Zersplitterung im Heilbronner Gemeinderat: OB Mergel setzt auf "Allianz der Vernunft"
Elf Parteien und Gruppierungen sind nach der Kommunalwahl im Heilbronner Gemeinderat vertreten. Experten warnen schon, Großstädte könnten unregierbar werden. Heilbronns OB Harry Mergel sieht die politische Debattenkultur nicht in Gefahr, unterstützt aber trotzdem Forderungen, das Wahlrecht zu ändern.

Bisher waren neun Parteien und Gruppen im Heilbronner Gemeinderat vertreten, nach der Wahl sind es sogar elf. Zersplittert die Stadtgesellschaft zusehends?
Harry Mergel: Lassen Sie es uns nüchtern betrachten. Wir haben bei 40 Sitzen im Gemeinderat zwei Sitze mit neuen Positionen, das ist Die Partei und Gemeinsam für unser Heilbronn, alle anderen Fraktionen und Gruppierungen waren vorher schon im Rat vertreten.
Sie sehen also kein Problem darin, dass das Gremium immer mehr zerfällt? In anderen Großstädten beobachtet man dieselbe Entwicklung, in Pforzheim haben 17 Listen den Sprung geschafft.
Mergel: In Heilbronn können die Neuzugänge durchaus auch zur Meinungsvielfalt beitragen, deshalb sehe ich das zunächst nicht negativ. Aber klar, es gibt andere Konstellationen.
Was macht Sie so zuversichtlich, dass Heilbronner Kommunalpolitik nicht im vielstimmigen Chor untergeht?
Mergel: 95 Prozent aller Beschlüsse im Gemeinderat werden nahezu einstimmig getroffen. Es wird sicher Themen geben, die kontrovers diskutiert und abgestimmt werden. Die große Stärke des Heilbronner Gemeinderats war bisher, dass man gesagt hat: Wahlkampf ist das eine, da versucht man, seine Position deutlich zu machen. Im Ratssaal gilt dann: Erst kommt die Stadt, dann die Partei. Damit sind wir bisher gut gefahren. Ich verlasse mich auf eine Allianz der Vernunft und gehe entsprechend mit den Veränderungen um.
Wie sollen Sitzungen praktisch ablaufen, wenn sich zu jedem Punkt elf Vertreter zu Wort melden? Wird die Redezeit strikter begrenzt?
Mergel: Es ist nicht die Regel, dass alle zu allen Punkten etwas sagen. Trotzdem denken wir über eine Redezeitbegrenzung nach, das kann aber letztlich nur der Gemeinderat selbst entscheiden.
Der Städtetag fordert eine Änderung des Wahlrechts, um die Zersplitterung einzudämmen. Was meinen Sie dazu?
Mergel: Zunächst ist es eine Frage der Gerechtigkeit, auch kleineren Gruppen die Möglichkeit zu geben, im Gremium mitzuarbeiten. Aber Pforzheim ist ein Extrembeispiel. Ich unterstütze die Forderung des Städtetags und bin deshalb dafür, dass wir zum Auszählverfahren nach d´Hondt zurückkehren. Und dass wir eine Art 2,5 Prozent-Klausel einführen. Das ist bei 40 Stimmen der rechnerische Stimmenanteil für einen Sitz. Wenn jemand mit deutlich weniger Stimmen in den Rat einzieht, dann fördert das eine Zersplitterung.
Die neue Liste „Gemeinsam für unser Heilbronn“ wollte Stimme der Migranten sein, hat aber enttäuschend abgeschnitten. Für Sie eher ein gutes Zeichen, dass sich die Bevölkerung mit Migrationshintergrund doch nicht so abgehängt fühlt?
Mergel: Ich denke, dass ein Gemeinderat einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden muss, und da stehen wir noch ziemlich am Anfang. Auch bei den Grünen hat es ein Kandidat mit Zuwanderungshintergrund geschafft.
Allerdings hat die Migrantenliste aggressiv plakatiert, behauptet, 77.000 Heilbronner hätten keine Stimme.
Mergel: Ich glaube, Gemeinsam für unser Heilbronn hat unterschätzt, dass auch die Gruppe der Zugewanderten sehr heterogen ist, dass das als Merkmal nicht ausreicht, um die Identifikation mit einer solchen Liste zu schaffen. Ich gehe aber davon aus, dass es auch bei den anderen Parteien und Gruppierungen in Zukunft mehr Kandidatinnen und Kandidaten mit Zuwanderungsgeschichte geben wird.
Die Satirepartei ist jetzt ebenfalls im Rat vertreten – wird es lustiger in den Sitzungen?
Mergel: Auch bisher gab es hin und wieder humorvolle Momente im Gemeinderat. Aber ich biete auch dem Vertreter dieser Partei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit an und bin gespannt.
Die AfD hat die Wahl gewonnen, hat jetzt sechs Sitze. Erwarten Sie, dass die Fraktion fordernder und selbstbewusster auftritt?
Mergel: Die AfD hat jetzt sechs der 40 Sitze. Dadurch ändert sich voraussichtlich erst einmal wenig. Ich hoffe, dass sie konstruktiv am kommunalpolitischen Entscheidungsprozess mitarbeitet.
Gewonnen hat auch die CDU, die sehr auf Sicherheitsthemen gesetzt hat. Hat sie damit den Finger in die Wunde gelegt?
Mergel: Wir tun schon immer enorm viel, um die Polizei dabei zu unterstützen, Sicherheit zu gewährleisten - auch und gerade in der Innenstadt. Ich gehe davon aus, dass das Thema innere Sicherheit auch bei der anstehenden Bundestagswahl und den Landtagswahlen eine große Rolle spielen wird. Insbesondere dort gehört es auch hin.