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Schusswaffengebrauch von Polizisten
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Vorfälle mit Messern – "Zahl der Angriffe wird zunehmen"

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Solingen, Mannheim oder Heilbronn. Immer wieder kommt es zu Messerangriffen, gegen die die Polizei die Dienstpistole einsetzt. Ein Interview mit Polizeiforscher Hermann Groß.


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In letzter Zeit ist immer wieder von Schusswaffengebrauch von Polizisten zu lesen. Hat die Zahl zugenommen?

Hermann Groß: Der Eindruck täuscht. Es gibt beim Schusswaffengebrauch von Polizisten ein Auf und Ab aber keinen klaren Trend. Wir hatten auch schon Jahre, in denen die Polizei öfter von der Schusswaffe Gebrauch machte.

 

Wie oft passiert das im Jahr?

Groß: In den letzten Jahrzehnten stellen wir jährlich etwa 50 bis 70 Fälle fest, in denen auf Menschen geschossen wird. Bei den Zahlen ist es ein Problem, einen Trend auszumachen. Die allermeisten Polizisten setzen die Schusswaffe gegen Tiere ein.


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Wird über Vorfälle mehr in den Medien berichtet?

Groß: Möglicherweise wird es stärker thematisiert und es rückt stärker in die Öffentlichkeit. Bei Sexualdelikten denkt man auch, es seien mehr geworden. Was sich geändert hat, ist die Einstellung der Öffentlichkeit zu dem Thema. Und das Anzeigeverhalten der Opfer.

 

Der Tod des Polizisten Rouven Laur, der von einem mutmaßlich islamistisch motivierten Täter in Mannheim getötet wurde, richtet den Blick auf Angriffe auf Polizisten.

Groß: Insbesondere das Messer ist ein stark archaisch symbolisches Element. Angriffe damit wurden vor allem von rechter Seite thematisiert. Messerangriffe stehen stärker in der Öffentlichkeit, weshalb man den Eindruck gewinnt, dass es immer mehr Messerdelikte gibt. Die Anzeigenbereitschaft ist auch dort höher.

Hermann Groß
Hermann Groß  Foto: privat

 

Täuscht der Eindruck oder nehmen Angriffe auf Polizisten zu?

Groß: Polizeibeamte werden immer häufiger angegriffen. Da ist was dran. Das betrifft übrigens auch Rettungskräfte, Feuerwehren und Notärzte.

 

Was lässt sich über die Angreifer sagen?

Groß: Es ist zumeist ein Delikt unter jungen Männern. Früher haben sie das unter sich ausgemacht. Heute wird das eher bekannt, weil es auch beobachtet wird. Wird eine Messerstecherei der Polizei gemeldet, muss sie auch einschreiten.

Gibt es auch dort eine Entwicklung?

Groß: Die Zahl der Messerangriffe wird zunehmen. Auch, weil die Anzeigenbereitschaft zugenommen hat. Außerdem das, was als Messerangriff bewertet wird. Da wird eine Situation als extrem gefährlich und bedrohlich gemeldet. Dabei handelt es sich bei den Waffen nicht nur um Messer, sondern um „angespitzte Gegenstände“, so der Polizeijargon.  

 

Greifen Polizisten nach den Angriffen mit Messern oder Macheten schneller zur Dienstpistole?

Groß: Was soll ein Polizist bei einem Messerangriff auch anderes tun, als von der Dienstwaffe Gebrauch zu machen? Dass das nicht immer optimal läuft, sieht man im Fall von Mouhamed Dramé, der 2022 in Dortmund erschossen wurde und dessen Fall gerade verhandelt wird. Insbesondere psychisch kranke Personen haben ein hohes Risiko von der Polizei erschossen zu werden, wenn sie mit Messern oder anderen gefährlichen Gegenständen hantieren oder sich ansonsten merkwürdig verhalten.

 

Wirken sich Nachrichten über angegriffene Polizisten auf deren Dienst aus?

Groß: Davon lassen sich Polizisten eindeutig anstecken. Polizei und Politik reagieren darauf. Die Polizei ist betroffen und zieht Schlüsse daraus. Sie ist schneller bereit, zur Waffe zu greifen.

 

In den überwiegenden Fällen sind junge Migranten aus dem arabischsprachigen Raum beteiligt. Wie lässt sich das erklären?

Groß: Die Gewalt spielt sich in Spezialgruppen mit einer andern Gewaltkultur ab. Die Taten werden häufig von Afghanen und Syrern begangen, bei denen eine andere Gewaltkultur herrscht. Ob jemand zum Messer greift, hängt davon ab, ob er kulturell stärker an Messer gewöhnt ist. Bei den Tätern handelt es sich meist um junge Asylbewerber und Flüchtlinge. Die haben nichts zu tun, leben eng aufeinander, zusammengezwängt in Unterkünften.

 

Immer mehr Städte führen Messerverbotszonen ein. Ist das sinnvoll?Groß: Symbolisch kann man für Messerverbotszonen sein und damit zeigen, dass bestimmte Messer gesellschaftlich nicht in der Öffentlichkeit akzeptiert sind. Dieses Verbot überall zu überwachen, ist aber unmöglich. In dem Zusammenhang wird ja oft über die Klingenlänge diskutiert. Diese Diskussion ist absurd.


Zur Person: Hermann Groß (64) ist Politologe und Psychologe. Er ist Fachhochschullehrer für Sozialwissenschaften an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit. Seine Forschungsschwerpunkte liegen neben der empirischen Polizeiforschung in der Polizeipsychologie. Der 64-Jährige gehört zum Organisationsteam des Arbeitskreises „Empirische Polizeiforschung“.

 

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