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Wie das Tempolimit auf Autobahnen die Region spaltet

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Während Autofahrer auf der A81 in Richtung Norden oft ungebremst Gas geben dürfen, sind Tempolimits auf der A6 häufiger. Die Diskussion um ein generelles Tempolimit auf Autobahnen schwelt weiter, doch Experten halten andere Lösungen für vielversprechender.

Über ein mögliches Tempolimit wird hierzulande immer wieder debattiert.
Über ein mögliches Tempolimit wird hierzulande immer wieder debattiert.  Foto: Marijan Murat/dpa

Am Berg entscheidet sich der Lkw-Fahrer, seinen Vordermann zu überholen. Er blinkt kurz, dann zieht er den Sattelschlepper auf die mittlere Spur. Den Autofahrern dahinter bleibt nichts anderes übrig, als auf zu die Bremse zu treten. Wo eigentlich kein Tempolimit gilt, zeigt der Tacho nur noch 60 Stundenkilometer.

Es ist ein ganz normaler Freitagnachmittag auf der A81 Richtung Heilbronn. Rechts rollt eine Lkw-Kolonne, auf den linken Spuren wird bei möglichst geringem Abstand möglichst schnell gefahren. Den vorgeschriebenen Abstand von anderthalb Wagenlängen hält bei der Testfahrt unserer Redaktion fast niemand ein.


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Auf der A81 gibt es oft kein Tempolimit, auf der A6 Richtung Osten sind durchgängig 120 km/h

Erst im Norden entspannt sich die Lage. Fünf schwarze Streifen auf weißem Grund winken zur freien Fahrt. Wer nach Würzburg möchte, muss sich an kein Tempolimit halten. Ganz anders die A6 Richtung Nürnberg: Hier gilt fast überall 120, Stau gibt es trotzdem.

In der Gegenrichtung darf wiederum aufs Tempo gedrückt werden, seit die vielen Baustellen Richtung Mannheim verschwunden sind. Immer wieder diskutiert die Bundespolitik über Sinn und Unsinn eines Tempolimits. Der FDP-Verkehrsminister lehnt das strikt ab, die Grünen verweisen auf dringend nötige CO2-Einsparungen. Würde ein Tempolimit etwas ändern?

Verkehrsexperte hält mehr Überholverbote für Lkw für sinnvoll - wenn sie kontrolliert werden

Für Jochen Allgeier, Professor für Verkehrsbetriebswirtschaft an der Hochschule Heilbronn, ist das Tempolimit kein Allheilmittel für die Probleme im Straßenverkehr. Er selbst ist zwischen Karlsruhe und Heilbronn, auf der A5 und der A6, unterwegs. "Stau entsteht vor allem durch zähflüssigen Verkehr mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten."

Wenn langsam fahrende Autos und Lastwagen die Spur wechseln, müssen alle anderen abbremsen und der Verkehr gerät ins Stocken. "Das wirkt sich nach hinten aus wie eine Ziehharmonika." Deshalb rät der Experte eher zu mehr Überholverboten für Laster, wenn es um weniger Stau geht. Die Vorgabe müsste jedoch kontrolliert werden. "Auf der A6 gibt es bereits viele Überholverbote, aber die wenigsten halten sich daran."

Viele Menschen fahren ohnehin nicht schneller als 130 km/h

Ein Tempolimit müsste ebenfalls wirksam kontrolliert werden, betont Allgeier. Wenn er wählen müsste, würde er sich für 130 Stundenkilometer aussprechen. Dieses Maximaltempo verschlechtere den Verkehrsfluss nicht. Außerdem sinke die Unfallgefahr, wenn die Unterschiede zwischen den Geschwindigkeiten nicht mehr so hoch sind.

"Die meisten Menschen fahren aber ohnehin nicht mehr so schnell." Früher habe er seinen Opel Kadett bis auf 160 km/h getrieben, heute fährt Allgeier selten schneller als 130. Sein Eindruck ist, dass viele Hersteller ihre Autos auf 120 Stundenkilometer hin optimieren. Bei Elektroautos steige der Verbrauch jenseits dieser Geschwindigkeit ohnehin stark.

 

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Sorgt ein Tempolimit dafür, dass Pendler auf die Bahn umsteigen?

