Gut aufgestellt seien die Krankenhäuser hinsichtlich der Zahl der Betten, heißt es in der Studie für die DKG. Die rund 1600 Allgemeinkrankenhäuser verfügen demnach über 452.000 Betten. Davon sind 15.000 Intensivbetten. Die vorhandenen Kapazitäten auf den Normal- und Intensivstationen würden der Studie zufolge bei einem möglichen NATO-Bündnisfall ausreichen. Auch Wolfgang Linhart sagte, die Kapazitäten bei SLK könnten im Notfall aufgestockt werden, das habe schon die Pandemie gezeigt.
Bei Verteidigungsfall in Deutschland: Nur jedes vierte Krankenhaus sieht sich gut gerüstet
Im Verteidigungsfall wären viele deutsche Kliniken überfordert. Eine neue Studie zeigt gravierende Lücken bei Vorbereitung, Ausstattung und Zusammenarbeit mit dem Militär. Wie Ärzte aus der Region Heilbronn die Lage einschätzen.
In einem Kriegsfall wären die Krankenhäuser in Deutschland nur eingeschränkt krisen- und verteidigungsfähig. Das zeigt eine aktuelle Studie des Institute for Health Care Business und des Deutschen Krankenhausinstituts im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Nur rund ein Viertel der insgesamt 1600 Allgemeinkrankenhäuser sehen sich demnach gut gerüstet für Sicherheits- und Verteidigungsbedrohungen (26 Prozent).
Nato-Verteidigungsfall: Nur ein Viertel der Kliniken sehen sich gut gerüstet
Dabei würde Deutschland im Bündnis-Verteidigungsfall zur Drehscheibe für die Truppenbewegung von rund einer Million Nato-Soldaten pro Tag, Militärstrategen rechnen in einem solchen Fall mit rund 1000 Kriegsverletzten täglich, die medizinisch versorgt werden müssten, darunter ein Viertel Schwerstverletzte. „Wir sprechen über Ihre Betten, in denen die Verwundeten liegen werden“, sagte Bundeswehr-Oberstarzt Gerhard Achatz beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) an die Adresse seiner zivilen Kollegen gerichtet.

Rund 8000 Orthopäden und Unfallchirurgen, vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum, treffen sich noch bis Freitag in Berlin, um über Themen ihres Fachgebiets zu diskutieren. Ein Schwerpunkt in diesem Jahr: die Zusammenarbeit zwischen zivilem und militärischem Bereich in einem solchen Bündnis-Verteidigungsfall. Auch eine Delegation aus Kiew ist angereist, um von ihren Erfahrungen in der zivilen Medizin im dritten Jahr des Krieges gegen Russland zu berichten.
Appell von Generalarzt: „Sie müssen anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen“
„Sie müssen anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen“, lautete der eindringliche Appell von Generalarzt Benedikt Friemert, Kommandeur am Bundeswehrkrankenhaus Ulm. „Haben Sie ein Kellerkonzept?“, fragte er an die Zuhörer gerichtet. Aus der Ukraine wisse man, dass medizinische Einrichtungen zur Zielscheibe werden, in Frontnähe würden mobile Operationseinheiten deshalb häufig unterirdisch errichtet.
Es gelte zudem jetzt, Depots für Operationsmaterialien und Verbandszeug anzulegen und sich als Arzt klarzumachen, dass im Ernstfall breite chirurgische Kenntnisse statt Spezialisierungen und Individualmedizin gefragt seien. Das Bewusstsein für das, was nötig sei, würde jedoch noch auf breiter Front fehlen, so Friemert. „Die Awareness fehlt mir bei allen Vorträgen und sie ist auch in der breiten Bevölkerung nicht vorhanden.“
SLK-Direktor und Unfallchirurg Professor Wolfgang Linhart sagte am Rande des Kongresses, vieles, was die Krankenhäuser jetzt machten, sei in einer solchen Lage nicht mehr möglich, zum Beispiel die Versorgung von Bagatellen in den Notaufnahmen: „Die niedergelassenen Ärzte müssen dann vieles übernehmen, damit wir uns auf die ,große Chirurgie’ konzentrieren können.“

Welche Rolle niedergelassene Ärzte im Bündnisfall hätten, ist unklar
Die Unfallchirurgen werden zu den Facharztgruppen gehören, die bei einer möglichen Versorgung Kriegsverletzter stark gefragt sein würden, sagt auch der Neckarsulmer Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Boris Brand. Sein Berufsverband beschäftige sich mit dem Thema, aber viele Fragen seien noch ungeklärt – etwa die nach den Zuständigkeiten. In Friedenszeiten organisiert die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die ambulante Patientenversorgung. Wie das im Bündnisfall wäre: unklar. Genauso wie die tatsächliche Zahl an Ärzten, die dann für die Versorgung zur Verfügung stehen würde.
„Viele Ärzte haben Doppelfunktionen, sind zum Beispiel noch beim DRK oder als Reservist tätig“, so Brand. Es gelte zunächst, solche Fragen an der Schnittstelle zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten zu klären. „Deshalb ist es gut, dass wir in Berlin ein solches Forum für den Austausch haben.“


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