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Bauernkrieg im Raum Heilbronn: Weinsberger Bluttat schockierte das ganze Land

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Als die Bauern vor 500 Jahren im Bauernkrieg gegen die Obrigkeit aufbegehrten kehrten sie das Unterste nach oben. Nach der Weinsberger Bluttat wurde der Böckinger Jäcklein Rohrbach für seine Beteiligung verbrannt.

Jäcklein Rohrbach wird am 21. Mai 1525 bei Neckargartach verbrannt. Zeichnung von Peter Harrer (1551).
Jäcklein Rohrbach wird am 21. Mai 1525 bei Neckargartach verbrannt. Zeichnung von Peter Harrer (1551).  Foto: Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 2476, fol. 129r

Im Februar 1525 gärte es in Heilbronn. Die Einwohner der besonders mit dem Kaiser verbundenen Reichsstadt rebellierten gegen die Geistlichen im Karmeliterkloster, damals vor den Toren der Stadt an der Stelle des heutigen Alten Friedhofs gelegen. Götz von Berlichingen stichelte mit einem aufgebauschten Religionstreit Neckar abwärts. Und dann hatte der Abt des Klosters auch noch die Tochter des Bürgermeisters geschwängert. Noch bevor der Bauernkrieg vor 500 Jahren die Neckar-Odenwald-Region erreichte, war die Stimmung angespannt.

„Der großartigste Revolutionsversuch des deutschen Volks endigte mit schmählicher Niederlage.” (Friedrich Engels in „Der deutsche Bauernkrieg“, 1850)

Bauernkrieg in der Region Heilbronn: Aufstand entwickelte sich im Schwarzwald und Hegau 

Der Aufstand hatte sich ab Herbst 1524 im äußersten Südwesten Deutschlands bei Waldshut im Schwarzwald und im Hegau entwickelt. Bis heute wird kolportiert, dass die Bauern in Stühlingen rebellierten, weil sie Schneckenhäuser für die Frau des Landgrafen sammeln sollten. Vermutlich ist das eine Legende, aber nicht ganz aus der Luft gegriffen. An Heiligabend des Jahres oder vielleicht auch erst im Februar sollen sich außerdem Bauern in einer Gaststätte in Baltringen bei Ulm getroffen haben und dort den später nach dem Ort benannten Bauernhaufen gegründet haben. Bis zum März war der ganze Südwesten in Aufruhr.

Mit dem Ende des Mittelalters um 1500 hatte sich vor allem die administrative Gliederung Deutschlands verändert. Die Grafen waren zwar die Lehnsherren der Bauern, mussten sich aber auch ihrer eigenen Herren erwehren. Denn die übergeordneten Fürsten begannen mit der Staatenbildung und alles geschah unter der Obhut des Kaisers, dem österreichischen Erzherzog Karl V. Der Druck auf die Bauern stieg.

Tatsächlich waren die Bauern um das Jahr 1500 nicht Herren über ihre Arbeitskraft, schon gar nicht über den von ihnen bestellten Boden, und auch nicht über sich selbst. Diese Unterdrückung in fast allen Bereichen des täglichen Lebens führte immer wieder zu meist räumlich begrenzten Protesten und Aufständen. Bis 1514 der „Arme Konrad“ durch Württemberg fegte. Arg in Bedrängnis kam damals schon Herzog Ulrich, der dann im Bauernkrieg wieder mitmischte, obwohl er da schon seines Amts enthoben, mit Reichsacht belegt und im Exil war. Den entscheidenden Unterschied zu vorangegangenen Revolten machten aber zwei andere Männer aus: Gutenberg und Luther. Martin Luthers Bibelübersetzung.

Bibel und Druckmaschine: Martin Luther gibt Bauern mächtiges Werkzeug in die Hand

Martin Luther hatte den Bauern ein Werkzeug in die Hand gegeben, das sich als mächtiger als alle anderen erweisen sollte: die deutsche Übersetzung der Bibel. Darin konnten Bauern nachlesen, was göttlich war und was nicht. Weder der Zehnte noch der kleine Zehnte, Frondienste und die vielen anderen Belastungen und Schikanen, nichts davon steht in der Bibel. Ergo forderten die Bauern ein Leben nach den Regeln des Evangeliums, in Memmingen schrieben sie die Zwölf Artikel als eine Art frühe Verfassung nieder.