Schwieriger findet Allgeier die Frage, ob ein Tempolimit auf Autobahnen dazu führen würde, dass mehr Menschen auf die Bahn umsteigen. Genau das hat das Umweltbundesamt in seiner neuesten Studie angenommen. Darin kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass ein Tempolimit von 120 auf Autobahnen dazu führen würde, dass weniger Menschen Auto fahren. Dadurch könnten jedes Jahr 6,7 Millionen Tonnen CO2 gespart werden. Bisher waren lediglich 2 Millionen Tonnen weniger das Ergebnis dieser Rechnung.

Aus Allgeiers Sicht fußt die alte Studie auf realistischeren Annahmen, weshalb er die neuen Ergebnisse eher für bedenklich hält. Die Rechnung sei einfach: Im Fernverkehr ist man mit dem Zug meist deutlich schneller, im Nahverkehr nicht unbedingt. "Wenn ich von Karlsruhe nach Heilbronn fahre, brauche ich genauso lange mit dem Auto wie mit dem Zug - die Hochschule und meine Wohnung sind aber nicht direkt am Bahnhof." Die Reisezeit sei aber auch nicht das alles entscheidende Kriterium, ein guter Takt gehöre genauso dazu.

FDP-Verkehrspolitiker Abel wünscht sich mehr digitale Schilder

Bleibt die Frage, ob ein Tempolimit für weniger Staus sorgen würde. Valentin Abel, FDP-Abgeordneter aus Hohenlohe und Mitglied im Verkehrsausschuss, winkt ab. "Wir haben bessere Möglichkeiten als ein starres Tempolimit auf Autobahnen."

Die A81 sei ein gutes Beispiel, denn dort gibt es auf mehreren Abschnitten digitale Schilder. Wenn mehr Strecken solche Anzeigen bekämen, könne das Tempo je nach Tageszeit und Verkehrsdichte geregelt werden, erklärt Abel. Sein Ziel: Solche Anlagen müsse es deutlich öfter geben. Mit der neuen Autobahn GmbH könne es sogar möglich werden, den Verkehr in ganz Deutschland intelligent zu steuern. "Das würde Schärfe aus der Debatte nehmen, wäre gut fürs Klima und erhöht die Kapazität", sagt Abel.

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Digitale Schilder drosseln die Geschwindigkeit vollautomatisch

Digitale Schilder stehen seit 2014 auf der A8 zwischen Wendlingen und Leonberg sowie auf der A81 zwischen Leonberg und Mundelsheim. Die höchste angezeigte Geschwindigkeit sind 120 Stundenkilometer, unter 40 km/h wird "Stau" angezeigt.

Das funktioniert automatisch: Mit Sensoren werden Lkw-Anteil, Geschwindigkeit und Dichte des Verkehrs gemessen, außerdem Regenmenge, Sichtweite und wie nass die Fahrbahn ist. Je nach Situation wird das Tempo gedrosselt. Erst wenn auf allen vier Spuren weniger als 4400 Autos pro Stunde fahren, wird das Tempolimit aufgehoben.

 

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Autobahn GmbH plant mehr digitale Schilder, aber keine neuen Tempolimits

Allein die Anlage für den Abschnitt auf der A81 zwischen Leonberg und Mundelsheim hat 19,2 Millionen Euro gekostet, erklärt Petra Hentschel, Sprecherin der Autobahn GmbH Niederlassung Südwest. 2024 plant das Unternehmen, digitale Schilder entlang der A5 bei Karlsruhe zu installieren. 2025 soll die A8 bis Mühlhausen folgen. Weitere starre Tempolimits seien insbesondere auf der A6 und der A81 nicht geplant.

Ob die digitalen Schilder den Verkehrsfluss verbessern, Staus oder Unfälle verhindern, ist allerdings unklar. "Dazu liegen keine aktuellen Zahlen vor", erklärt Hentschel. Die letzte Auswertung dieser Art stamme aus dem Jahr 2017, damals wurden zusätzliche Anzeigen montiert, mit denen bei viel Verkehr die Seitenstreifen freigegeben werden können.

Absehbar ist, dass es nach dem Willen des FDP-Verkehrsministers Volker Wissing kein Tempolimit in Deutschland geben wird. In einem Interview erklärte er kürzlich: "Das Tempo gehört in die Eigenverantwortung der Bürger, solange andere nicht gefährdet werden. Der Staat sollte sich hier zurückhalten."

 
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