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Zersplitterung in Gemeinderäten: Städtetag  drängt auf Reform des Wahlrechts

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Nach der Kommunalwahl ist das Bild vieler Gemeinderäte im Land noch unübersichtlicher geworden, das gilt auch für Heilbronn. Immer mehr Parteien und Gruppierungen teilen sich die Sitze in den Gremien. Der baden-württembergische Städtetag sieht die Entwicklung mit Sorge und will das Wahlrecht ändern.   

 Foto: Veigel\, Andreas

"Es ist deutlich geworden, dass die Zersplitterung ein Problem darstellen kann", sagte Ralf Broß gegenüber der Heilbronner Stimme. "Die Fliehkräfte sind groß", fürchtet der geschäftsführende Vorstand des baden-württembergischen Städtetags und früherer Oberbürgermeister von Rottweil. Das erschwere es, Kompromisse zu finden, und ziehe Diskussionen in die Länge. 

Bei der Kommunalwahl am 9. Juni hat sich die politische Landschaft in vielen Gemeinderäten im Südwesten weiter aufgefächert. Dabei sticht Pforzheim heraus. Dort schafften alle 17 angetretenen Listen den Sprung in den Gemeinderat, die AfD wurde stärkste kommunalpolitische Kraft. In Freiburg traten 20 Listen an, 17 waren erfolgreich. Der Stuttgarter Gemeinderat besteht aus 14 Parteien und Gruppierungen, und auch in Heilbronn setzt sich der Trend fort. 

Heilbronner Gemeinderat: Satire-Partei und Migrantenliste neu dabei 

Das bisherige Neuner-Gremium bekommt Zuwachs. Die Satire-Formation Die Partei entsendet in Heilbronn erstmals einen Stadtrat. Die Wählervereinigung Gemeinsam für unser Heilbronn will sich vor allem für die Interessen der Bevölkerung mit Zuwanderungsgeschichte einsetzen, sie holte einen Sitz. Stärkste Fraktion wurde die CDU mit zehn Sitzen, die AfD schob sich vor SPD und Grüne auf Platz zwei.

Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) unterstützt zwar die Forderung des Städtetags nach einer Änderung des Wahlrechts mit Blick auf Extremfälle wie Pforzheim. In der eigenen Stadt sieht er keine Gefahr für die politische Kultur. "Ich verlasse mich auf eine Allianz der Vernunft und gehe entsprechend mit den Veränderungen um", erinnerte Mergel im Interview mit der Heilbronner Stimme daran, dass "95 Prozent der Entscheidungen im Gemeinderat" nahezu einstimmig getroffen wurden.

Begrenzung der Redezeit wird Thema in Heilbronn

Meist gelte: "Erst die Stadt, dann die Partei." Damit sei Heilbronn gut gefahren. Um die Sitzungen im Rahmen zu halten, werde man über eine Begrenzung der Redezeit nachdenken, kündigte Mergel an. "Das kann aber nur der Gemeinderat selbst entscheiden." 

Der Städtetag hat sich gleich nach der Wahl zur Wort gemeldet und auf eine Reform gedrängt. "Wir werden das wieder aufgreifen", kündigt Städtetag-Geschäftsführer Ralf Broß gegenüber der Stimme an. Im Fokus steht dabei die Auszählung der Stimmen nach dem sogenannten Sainte-Laguë-Verfahren. Es führt dazu, dass kleinere Gruppen bei der Zuteilung der Sitze Vorteile haben. 

Städtetag für Änderung des Auszählverfahrens 

Der kommunale Spitzenverband  favorisiert eine Rückkehr zum in Deutschland vielfach angewendeten d´Hondt-Verfahren, "das nicht die kleinen Parteien überfavorisiert", kündigt Broß eine Initiative gegenüber der Landespolitik an. Eine Prozent-Hürde wie etwa bei der Bundestagswahl sei hingegen keine Option, weil es in kommunalen Gremien vor allem um Persönlichkeitswahlen gehe. 

Rafael Bauschke,  Professor für Politische Kommunikation an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg, sieht die Politik in einem Dilemma. Einerseits gehe es darum, den Wählerwillen möglichst genau abzubilden. "Aber es ist auch wichtig, dass die Kommunen handlungsfähig sind." Für Bauschke, der angehende Bürgermeister ausbildet, ist das Wahlrecht nicht der einzige Grund für die Zersplitterung. Viele Wähler seien "mürbe nach all den Krisenjahren" und enttäuscht von den regierenden Parteien. "Für viele ist die Anwtort, dann etwas abseitig zu wählen."

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