Albrecht Dürers Traumgesicht von Pfingsten 1525: Eine Katastrophe kommt auf die Erde nieder.
Albrecht Dürers Traumgesicht von Pfingsten 1525: Eine Katastrophe kommt auf die Erde nieder.  Foto: n/a

Die Handreichung für die Aufständischen kam von Luther, aber dass sich revolutionäre Gedanken so schnell verbreiteten, war Johannes Gutenbergs Druck mit beweglichen Lettern zu verdanken. Der Bauernkrieg war vor allem ein Medienkrieg, schreibt Johannes Burkhardt in „Das Reformationsjahrhundert“. Flugschriften wurden in großer Zahl gedruckt, Gerd Schwerhoff erhebt Luther gar zum ersten Medienstar. Fast ein Viertel aller Drucke der frühen 1520er Jahre soll aus Luthers Feder stammen, inklusive der Denkschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ (1520). Luther verwendete, und stellte das später auch klar, den Freiheitsbegriff nur im theologischen Sinne, die Bauern aber nahmen sich die Freiheit im wörtlichen Sinne. Nicht zur Freude Luthers, der ja, trotz der von ihm nicht beabsichtigten Kirchenspaltung, an der gegebenen Ordnung festhalten wollte.

Frühjahr 1525: Bauernhaufen erhielten gewaltigen Zulauf, Panik macht sich breit

All das trug dazu bei, dass es den Bauern erstmals gelang, sich zu organisieren und ihre Ideen weiter zu verbreiten, Panik breitete sich im Frühjahr 1525 aus, die Bauernhaufen erhielten gewaltigen Zulauf, auch aus Städten, und wurden als unbestimmte, drohende Masse wahrgenommen, Alpträume plagen die Menschen.

Der Nürnberger Maler Albrecht Dürer (1471-1528), hielt einen solchen Alptraum in einem Aquarell fest, wo sich eine schwarze, alles überwältigende Masse in eine flache Landschaft ergießt und alles zu verschlingen droht. Dürer selbst sprach von Wassermassen, die sich in seinem Traum ergossen hätten, eine Sintflut. Es war um Pfingsten 1525. Was dem Nürnberger Maler begegnete, war nichts weniger als eine gewaltige Naturkatastrophe, in diese Kategorie ordneten die Menschen den Aufstand ein.

Bauernkrieg in der Region Heilbronn: Aufruhr in Böckingen

Und in Heilbronn? Da gärte es, mitunter lautstark. Allerdings ein bisschen außerhalb, in Böckingen, wo ein gewisser Jäcklein Rohrbach sich mit jedweder Obrigkeit, dem Stift in Wimpfen, den Herren von Neipperg (deren Leibeigener er war) und der benachbarten Reichsstadt Heilbronn angelegt hatte. Am Fastnachtssonntag, dem 26. Februar 1525, regte sich Rohrbach auf, schwang so große Reden im Böckinger Wirtshaus, dass wir heute noch davon wissen. Einen Monat später machte er den Götz und richtete den Wimpfener Klägern, die sich da schon nicht mehr ins Dorf trauen, aus, sie „sollen ihm für den Hintern lecken.


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500 Jahre Bauernkrieg: Das Schwierige Erinnern an eine gescheiterte Revolution


“Innerhalb von Tagen wurde die ganze Region vom Aufstand erfasst, in Weinsberg sollte das dunkelste Kapitel des Kriegs stattfinden. Schon am 26. März 1525 hatten sich Bauern in Bad Mergentheim zusammengetan und den Odenwälder Haufen gebildet. Jäcklein Rohrbach tat es ihnen gleich, eine Woche nach der Verbalattacke gen Wimpfen. Am 2. April 1525 folgten die Bauern aus Heilbronn und Weinsberg Rohrbachs Ruf und rotteten sich in Flein zusammen. Am nächsten Tag nahmen die Odenwälder Bauern Öhringen ein, die Frau des Grafen soll keine Gnade gefunden haben, schreibt der Chronist Peter Harer, die Waffen des Schlosses wurden geraubt und die Wasserspeier vom Dach geschossen. Am Tag danach fiel das Kloster Schöntal. An der Jagst vereinigten sich die Bauernhaufen aus dem Neckartal und Odenwald. Um die 6000 sollen es gewesen sein. Die Hohenloher Grafen schwörten auf die Zwölf Artikel. 

