Schockanrufe, Enkeltrick, falsche Polizisten: Heilbronner Experte erklärt häufige Betrugsmaschen
Ein angeblicher Enkel oder Polizist ruft an und fordert Geld: Bei solchen Betrügereien werden Senioren um ihr Vermögen gebracht. Ein Heilbronner Experte gibt Tipps, wie man die Betrugsmaschen erkennt.
Immer wieder werden Senioren Ziel sogenannter Schockanrufe und Enkeltricks. Etwa im April, als ein Betrüger sich am Telefon als Neffe einer Eppingerin ausgibt, eine Notlage vorgaukelt und Schmuck im Wert von 17.000 Euro erbeutet.
In zwei Fällen in Pfedelbach und Brackenheim gingen die Betrüger noch dreister vor. Wie der „SWR“ berichtet, standen die Täter in falschen Polizeiuniformen vor der Haustür und forderten Geld. Im Pfedelbacher Fall soll der Sohn der 86-Jährigen angeblich einen Unfall verursacht haben – die Frau übergibt den Betrügern letztlich Geld und Schmuck im Wert von 23.000 Euro. Ähnliche Fälle gibt es hundertfach, nahezu wöchentlich.
Enkeltrick, Schockanrufe, falsche Polizisten: Das sind die Maschen der Betrüger
Wolfgang Arndt überrascht das nicht. Der 77-Jährige Heilbronner ist Vorsitzender des Vereins „Senioren für Andere“. Zusammen mit der Heilbronner Polizei klärt er seit vielen Jahren Senioren über das Thema auf, eine Herzensangelegenheit, wie er sagt. „Alle Betrügereien sind schlimm. Aber beim Enkeltrick werden Menschen um Geld gebracht, die eigentlich gar nichts übrig haben.“ Dazu komme, dass die Senioren in gutem Glauben handeln, ihren Angehörigen zu helfen.
Die Maschen der Betrüger kennt Wolfgang Arndt alle. Häufig sind folgende:
- Der Schockanruf: Die Täter rufen mit einer weinerlichen Stimme an und geben vor, ein Verwandter des Opfers zu sein (Neffe, Schwiegertochter, Tochter, Sohn). Die Person behauptet meist, sie habe einen tödlichen Unfall verursacht. Ein weiterer Täter kommt dazu, gibt sich als Polizist oder Staatsanwalt aus und droht: Wenn nicht sofort eine Kaution gezahlt wird, muss der angebliche Verwandte ins Gefängnis. „Das klingt banal, aber die Anrufer sind so gut geschult, dass sie das überzeugend rüberbringen“, erklärt Wolfgang Arndt. Ein Sprecher des Heilbronner Polizeipräsidiums erklärt auf Stimme-Anfrage, dass das die häufigste Betrugsform ist.
- Die Not-Operation: Am Telefon behaupten die Betrüger, ein Verwandter des Opfers sei im Krankenhaus und müsse sofort operiert werden – die Not-Operation könne aber erst stattfinden, wenn das Opfer bezahlt. „Jeder weiß eigentlich, dass das nicht stimmen kann“, sagt Arndt. „In Deutschland muss man eine solche OP nicht im Voraus bezahlen.“
- Der falsche Polizist: Bei dieser Masche geben sich die Betrüger am Telefon als Polizeibeamte aus. Sie behaupten, es habe einen Einbruch in der Nachbarschaft gegeben. Die Adresse des Opfers sei dabei gefunden worden und derjenige könne das Ziel des nächsten Einbruchs sein. Anschließend drängen die Betrüger das Opfer dazu, Wertsachen in eine Tüte zu verpacken und vor die Tür zu stellen. Angeblich komme die Polizei vorbei und verwahre die Sachen, bis der Täter geschnappt ist. Der Polizeisprecher betont dazu: „Die Polizei fordert weder Bargeld, Schmuck noch Gold zur ,sicheren Verwahrung’ oder als angebliches Beweismaterial – solche Forderungen sind immer ein Hinweis auf Betrug.“

Experte aus Heilbronn erklärt, warum Trickbetrüger immer wieder erfolgreich sind
„Natürlich gibt es von diesen Maschen unendlich viele Varianten“, sagt Arndt. Bekannt seien auch Betrüger, die vor der Haustür stehen und sich als Polizisten in zivil ausgeben, mitsamt gefälschtem Ausweis. Dass die Täter in falschen Polizeiuniformen vor der Tür stehen, passiert in der Region laut dem Heilbronner Polizeisprecher „äußerst selten“. Der Fall in Brackenheim sei in diesem Jahr der einzige bekannte dieser Art.
