Unbeteiligter bei A6-Flucht umgekommen: Lebenslange Haft für Geldautomaten-Sprenger?
Sie sprengten einen Geldautomaten in Wiernsheim, verursachten dann einen tödlichen Unfall auf der A6 bei Heilbronn-Biberach: Am Donnerstag wurden im Prozess die Plädoyers gehalten.
Mit mehr als 200 Stundenkilometer ist der Fahrer im November 2023 mit einem hochmotorisierten VW Golf 8R als Falschfahrer auf der A6 in Bad Rappenau unterwegs. Auf Höhe von Heilbronn-Biberach prallt er frontal in einen Kleintransporter, dessen Beifahrer Tage später an seinen Verletzungen stirbt. Der Hergang ist weitestgehend unstrittig, die Angeklagten räumen das auch ein.
Heute haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Karlsruhe gehalten. Auf seiner Flucht nach der Sprengung eines Geldautomaten in Wiernsheim (Enzkreis) rast der 30-Jährige zuvor mit bis zu 188 Stundenkilometer durch Gemeinden im Kraichgau und fährt in Sinsheim-Steinsfurt entgegen der Fahrtrichtung auf die A6 auf. Mit im Auto der 21- und der 22-jährige Mittäter. Beide flüchten bei einem Stopp am Parkplatz Bauernwald aus dem Auto, werden kurz danach festgenommen. Der 30-Jährige setzt seine Flucht fort.
Plädoyers im Prozess gegen Geldautomatensprenger aus Wiernsheim
Johannes Jungmann von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Außenstelle Pforzheim, spricht in seinem Plädoyer von erheblichen Gefahren, die vom Fahrer ausgingen. Der habe billigend in Kauf genommen, dass bei einem Unfall andere Verkehrsteilnehmer erheblich verletzt oder getötet werden können. "Es war ihm gleichgültig."
Für die Sprengung der Geldautomaten hätten unbekannte Hintermänner die drei Männer angeworben. Die Täter seien professionell vorgegangen, das hochmotorisierte Fluchtfahrzeug sei zuvor an anderen Orten aufgetaucht. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten geplant hatten, weitere Taten zu begehen. Dass der Fahrer aus Versehen entgegen der Fahrtrichtung unterwegs gewesen sei, wie zu Prozessbeginn behautet, davon könne keine Rede sein. "Das ist eine Schutzbehauptung, sie ist unglaubhaft."
Beute aus gesprengtem Geldautomaten knapp 42.000 Euro
Während des Prozesses lächeln die drei angeklagten Niederländer mit marokkanischen Wurzeln in Richtung der Zuschauer, winken zaghaft. Dort verfolgen ihre Angehörigen den Prozess. Rechtsanwalt Kristian Frank vertritt einen der Automatensprenger. Er wertet das Vorgehen seines Mandanten als nicht ganz so professionell. Dagegen spreche die geringe Tatbeute von knapp 42.000 Euro. Nach der Sprengung habe sein Mandant nichts anderes gemacht, als sich in ein Auto zu setzen. "Das ist ein normaler Vorgang." An der tödlichen Fahrt sei er nicht mehr beteiligt gewesen. Außerdem habe er gleich am ersten Verhandlungstag Angaben zur Tat gemacht.
Ähnlich argumentiert Christoph Pawlowski, Anwalt des zweiten Automatensprengers. Geldautomaten mit einem Stemmeisen aufbrechen und Sprengstoff reinstecken sei keine Wissenschaft, das könne von einem Hilfsarbeiter durchgeführt werden. "Dafür muss man kein Profi sein." Sein Mandant sei nicht vorbestraft, die U-Haft habe ihm zugesetzt, er sei hier in Deutschland Ausländer und sei fernab der Familie. Dass Automaten in Deutschland überhaupt gesprengt werden können, liege auch an der Untätigkeit der Banken, die die Automaten nicht ausreichend vor einer solchen Tat präparierten.
Tödlicher Unfall bei Heilbronn: So lautet die Verteidigung der Geldautomatensprenger
Fehlende Ortskenntnisse, die Dunkelheit, Hektik. All das habe dazu geführt, dass ihr Mandant am Parkplatz Bauernwald die Flucht weiter in entgegengesetzter Fahrtrichtung fortgeführt habe, erklärt Rechtsanwältin Elisabeth Unger-Schnell. Dort wartete bereits die Polizei. Mehrere Schüsse haben die Beamten abgegeben, nachdem die beiden jüngeren Täter geflüchtet waren. "Mein Mandant geriet in Panik. Er hatte Todesangst."
Deshalb sei er weiter entgegen der Fahrtrichtung gefahren. Den Tod anderer Verkehrsteilnehmer habe er nicht billigend in Kauf genommen, argumentiert sie. Er sei bei dem Frontalzusammenstoß selbst lebensgefährlich verletzt worden. An der Automatensprengung sei er nicht beteiligt gewesen.
Haft für Geldautomatensprenger? Urteil am Freitag erwartet
Staatsanwalt Jungmann fordert vier Jahre, zehn Monate sowie vier Jahre und acht Monate Haft wegen schweren Bandendiebstahls und schwerer Sprengstoffexplosion für die beiden Automatensprenger. Für den Fahrer, der den tödlichen Unfall verursachte, fordert er eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Die Verteidiger der Automatensprenger fordern drei Jahre Haft. Unger-Schnell, die den Fahrer vertritt, fordert wegen fahrlässiger Tötung eine Zeitstrafe statt lebenslänglich. Am Freitag spricht der Vorsitzende Richter Fernando Sanchez-Hermosilla das Urteil.

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