieder in die Atmosphäre abgegeben. "Es sind die gleichen Prozesse wie in der Natur, nur dauern sie dort eben ein halbes Jahr", sagt Broszio. In der Kläranlage braucht das dreckige Wasser nur 30 Stunden, bis es hinten gesäubert in den Neckar entlassen wird.

Chemie nur im Notfall

Klärwerksleiter Steffen Broszio
Klärwerksleiter Steffen Broszio  Foto: Gleichauf, Christian

Mit Chemie arbeitet Broszio "nur in Notfällen". An einen kann er sich erinnern in den vergangenen 18 Jahren, seitdem er im Heilbronner Klärwerk arbeitet. Der Schlamm im Faulturm habe aufgeschäumt und sich nicht mehr kontrollieren lassen. Da brauchte es dann ein Mittel, um die Oberflächenspannung abzubauen. Ansonsten sei die Kläranlage eher zum Hightech-Betrieb geworden. Die letzte große Modernisierungsrunde in den 90ern belief sich auf satte 84 Millionen Euro. "Hier herscht niemals Stillstand", sagt Broszio, der für 39 Mitarbeiter zuständig ist.

Jetzt stehen wieder Modernisierungen an. Eine der Veränderungen: Der Umgang mit dem Klärschlamm. 80 bis 100 Tonnen werden täglich aus den Becken geholt. Aus dem Schlamm entsteht in den zwei Faultürmen das Klärgas, das dann - entschwefelt - in die Blockheizkraftwerke geführt wird. Künftig wird das Klärgas im Biofilter vom Schwefelwasserstoff befreit. Die Blockheizkraftwerke werden ersetzt. Es sind Investitionen im zweistelligen Millionen-Bereich.

Neue Rechen filtern gut

Kurt Latzel, Entsorgungsbetriebe
Kurt Latzel, Entsorgungsbetriebe  Foto: Gleichauf, Christian

Noch eine Verbesserung ist geplant, allerdings nicht im, sondern direkt vor dem Klärwerk. Dort befindet sich das größte von insgesamt 55 Regenüberlaufbecken in Heilbronn. Wenn bei Starkregen nicht das gesamte Niederschlagswasser ins Klärwerk geführt werden kann, werden die Becken mit dem ersten Schwall geflutet, das Abwasser anschließend langsam ins Klärwerk geleitet. Das überschüssige Wasser geht direkt in den Neckar. Das Problem: Die Rechen an den Regenüberlaufbecken halten bisher nur teilweise zurück, was man nicht im Fluss schwimmen sehen möchte.

Ein Lamellenrechen unter der Austraße soll künftig Hygienetücher und sonstige grobe Stoffe zuverlässig heraussieben. Schließlich mündet der Überlaufkanal, der unter dem Klärwerk hindurchführt, direkt hinter dem Wehr Neckarsulm in den Altarm des Neckars, wo regelmäßig Papierreste die Binsen "schmücken". Ob damit die Situation dort aber spürbar verbessert wird, bezweifelt Broszio. "Der Großteil dessen, was da hängen bleibt, kommt vom Oberlauf des Neckars."

Vierte Reinigungsstufe ist kein Thema mehr

Keine weiteren Gedanken macht man sich in Heilbronn vorerst über eine vierte Reinigungsstufe, die Medikamentenrückstände und Mikroplastik zurückhalten könnte. Vor einigen Jahren hatte die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) das Heilbronner Abwasser auf solche Spurenstoffe hin untersucht. Ergebnis: "Wir haben hier die gleichen Werte wie andernorts", sagt Steffen Broszio. Besonderen Handlungsbedarf gebe es nicht. Kurt Latzel ergänzt: "Wichtiger ist, dass die Leute keine Medikamente oder andere problematischen Stoffe über die Toilette entsorgen."

 


Klärgasreinigung mit weniger Sondermüll

Aktivkohlefilter, die unter anderem Schwefel aus dem Klärgas filtern, enden als Sondermüll.
Aktivkohlefilter, die unter anderem Schwefel aus dem Klärgas filtern, enden als Sondermüll.  Foto: Gleichauf, Christian

Der Schwefelwasserstoffgehalt im Klärgas kann derzeit nur durch den "massiven Einsatz" von Fällungsmitteln in Grenzen gehalten werden. Zudem geht das Klärgas dann noch einmal durch große Aktivkohlefilter. Diese Kohle muss derzeit als Sondermüll entsorgt werden, was mit hohen Kosten verbunden ist.