Warum die Tricks funktionieren, erklärt Sicherheitsberater Arndt so: „Es geht immer darum, dem Opfer einen Schreck einzujagen. In diesem Schockzustand handeln wir nicht mehr rational.“ Noch dazu würden die Betrüger extrem geschickt vorgehen, oft mit jahrelanger Erfahrung. „Das sind keine Einzeltäter, sondern richtige Callcenter.“ Häufiger werde er gefragt, ob die Stimmen der Verwandten mit Künstlicher Intelligenz nachgeahmt werden. „Das braucht es gar nicht.“
Nicht alleine handeln, wenn angebliche Enkel oder Polizisten Geld fordern
Nur wie können sich Senioren vor solchen Betrugsmaschen schützen? Sicherheitsberater Arndt hat dafür eine Faustregel: „Handeln Sie nicht alleine. Wenn jemand Geld will, halten Sie immer Rücksprache mit einer Vertrauensperson – Partner, Kinder, Freunde, Nachbarn.“
Bei Anrufen versuchen die Täter oft, ihrem Opfer einen Namen zu entlocken. „Viele ältere Menschen sind einsam, freuen sich über den Anruf und dann kommt die Frage: Rate mal, wer ich bin. Sobald man einen Namen wie „Susanne“ nennt, wird der Täter am Ende der Leitung gedanklich schon zur Susanne und die Barrieren, die man eigentlich im Kopf hat, fallen weg.“
Erfundene Namen helfen, Betrüger am Telefon zu entlarven
Deshalb empfiehlt Arndt, sich jeweils einen Männer- und einen Frauennamen zu merken, der in der Verwandtschaft garantiert nicht vorkommt. „Wenn der Anrufer dann behauptet, diese erfundene Person zu sein, wissen Sie, dass es ein Betrug ist.“ Generell gelte es immer, das Gespräch im Zweifel zu beenden und aufzulegen.
Dasselbe rät Arndt, wenn angebliche Polizisten vor der Tür stehen. „Sagen Sie im Zweifel: ,Einen Moment bitte’, schließen Sie die Tür und rufen Sie bei der örtlichen Polizeidienststelle an.“ Diese Nummer sollte man sich in der Nähe des Telefons notieren. „Sie dürfen in diesem Fall aber auch immer die 110 anrufen.“
Zudem sollte man die Fremden niemals in die Wohnung lassen, erklärt der Polizeisprecher. „Niemand muss sich dafür schämen, misstrauisch zu sein.“ Ein Anruf bei der örtlichen Polizeidienststelle sei zudem besser, als sich einen Dienstausweis zeigen zu lassen – diese können gefälscht sein, ohne dass Laien das einfach erkennen können. „Ein echter Polizeibeamter wird dafür Verständnis haben und sich geduldig ausweisen und überprüfen lassen.“
Betrüger in der Region Heilbronn unterwegs: Warum man immer zur Polizei gehen sollte
Menschen, die auf die Maschen der Betrüger hereingefallen sind, würden den Vorfall oft verschweigen, weiß Arndt. „Ich kann nur appellieren, sich nicht zu schämen, sondern zur Polizei zu gehen, in der Hoffnung, dass weitere Fälle verhindert werden.“ Es helfe der Polizei, wenn sie weiß, dass solche Betrüger in der Region unterwegs sind.
Die Chance, dass man sein Geld zurückbekommt, sei allerdings gering. Deshalb sei es umso wichtiger, über alle Betrugsmaschen Bescheid zu wissen und Freunde sowie Bekannte zu sensibilisieren, betont Arndt.

Stimme.de