"Schockierend": Ratlosigkeit und Frust bei lokalen Politikern nach "Denkzettelwahl"
Große Freude auf der einen, riesiger Frust auf der anderen Seite: Die Reaktionen bei Politikern in der Region fallen nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sehr unterschiedlich aus.

"Das Ergebnis zeigt die große Unzufriedenheit mit der Ampelregierung und der Verbots- und wirtschaftsschädigenden Politik. Die Grünen sind abgestraft worden, die FDP ist nicht mehr vorhanden", stellt Dennis Klecker, Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Heilbronn mit Blick auf die künftige Zusammensetzung der Länderparlamente fest.
"Die Menschen wählen die AfD inzwischen nicht mehr aus Protest, sondern aus Überzeugung", habe er zuletzt bei einigen Infoständen festgestellt. Klecker fragt sich, wie lange die Brandmauer der CDU gegenüber der AfD noch zu halten ist. "Wir haben einen großen Schub gesehen, den wir gerne mitnehmen." Der Begriff Brandmauer bezeichnet die Beschlüsse der anderen Parteien, mit der AfD keine Koalition einzugehen.
"Schockierend": So reagieren lokale Politiker auf Wahlergebnis in Sachsen und Thüringen
Für Holger Kimmerle ist das Wahlergebnis "schockierend. Das hätte man vor fünf Jahren nicht gedacht, dass die AfD in Thüringen die stärkste Partei werden würde", sagt der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Heilbronner Gemeinderat. "Wir müssen eine Antwort finden auf die Art der Kommunikation der AfD", zielt Kimmerle auf deren starke Ergebnisse in den sozialen Medien.
Für Kimmerle ist die Wahl ein Zeichen, "dass die Demokratie verletzlich ist". Er warnt vor Populismus. Dass die Grünen aus dem Erfurter Landtag verschwinden, ist für ihn "dramatisch". Er fragt sich, wer ihre Themen nun in der Landespolitik vertreten wird. Man müsse jedenfalls "die Bildung stärken".
Ergebnisse der AfD in Sachsen und Thüringen seien eine "Denkzettelwahl"
Von einer "Denkzettelwahl" spricht Jens Schäfer: Der Kreisvorsitzende der SPD zeigt sich erschüttert, dass 30 Prozent der Wähler für eine in Teilen verfassungsfeindliche Partei gestimmt haben, blendet die Selbstkritik aber nicht völlig aus. "Wir müssen bei den Themen Migration und Innere Sicherheit nachjustieren und mehr für die Außenwirkung machen." Die internen Zerwürfnisse in der Ampelregierung seien auch für die Politik insgesamt schlecht. Ähnlich wie Kimmerle zeigt sich auch Schäfer besorgt, "dass viele junge Menschen die AfD gewählt haben".
Tief frustriert ist der Heilbronner Linken-Kreisrat Florian Vollert, nachdem die Partei in beiden Ländern große Verluste erlitten hat. Aus seiner Sicht wird die Linke durchaus noch gebraucht im politischen Spektrum. "Wir müssen uns klar positionieren, so dass es für die Menschen spürbar wird." Dabei seien vor allem die Themen Wohnen und Gesundheit wichtig.
"Als Demokratin bestürzt mich das starke Ergebnis der AfD sehr", sagt Isabell Huber, CDU-Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Neckarsulm und kritisiert vor allem die Ampelregierung. "Die Wahlen sind eine Ohrfeige für die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP", während die CDU für Stabilität in der politischen Mitte sorge.
Heilbronner FDP-Politiker Weinmann: "Quittung für eine unbefriedigende Regierungsbilanz"
„Das ist die Quittung für eine unbefriedigende Regierungsbilanz in Berlin. Besonders beim Thema Migration ist es nicht gelungen, die Sorgen und Nöte der Menschen aufzugreifen und Lösungen zu finden. Hier braucht es spürbare Verbesserungen", fordert der Heilbronner FDP-Landtagsabgeordnete Nico Weinmann und übt damit Selbstkritik: „Wir waren als FDP nicht sichtbar genug.“ Im Hinblick auf das Ergebnis der CDU stellt er fest: „Ich bin gespannt, wie die von der CDU aufgebauten Brandmauern nach rechts und links gehalten werden.“
„Ich bin fassungslos, wie leicht es diesen Demagogen, die erkennbare Nazis sind, gelungen ist, das hinzubekommen“, so Joachim Scholz, Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Hohenlohe. „Wir haben seit der Nachkriegszeit gesagt: Nie wieder! Und nun passiert genau das.“ Für ihn sei „klipp und klar“: Die sogenannte Brandmauer müsse unbedingt bestehen bleiben. „Ich kann den Parteien im Osten nur empfehlen, mit der AfD keinerlei Deals einzugehen“, sagt Schöntals Bürgermeister, der als junger Verwaltungsbeamter nach der „Wende“ einst selbst persönlich Aufbauhilfe in Ostdeutschland geleistet hat. „Diese Leute sind gefährlich und dürfen nicht in einer Regierung sein,“ so der CDU-Mann.
