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Obersulms Bürgermeister macht seinem Ärger Luft über den Kampf mit Gesetzen und Behörden

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Björn Steinbachs Vorwurf lautet: Die Politik lebt in eigener Welt und hat keinen Plan. Er nennt fünf Beispiele, die zeigen, womit sich die Gemeinde Obersulm noch nebenher herumschlagen muss.

Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Tempo-50-Schilder in der Affaltracher Straße am Ortsausgang von Willsbach aufgestellt wurden. Sehr zum Ärger der Gemeinde und Anwohner, die schon lange eine Lärmminderung forderten.
Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Tempo-50-Schilder in der Affaltracher Straße am Ortsausgang von Willsbach aufgestellt wurden. Sehr zum Ärger der Gemeinde und Anwohner, die schon lange eine Lärmminderung forderten.  Foto: Friedrich, Sabine

Zunehmend fühlen sich die Kommunen von der großen Politik allein gelassen. Sei es bei der Unterbringung von Flüchtlingen, beim Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026 oder bei den sich ständig ändernden Verordnungen und Regelungen. Und das alles nach der Pandemie, in der regelmäßig freitagabends neue Vorgaben in die Rathäuser flatterten, die montags in Kitas und Schulen umzusetzen waren.

Obersulms Bürgermeister Björn Steinbach nutzte die Etatrede im Gemeinderat, um seinem Ärger Luft zu machen und anhand von Beispielen aufzuzeigen, was den Verwaltungen alles abverlangt wird, zum Teil an Unsinnigem.

In keinem Feld zukunftsfähig

Die Krisen führten vor Augen, dass Deutschland in keinem politischen Feld zukunftsfähig aufgestellt sei. "Noch nie hat man vor Ort, in den Verwaltungen, deutlicher gespürt, dass die Politik keinen Plan hat und sich von der Basis, von den Kommunen, mittlerweile abgekoppelt hat und in einer eigenen Welt lebt", nahm Steinbach kein Blatt vor den Mund.

Kindergärten brauchen mehr Toiletten

Er führte den Hygieneleitfaden an, in dem die Kindergärten zukünftig mehr Toiletten benötigen. 25 000 Euro musste die Gemeinde 2022 bereitstellen, um im Kindergarten Sülzbach tätig zu werden. Nach einem Jahr Kampf habe man sich der Blockade im Sozialministerium beugen müssen, obwohl der Kommunalverband für Jugend und Soziales und das Gesundheitsamt ebenfalls keine zusätzlichen Toiletten für nötig ansahen. Für Steinbach, der auch Vizevorsitzender im Kreisverband des Gemeindetags Baden-Württemberg ist, befremdlich in einer Situation, in der wegen Personalmangels der Kindergartenbetrieb kaum aufrecht erhalten werden könne.

 


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Zwei Jahre für vier Schilder

Der zweite Schildbürgerstreich: Mehr als zwei Jahre dauerte es, bis Obersulm die im Lärmaktionsplan geforderten vier Tempo-50-Schilder zwischen Willsbach und Affaltrach genehmigt bekam. Da kann Steinbach, der im Heilbronner Kreistag sitzt, den Ärger der Anwohner verstehen. Was er nicht versteht, ist, dass auf den letzten etwa 300 Metern bis zum Ortsschild Affaltrach weiter "70" gilt. "Wer denkt sich so was aus?", kritisierte er den Flickenteppich an unterschiedlichen Geschwindigkeitsregelungen.

Beispiel drei: der Klimaschutzmanager. Zum 1. Juli wollte die Gemeinde die Stelle besetzen. Nach mehrmaliger Beschwerde kam am 30. November der Förderbescheid, für den ein 30-seitiger Antrag unter Hinzuziehung einer Energie-Agentur nötig war. Stefan Fuchs wechselte am 1. Dezember vom Bauamt auf diese Stelle. "Unglaublich, wie man mit uns Kommunen umgeht", fiel dem Bürgermeister dazu nur ein.

Bisher kein Konzept für Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung

"Man gewährt einen Rechtsanspruch und hat keinen Plan, wie der umgesetzt werden soll", nahm er sich die geplante Ganztagsbetreuung in Grundschulen ab 2026 vor. "Bis heute liegt uns kein Konzept vor, wie sich das Land die Betreuung konkret vorstellt." Dieses trage selbst nichts zur Lösung der dafür fehlenden Lehrer bei, habe es nicht einmal für nötig befunden, eine Einstellungsoffensive zu starten.

"Man verlässt sich wieder einmal auf die Kommunen", beklagte Steinbach, um noch eins draufzusetzen: Seit über einem Jahr warte die Gemeinde auf ein Förderprogramm, um den Mensa-Anbau an der Michael-Beheim-Schule realisieren zu können.

Der Bürgermeister ging auf ein letztes Beispiel ein, um zu zeigen, womit sich die Verwaltung unnötigerweise nebenher beschäftigen müsse und was den Mitarbeitern Kraft und Nerven raube. Es geht um die brandschutzrechtliche Beurteilung der Kinderbetreuung. Seit rund einem Jahr kämpfe die Gemeinde mit dem Landratsamt Heilbronn, eine Nutzungsänderung beziehungsweise Baugenehmigung für eine private Kinderbetreuung und den Kindergarten am Bahnhoffußweg zu erhalten.

 


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Ein einzelner stellt sich quer

Die Rechtslage sei klar, ein Gutachten liege vor, die Freiwillige Feuerwehr habe mit einer Übung die Funktionalität vor Ort nachgewiesen: Aber das Landratsamt Heilbronn stelle sich quer. Es liege nicht am fehlenden Personal oder an zu restriktiven Regelungen, "sondern nur am fehlenden Willen eines Einzelnen, der uns monatelang hinhalten kann", schilderte der Gemeindechef den Fall und schloss mit der Bemerkung: "Das ist sehr traurig."

Mehr Flüchtlinge als 2015 und 2016

Derzeit sind in Obersulm allein 134 ukrainische Flüchtlinge untergebracht. In seiner Etatrede machte Bürgermeister Björn Steinbach deutlich, welcher Anstrengungen es bedarf, für diese Menschen Wohnraum zu organisieren. In wenigen Monaten habe die Gemeinde mehr Menschen unterbringen müssen als in den Jahren der Flüchtlingswelle 2015 und 2016 zusammen, umriss er die Dimension. Und zur allgemeinen Lage: "Aktuell haben wir mehrere Krisen zu bewältigen, die es in diesem Ausmaß seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben hat."

 

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Kommentare

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Gisela Wieland am 15.12.2022 17:49 Uhr

Alle Achtung , Herr Steinbach!!!

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