Die Rache nach Karfreitag 1525: Burg Weinsberg erobert, geplündert und in Brand gesetzt

Es war Karfreitag, vor 500 Jahren der 14. April, als die beiden vereinigten Bauernhaufen durch das Sulmtal in Richtung Neckarsulm zogen und ihre Nachhut von Reitern des Grafen von Helfenstein aus Weinsberg angegriffen wurden. Die Aktion des Grafen war militärisch sinnlos; zwei Tage später war der Graf tot und mit ihm 15 weitere Ritter und Würdenträger. Die Rache der Bauern begann am frühen Morgen des Ostersonntag. Die Weinsberger Burg war mit acht Soldaten besetzt und hatte eine beschädigte Mauer. Verstärkung kam aus der Stadt Weinsberg, fünf weitere Soldaten und einige Bürger, geschickt vom Grafen von Helfenstein. Dieser musste mit ansehen, wie seine Burg binnen zwei Stunden von den Bauern erobert, geplündert und in Brand gesetzt wurde. Seit dem 16. April 1525 ist die heute Weibertreu genannte Burg eine Ruine.

Die Gräfin von Helfenstein bittet um Gnade für Ihren Mann, im Hintergrund werden die Adeligen bereits durch die Spieße gejagt. Merians Kupferstich von 1629 ist historisch nicht korrekt.
Die Gräfin von Helfenstein bittet um Gnade für Ihren Mann, im Hintergrund werden die Adeligen bereits durch die Spieße gejagt. Merians Kupferstich von 1629 ist historisch nicht korrekt.  Foto: HSt-Arhciv

Noch immer am Vormittag, vielleicht so gegen 10 Uhr, brach in der Stadt Weinsberg Tumult aus. Die Bauern, militärisch gesehen alles andere als ein undisziplinierter Haufen, deckten die Verteidiger in  Weinsberg mit Dauerfeuer ein und brachen durch die Stadttore, als auf der Burg die Fahne der Bauern gehisst wurde. Von Helfenstein flüchtet in die Kirche, mit einigen Getreuen bis auf den Kirchturm, von dem es kein Entrinnen mehr gab. 16 Eingeschlossene geben auf. Ein Gericht sollte über ihr Schicksal entscheiden und die Bauern würden die Richter sein. Diese Umkehrung der Verhältnisse, dass Bauern plötzlich über die Adeligen zu Gericht saßen, war das Unvorstellbare, das Unterste wurde nach oben gekehrt, die Weltordnung hatte sich aufgelöst. Die Adeligen sollten durch die Spieße gehen und dadurch sterben. Eine entwürdigende Exekutionsart.

Entwürdigend dann auch das, was eine gewisse Margarete Renner, ebenfalls aus Böckingen, veranstaltet haben will. Die als „Schwarze Hofmännin“ bekannt gewordene Frau sagte, sie habe den Leichen die Bäuche aufgeschlitzt und mit dem Fett ihre Stiefel eingerieben. Vielleicht ist das nur erfunden, aber zehn Jahre zuvor sollen Schweizer Fußsoldaten genau das gemacht haben. Diese Weinsberger Bluttat war so singulär, so gewalttätig, so markerschütternd, dass der Stadtname zur Drohung wurde. Die Bauern richteten, ganz im Gegensatz zu den Adeligen, außerhalb von Schlachten keine anderen großen Blutbäder an.

Bauernkrieg: Heilbronn war über Wochen ein sicherer Ort für Aufständische

Martin Luther war danach außer sich, der Wittenberger Reformator rief zum Mord an den Bauern auf: „Darum soll jeder, der kann, zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, und bedenken, dass nichts giftiger, schädlicher, teuflischer sein kann als ein aufrührerischer Mensch.“Die Bauern zogen weiter nach Heilbronn, wo auch der Götz von Berlichingen mit seinem „Hellen Haufen“ noch eine Rechnung offen hatte. Davor hatten die Bauern das eingangs erwähnte Karmeliterkloster überfallen.