Wahlerfolg der AfD: Ratlosigkeit bei Politikern in Hohenlohe
Mit 6,1 und 7,5 Prozent hat auch die SPD keinen Grund zur Freude. "Ich habe es gestern gar nicht so verfolgt, sondern meinen Urlaub ausklingen lassen", sagt Eva Neubert, Kreisvorsitzende der SPD in Hohenlohe. Mit Blick auf die Ergebnisse kann sie ein Kraftwort nicht vermeiden, ehe sie ratlos fragt: "Was können wir noch machen?"
Es sei zunehmend schwer, Menschen zu erreichen und ergebnisoffen mit ihnen über Politik zu diskutieren. "Viele haben inzwischen eine vorgefasste Meinung, man redet gegen eine Wand", bedauert Neubert. Sie meint: "Und viele informieren und engagieren sich nicht mehr, wählen, ohne zu bedenken, was sie mit ihrem Kreuz beispielsweise für die AfD anrichten, welche Konsequenzen das hat." Sie hat keine Lösungen, aber eine Feststellung: "Das ist eine ganz blöde Situation."
Forderung der Politiker: Die Bürger müssen sich einmischen
„Das Ergebnis lässt Ratlosigkeit und Ernüchterung zurück“, sagt Mario Dietel, Co-Kreischef der Grünen im Hohenlohekreis. Nun müssten sich „die demokratischen Kräfte zusammenraufen“. Dietel klar: „Ich bin erschrocken vom Erstarken der AfD.“ Dass eine solche Partei 80 Jahre nach Kriegsende in Deutschland derartige Erfolge feiern könne, sei unerträglich. „Ich hoffe, dass der Zusammenhalt zwischen Ost und West in den kommenden Jahren vorangetrieben wird.“ Es brauche aus seiner Sicht deutlich mehr Ostdeutsche in politischen und wirtschaftlichen Führungsfunktionen.
„Schrecklich“ findet auch Silvia Ofori, Sprecherin des Kreisverbands der Linken für Schwäbisch Hall und Hohenlohe, das gute Abschneiden der AfD. Einmischung aller Bürger sei nun gefragt: „Jetzt kann niemand mehr aus der Sofa-Perspektive die Dinge betrachten.“ Der Bedeutungsverlust der einstigen Volkspartei im Osten? „Es war absehbar, dass es tiefe Einschnitte geben wird. Das ist natürlich bitter für uns.“ Sahra Wagenknecht habe mit ihrem BSW die gesellschaftliche Linke gespalten. Und offensichtlich sei es nicht gelungen, mit Inhalten wie soziale Gerechtigkeit im aktuellen politischen Diskurs zu punkten.
FDP-Kreistagsvorsitzende Schenk: "Mit schlechten Ergebnissen gerechnet“
Abgestraft bei den Wahlen wurde die FDP: „Ich hatte mit schlechten Ergebnissen gerechnet“, kommentiert der Hohenloher FDP-Kreistagsvorsitzende Michael Schenk. „Aber das es so katastrophal wird, war unerwartet.“ Einer der Gründe, neben lokalen Problemen, sei der „negative Einfluss durch die Ampel“, glaubt Schenk. „Das Problem der Migration zu lösen, ist man in den vergangenen drei Jahren nicht angegangen, das sorgt in der Bevölkerung für riesigen Unmut", so Schenk.
Diese Meinung vertritt auch Anton Baron, Kreisvorsitzender der AfD in Hohenlohe: „Migration stand auf Platz ein der Themen bei beiden Landtagswahlen und da haben wir höchste Kompetenz. Ich bin sicher, auch deswegen wurden wir im Osten gewählt.“ Überrascht über die Ergebnisse ist er nicht. „Vielmehr hatten wir gedacht, wir werden auch in Sachsen die Mehrheit bekommen“, so der AfD-Kreissprecher. „Ich denke, leider sind viele Wähler auf die dumpfe Wahlkampfrhetorik der CDU reingefallen und haben die gewählt.“