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Was bleibt nach dem Tod des Polizisten Rouven Laur?

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Polizist Rouven Laur starb nach einem Messerangriff in Mannheim. Er wuchs in Neckarbischofsheim auf. Bürgermeister Thomas Seidelmann kannte ihn persönlich – und kritisiert noch heute Politik und Medien mit deutlichen Worten.


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Im Büro von Neckarbischofsheims Bürgermeister Thomas Seidelmann ist das Gesicht von Rouven Laur immer präsent. Ein Foto von ihm, schwarz umrahmt, steht hier auf einem Schrank. Der Ende Mai von einem Islamisten in Mannheim ermordete Polizist trägt ein Lächeln auf diesem Foto. "Wenn er einen Raum betrat, wurde es hell", erinnert sich Seidelmann an ihn zurück. Er kannte den Mann persönlich. Laur wuchs in Neckarbischofsheim auf und war ein guter Freund einer seiner Töchter, er wurde 29 Jahre alt.

Vermutlich auch aufgrund dieser persönlichen Nähe spürte man in den ersten Tagen nach der grausamen Tat, die das Land erschütterte, eine Wut Seidelmanns darüber, dass so etwas überhaupt passieren konnte und Islamismus offensichtlich lange Zeit verharmlost wurde. "Ich werde nicht mehr schweigen", kündigte der 58-Jährige an – und gab in einer Trauerrede im Schlosspark Neckarbischofsheim, bei der Innenminister Thomas Strobl anwesend war, der Politik eine Mitschuld am Geschehen.

Neckarbischofsheim Bürgermeister Thomas Seidelmann.
Neckarbischofsheim Bürgermeister Thomas Seidelmann.  Foto: Hoffmann, Adrian

Tod des Polizisten Rouven Laur aus Neckarbischofsheim: Was ändert sich nach islamistischen Taten?

Noch heute sieht Seidelmann (parteilos) das so – drei Monate nach dem Mord an Rouven Laur und wenige Tage nach den ebenfalls islamistischen Morden in Solingen. Die Worte von hochrangigen Politikern, die gesprochen wurden, klingen ihm noch heute in den Ohren. "Als wäre es gestern gewesen", sagt der 58-Jährige. Doch den Glauben, dass Ankündigungen konkrete Veränderungen folgen, hat er wie viele Menschen verloren. Der zweite Satz, den man in Neckarbischofsheim höre, wenn es um Rouven Laur geht, laute: "Es passiert eh nichts."

Seidelmann kritisiert scharf, dass sich in der politischen Praxis nicht viel verändere. Beispiel Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. "Die Menschen dort haben nicht links gewählt", so Seidelmann – wie könne man dann gewisse Koalitionen überhaupt in Erwägung ziehen. Wenn nach diesem Wahlergebnis linke Politik mitregiere, "dann brennen bei vielen Wählern die Sicherungen durch".

Mehr als 60 Prozent der Menschen hätten bürgerlich-konservativ gewählt, und "deshalb sollte es zuerst Gespräche zwischen Wahlsieger und CDU geben". Idealerweise könne man zusammenarbeiten, falls nicht, sei das die beste Chance, die AfD als nicht regierungsfähig zu entzaubern." Jedoch gar nicht erst mit der Partei reden, das halte ich für völlig undemokratisch.“  

Bürgermeister Seidelmann aus Neckarbischofsheim übt Medienkritik: "Wo bleiben die Sondersendungen?"

Was Seidelmann ebenfalls beklagt, ist die Rolle der Medien. Er studierte einst Journalismus und war Chefredakteur bei der Motorpresse Stuttgart. Vorfälle wie Sylt, als eine Gruppe Menschen rechtsextreme Parolen schrien, würden überdimensioniert und aufgebauscht. Seidelmann: "Das war eklig und dumm, doch haben wir keine anderen Probleme?"

Islamistische Taten wiederum, bei denen Menschen ermordet werden, und krasse Kriminalstatistiken lösten kaum Sondersendungen aus. „Wo ist der mediale Aufschrei, wo die Sondersendungen, wo die politische Empörung, wenn Menschen in diesem Land laut für das Kalifat schreien und damit das Grundgesetz und unser System abschaffen wollen?“

Eine Schiefer-Gedenktafel für Rouven Laur.
Eine Schiefer-Gedenktafel für Rouven Laur.  Foto: Hoffmann, Adrian

Er wünsche sich mehr journalistische Ausgewogenheit, so der Bürgermeister. Immer wieder ärgere er sich in den vergangenen Wochen über politische Abläufe und eine sehr einseitige Medienarbeit. "Du machst grade eine ganz schöne Wandlung durch, meinte meine Frau zu mir", sagt Seidelmann. Er sei ein großer Fan des Grundgesetzes und der Haltung, wenn man das umsetze, was da drinstehe, "dann haben wir ein tolles Land". Und ja, seine Frau habe recht: "Ich bin seit Rouvens Tod wertkonservativer geworden."

Erst Ende August überbrachte Seidelmann einen Offenen Brief an Ministerpräsident Kretschmann und Innenminister Strobl persönlich in Stuttgart. Auch darin wählte er deutliche Worte. Das Land kürzt Mittel für die Integrationshilfe, was auch eine Stelle im Gemeindeverwaltungsverband betrifft, dem Neckarbischofsheim angehört. Seidelmann fragt im Offenen Brief: "Kann das wirklich Ihr Ernst sein? Es ist gerade einmal zwei Monate her, da wurde ein aus Neckarbischofsheim stammender Polizist von einem offenbar schlecht integrierten Menschen getötet." Und Strobl habe doch in einem Interview gesagt: „Rouven Laurs Tod darf nicht sinnlos gewesen sein.“ 

In Neckarbischofsheim ist Rouven Laur unvergessen – Stiftung geplant

Für den Neckarbischofsheimer Gemeinderat und für ihn "ist es deshalb ein Skandal, dass Sie jetzt genau dort die Axt ansetzen, wo gelingende Integration vor Ort gemacht wird", so Seidelmann. "Wir leisten in den Kommunen für das Land und den Bund eine so wichtige Arbeit. Wie können Sie die Städte und Gemeinden, die ja nach Ihrer eigenen Aussage die Orte der Wahrheit sind, so im Stich lassen und der Integration einen derartigen Bärendienst erweisen?" Zeit seines Lebens sei er immer sehr an Politik interessiert gewesen. "Doch was ich seit der Tragödie um Rouven Laur Tag für Tag lese und erfahre, das macht mich fassungslos." 

In Neckarbischofsheim ist Rouven Laur unvergessen. Im Schlosspark soll eine Gedenkstelle erreichtet werden. Außerdem sei die Gründung einer Rouven-Laur-Stiftung geplant. Diese Stiftung habe verschiedene Zwecke – unter anderem soll es um eine Strategie gegen Islamismus gehen, aber auch einer bessere Ausstattung von Polizisten in ihrem Berufsalltag.

 

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Kommentare

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Holger Ritter am 10.09.2024 07:38 Uhr

Herr Seidelmann hat völlig recht! Meiner Meinung nach müssten die stärksten 2 Parteien koalieren, und zwar per Gesetz, denn diese wurden vom Volk mehrheitlich gewählt!
Koalitionen aus 5% Parteien sind nicht Regierungsfähig, man sieht es ja aktuell an der unfähigen Ampelregierung!

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