Heilbronn war über Wochen ein sicherer Ort für Aufständische gewesen, die in der Stadt ein und aus gingen, wie Lyndal Roper schreibt. Als der Rat der Stadt Treue einforderte, war es zu spät. Die Stadt am Neckar sollte das wichtigste Zentrum des Aufstands werden, hier tagte ein Bauernparlament. Anderswo wurde währenddessen Frieden geschlossen. Im oberschwäbischen Weingarten handelten die Bauern am 17. April 1525 minimale Verbesserungen aus. 

Die Bauern konnten zwar ein gewaltiges Momentum aufbauen und dies kurz aufrechterhalten, aber ihnen fehlte der große Überblick. Dabei hätten sie nur ihre Haufen weiter vereinen, sich gegenseitig zu Hilfe kommen müssen, um erfolgreich zu sein. Friedrich Engels schrieb von der Borniertheit der Bauern, die diese Revolution habe scheitern lassen. Zudem schlussfolgerte Engels, die Anführer hätten die Bauern verraten – zum Beispiel mit dem Weingartener Friedensvertrag.

Die Memminger Artikel wurden häufig gedruckt und weit verbreitet.
Die Memminger Artikel wurden häufig gedruckt und weit verbreitet.  Foto: Bayerische Staatsbibliothek München

Am 21. Mai 1525 lässt der Truchsess Jäcklein Rohrbach zu Tode rösten

Rohrbach wandte sich in Heilbronn mit vielleicht 200 Gefolgsleuten ab. In Lauffen vereinten sie sich mit dem Wunnensteiner Haufen, rekrutiert aus Bottwar und Beilstein, und am 19. Mai sollten sich der Truchsess und Jäcklein Rohrbach begegnen. Zuvor hatte der Schwäbische Bund die Bauern bei Böblingen am 6. Mai 1525 vernichtend geschlagen, Rohrbach war an diesem Tag bei Markgröningen gefasst worden, bevor er dem vorbeiziehenden Truchsess mitgegeben wurde. Der hatte in der Zwischenzeit weitere Schlachten geschlagen, zehntausende Bauern waren massakriert worden.

Den Böckinger sollte dasselbe Schicksal ereilen. Am 21. Mai 1525 ließ der Truchsess Jäcklein Rohrbach bei Neckargartach an einen Baum binden und zu Tode rösten. Dem Aufstand der Bauern und nicht weniger sympathisierender Bürger folgte oft brutale Rache der Adeligen, wo sich Feldherren zu Richtern machten und blind wüteten. Weinsberg bezahlte bitter für die Bluttat. Der Truchsess ließ die Stadt samt und sonders niederbrennen und im November des Jahres wurde die Stadt zum Dorf herabgestuft, an jedem Ostersonntag mussten sich fortan die Einwohner dort unter freiem Himmel versammeln, wo die Adeligen hingerichtet wurden.

Nach Zwischenspiel in Eppingen: Artur Eisenhut wird in Sinsheim gestoppt

Im Sommer 1525 tobte der Aufstand, von der Geschichtsschreibung der Sieger später zum Krieg erhoben, weiter, bei Schlachten siegten meist die Heere des Adels. Anfang Juni ließ Markgraf Kasimier in Kitzingen 60 Aufständischen die Augen ausstechen, der Truchsess ließ im Allgäu 200 Höfe abfackeln, nachdem er den Neckartäler-Odenwälder Haufen aufgerieben hatte, und in Salzburg und Brixen erhoben sich die Bauern ebenso wie in Thüringen. Eppingen war derweil Anfang Mai an Artur Eisenhut, genannt „Pfaffen Eisenhut“ und seinen Haufen gefallen, der nach wenigen Tagen in Sinsheim zum Halt kam.

Am hartnäckigsten hielt sich der Aufruhr dort, wo er begonnen hatte: in den dunklen Tälern des Schwarzwalds. Erst am 5. November 1525 eroberten Truppen die Stadt Waldshut zurück. Neun Jahre später kehrte der württembergische Herzog Ulrich nach Stuttgart zurück. Da war der Truchsess schon drei Jahre tot.

Als letztes Opfer wurde der Tiroler und Salzburger Bauernführer Michael Gaismair am 15. April 1532 in Padua ermordet. Es sollte dann noch 250 Jahre dauern, bis die Bauern 1789 in Frankreich siegten.

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