Künftig soll ein Biofilter vor dem Einsatz der Aktivkohle dafür sorgen, dass der Schwefelwasserstoff nahezu vollständig abgebaut wird und das Klärgas insgesamt sauberer ist. Das bestehende Technikgebäude muss dazu erweitert werden. Auch diese Investitionen sollen aber dazu beitragen, dass die laufenden Kosten langfristig reduziert werden und weniger problematische Stoffe entsorgt und verbrannt werden müssen. 


Klärschlamm künftig trockener in den Ofen

Vor der Revision: Die Schneckenförderer für den Klärschlamm müssen regelmäßig ersetzt werden.
Vor der Revision: Die Schneckenförderer für den Klärschlamm müssen regelmäßig ersetzt werden.  Foto: Gleichauf, Christian

Derzeit wird der Klärschlamm über Schneckenförderer durch die Anlage bewegt. Diese sind relativ wartungsintensiv, unter anderem weil der Sand im Klärschlamm auch die dicken Stahlschnecken innerhalb von zwei Jahren durchschmirgelt. Nun sollen sie durch wartungsarme Dickstoffpumpen ersetzt werden.

Nach dem Faulturm wird der Schlamm eingedickt und in zwei Zentrifugen entwässert. Diese Zentrifugen werden ebenfalls erneuert. Der Klärschlamm kann so trockener als bisher ins Kraftwerk der EnBW auf der anderen Seite des Kanalhafens transportiert werden, wo er verbrannt wird. Eine solare Klärschlammtrocknung wie in Neckarsulm ist nicht vorgesehen. Sie könne in Heilbronn nicht wirtschaftlich arbeiten, heißt es. 


Weniger Probleme, besseres Wasser

In Containern wird der Klärschlamm bisher abtransportiert. Das EnBW-Kraftwerk verbrennt ihn.
In Containern wird der Klärschlamm bisher abtransportiert. Das EnBW-Kraftwerk verbrennt ihn.  Foto: Gleichauf, Christian

Derzeit wird der Klärschlamm über Förderbänder in Container verladen, die anschließend von Lkw aufgeladen und ins EnBW-Kraftwerk gefahren werden, wo der Schlamm verbrannt wird. Das Problem: die Förderbänder sind anfällig. Regelmäßig sei ein hoher personeller Einsatz notwendig, um sie wieder zum Laufen zu bringen, erzählen die Verantwortlichen.

Geplant ist nun der Bau von zwei Silos, in die der Schlamm gepumpt wird. Von ihnen ist die direkte Beladung von Lkw möglich. Zudem ist auch im Falle einer Wartung oder eines Ausfalls die sogenannte Redundanz gegeben. Das Zusammenspiel in der Kläranlage soll schließlich nicht beeinträchtigt werden, nur weil der Schlamm nicht abtransportiert werden kann. 


Neue BHKWs mit besseren Abgaswerten

Eines der drei laufenden BHKWs mit 700 Kilowatt Spitzenleistung. Alle drei werden ersetzt.
Eines der drei laufenden BHKWs mit 700 Kilowatt Spitzenleistung. Alle drei werden ersetzt.  Foto: Gleichauf, Christian

Drei Blockheizkraftwerke (BHKW) tun ihren Dienst im Klärwerk. Betrieben werden die 20-zylindrigen Motoren mit Klärgas − vor allem Methan −, das im Faulturm entsteht. Derzeit liegt ihre Spitzenleistung bei 700 Kilowatt. Die Anlagen aus dem Jahr 1995 müssen nun ersetzt werden. Die neuen Motoren leisten in der Spitze mit jeweils 600 Kilowatt zwar weniger als die alten, sie sind allerdings effizienter und können so ungefähr die Hälfte des Stroms erzeugen, der in der Anlage verbraucht wird. Weil inzwischen auch die Abgas-Grenzwerte verschärft wurden, geht diese Maßnahme einher mit einer erweiterten Abgasreinigung. Und weil die neuen Motoren auch nicht mehr ganz so großzügig sind, was das verwendbare Gas angeht, muss auch dieses vorab besser gereinigt werden. 

 

 
 
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