Geschlagen, bedroht, gedemütigt: Heilbronner Verein rettet Frauen aus Beziehungshölle
Der Verein Frauen helfen Frauen unterstützt bei Lebenskrisen und Unterdrückung. Dank guter Vernetzung schaffen viele Frauen einen Neustart im Leben.
Manchmal braucht es eine Veränderung der Routine. Als Impuls, um aus der qualvollen Abwärtsspirale zu entkommen: Sabine Ott (Name geändert) ist 50 Jahre alt. Die Kinder sind volljährig, von zu Hause ausgezogen, gehen ihre eigenen Wege. Da endlich fasst die zweifache Mutter den Mut und offenbart sich den Mitgliedern des Vereins Frauen helfen Frauen in Heilbronn.
Jahrzehntelang leidet sie schon unter ihrem Ehemann. Er verbietet ihr den Umgang mit Freunden, beleidigt und demütigt sie, kontrolliert streng die Einkäufe, überlässt ihr kein Geld zur freien Verfügung – und immer wieder schlägt er zu. Sabine Ott erträgt alles. Für die Kinder. Und, um nach außen das Bild der heilen Familie zu wahren, die sie sich so sehr wünscht, die sie jedoch nie gehabt hat.
Heilbronner Verein Frauen helfen Frauen unterstützt in der Not
„Die Hintergründe der Frauen, die sich bei uns melden, sind vielfältig“, berichtet Ulrike Allinger. Sie ist bei Frauen helfen Frauen Verwaltungsmitarbeiterin. „Einige der Frauen sind nicht mehr jung und entschließen sich, nach dem Wegzug der Kinder, endlich die Fassade aufzubrechen und der enorm belastenden Beziehung den Rücken zu kehren.“

Beim Verein Frauen helfen Frauen nehmen die Engagierten die Anliegen der Kontaktsuchenden ernst und erarbeiten gemeinsam Lösungsmöglichkeiten. Wie akut ist die Bedrohung für die Frau? Gibt es Chancen, bei Freunden oder Verwandten unterzukommen? Ist es für die Betroffene sinnvoll, die Polizei einzuschalten?
Mehr als 800 Beratungen pro Jahr bei Frauen helfen Frauen in Heilbronn
Die sieben Angestellten und rund 50 Mitglieder von Frauen helfen Frauen in Heilbronn sind gut vernetzt und vermitteln bei Bedarf auch an andere soziale Einrichtungen wie Pfiffigunde oder Pro Familia. Bis Ende Oktober dieses Jahres führten die Engagierten bei Frauen helfen Frauen 90 persönliche Beratungsgespräche, in knapp 700 Telefonaten gab es rein akustischen Rückhalt. Immer kostenfrei und vertraulich. Die Finanzierung erfolgt über Mittel der Stadt, des Landkreises, des Landes sowie über Spenden.
Mitarbeiterin und Sozialpädagogin Nora Schreyer betont: „Gewalt hat viele unterschiedliche Ausprägungen und geht über das Körperliche hinaus. Wenn Frauen sagen, dass sie den Mann verlassen möchten, er aber seinerseits droht, sich umzubringen, wenn die Frau geht, erzeugt das einen enormen Druck, der die Frau in ihrer Lebensgestaltung enorm einschränkt.“
Raum Heilbronn: Mehr Menschen bedeutet auch mehr Gewalt
Allinger und Schreyer haben beobachtet, dass mehr Gewaltfälle gegenüber Frauen im Raum Heilbronn zutage treten. Allinger: „Das muss jedoch nicht unbedingt bedeuteten, dass die durchschnittliche Frau mehr Gewalt erfährt. Vielmehr leben in Heilbronn mehr Menschen als noch vor einigen Jahren. Und durch Aufklärungsarbeit trauen sich immer mehr Frauen, Hilfe zu suchen.“
Nora Schreyer betont, dass die Gewalt gegenüber Frauen in Familien in ihrer Dimension weit über das Einzelschicksal der betroffenen Partnerin hinausweist und weitreichende Folgen hat. „Gewalt gegenüber Frauen ist auch immer Gewalt gegenüber den Kindern. Diese leiden mit – und erlernen falsche Problemlösungsstrategien.“ Wenn Kinder am Vater beobachten, dass man seinen Willen mit Unterdrückung durchsetzt, besteht die Gefahr, selbst zu Tätern zu werden.
Frauenhaus als Rückzugsort bei akuter Bedrohung
Sofern die betroffenen Frauen nicht in ihrem Umfeld unterkommen können, besteht die Möglichkeit, ins Frauenhaus des Vereins einzuziehen. Dort können sie anonym leben und in Zusammenarbeit mit den Helferinnen ihr Leben neu ausrichten. Schreyer: „Das Frauenhaus ist jedoch kein Heim. Süchtige oder psychisch enorm instabile Frauen können wir nicht aufnehmen.“
Es sei schön zu sehen, wie die Frauen, wenn sie sich aus der schädlichen Umgebung gelöst haben, neu aufblühen. Ulrike Allinger: „Wir haben im Frauenhaus eine junge Frau aus dem Kosovo aufgenommen, die unterdrückt wurde. Sie kam schüchtern zu uns. Im Frauenhaus hat sie Deutsch gelernt, an Selbstbewusstsein gewonnen und nun eine Ausbildung begonnen. Immer wieder sagen Frauen, dass sie viel früher den Kontakt zu uns hätten aufnehmen sollen.“
Verein Menschen in Not unterstützt Frauen helfen Frauen
Der Verein Menschen in Not unterstützt die Arbeit von Frauen helfen Frauen mit einem Teil der generierten Spendengelder. Allinger erklärt: „Diese Unterstützung verwenden wir zum Beispiel, um den Frauen bei akuter Bedrohung das Taxi zu bezahlen, um ins Frauenhaus zu kommen.“ Darüber hinaus dient das Geld dazu, kranken Frauenhaus-Bewohnerinnen ihre Medikamente zu bezahlen oder Therapiestunden zu finanzieren. Darüber hinaus decken die Menschen-in-Not-Mittel auch juristische Erstberatungen ab.“
Nora Schreyer betont: „In den Fällen, die wir betreuen, übt der Mann die Gewalt aus, aber die Frau muss gehen, sich um alles kümmern und sich ein neues Leben aufbauen. Das ist wie eine ungerechte Schuldumkehr.“
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