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Schwimmen als demokratische Errungenschaft

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Erst mit der Weimarer Republik dürfen Frauen ins Wasser, ohne sich zu verstecken oder zu verhüllen.

Historiker Sebastian Dörfler mit einem DLRG-Plakat aus den 1970er-Jahren, das in der Ausstellung zu sehen sein wird.
Historiker Sebastian Dörfler mit einem DLRG-Plakat aus den 1970er-Jahren, das in der Ausstellung zu sehen sein wird.  Foto: nicht angegeben

Unter freiem Himmel gebadet haben die Menschen schon immer, zunächst diente das Bad in Fluss oder See aber vor allem der Reinigung und weniger der körperlichen Ertüchtigung. Mit der Industrialisierung erlebten Bäder dann einen Boom: Arbeiter sollten sich regelmäßig waschen, um so Krankheiten zu vermeiden und arbeitsfähig zu bleiben.

Die meisten Deutschen mussten zu Hause bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ohne Dusche oder fest installierte Wanne auskommen. Also wurden öffentliche Bäder gebaut, das Lorettobad in Freiburg aus dem Jahr 1842 gilt als erstes Freibad in Deutschland, in Magdeburg eröffnete 1860 eine öffentliche Badeanstalt mit Schwimmbecken.


Gebadet wird getrennt nach Geschlechtern 

Bis in die Zeit der Weimarer Republik galt eine strikte Geschlechtertrennung beim öffentlichen Baden: Herren hier, Damen dort, entweder gab es dafür getrennte Becken wie etwa im Herschelbad in Mannheim oder die Trennung wurde durch zeitlich unterteilte Badezeiten gewahrt, erzählt der Historiker Sebastian Dörfler. Am Meer badeten die Damen oft in hölzernen Badekarren, in Flussfreibädern, wie entlang des Neckars, hinter Zäunen, geschützt vor den Blicken der Außenwelt.

Freikörperkultur kommt mit Ende des Kaiserreichs 

Die Moralvorstellungen dieser Zeit sahen zudem Badekostüme für Frauen vor, die den Körper verhüllen sollten. Vollgesogen war diese Badekleidung schwer und sorgte dafür, dass Frauen immer wieder aus dem Wasser gerettet werden mussten. Männer badeten derweil im 19. Jahrhundert in ihren Bereichen meist nackt oder in Unterwäsche, zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden dann einteilige Badeanzüge modern, ab den 1920er-Jahren wurde die Badebekleidung für Männer immer knapper und endete schließlich in der Dreiecksbadehose, während der erste Zweiteiler für Frauen in derselben Zeit aus Pumphose und hemdartigem Oberteil bestand, den Trend setzten die USA.


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Nach Ende des Kaiserreichs entstand eine Freikörperkultur als Vorgriff auf den Körperkult der Nazis. Braun und durchtrainiert wurde zum neuen Schönheitsideal. Mit der Demokratisierung in der Weimarer Republik wurde das Schwimmen dann ebenfalls demokratischer, auch Frauen durften fortan mitschwimmen, statt sich zu verstecken.

Die Ausstellung „Freischwimmen. Gemeinsam?!“ im Haus der Geschichte in Stuttgart öffnet am 13. Dezember 2024. Kurator ist Dr. Sebastian Dörfler, der Historiker lebt in Nordheim.

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