Im Blauen Turm: Blanca Knodel lebt über den Dächern von Bad Wimpfen
Blanca Knodel begrüßt Gäste im Blauen Turm. Die erste und einzige Türmerin Deutschlands lebt im Wahrzeichen von Bad Wimpfen. In ihren 29 Jahren dort hat sie einiges erlebt.
Seit 29 Jahren wohnt Blanca Knodel in der 53 Quadratmeter großen Wohnung im Blauen Turm in Bad Wimpfen. Das Wahrzeichen der Stadt misst vom Boden bis zur Spitze knapp 59 Meter. 134 Treppenstufen muss die Türmerin steigen, um in ihre Wohnung in rund 25 Metern Höhe zu gelangen. Einen Aufzug sucht man vergebens.
Ihre Einkäufe holt Blanca Knodel mit einem kurbelbetriebenen Lastenaufzug in die Wohnung und bittet Besucher, diese ihr zuvor in den dritten Stock zu tragen. „Das klappt immer wunderbar“, freut sich die 74-Jährige.
Wohnen im Blauen Turm in Bad Wimpfen: Blanca Knodel ist erste und einzige Türmerin
Insgesamt ist sie die 32. Türmerin des Blauen Turms und die erste und einzige Frau in Deutschland in dieser Funktion. Die Tradition geht zurück bis ins 14. Jahrhundert. Damals hatten die Türmer die Aufgabe, vor herannahenden Gefahren zu warnen. Aufgrund der Höhe hatten sie einen guten Blick über die Stadt und konnten fremde Truppen, aber auch Brände leicht erkennen und Alarm schlagen. Dafür benutzten sie oft Hörner, Glocken oder Signalflaggen. Auch die Uhrzeit haben Türmer von der Turmspitze verkündet.
Das alles ist nicht mehr Teil der Aufgaben von Blanca Knodel. Sie lebt das ganze Jahr über auf dem Turm und verwaltet die Mautstelle. Besucher zahlen einen Eintritt von drei Euro, damit sie die Aussichtsplattform entlang des Dachs besuchen dürfen, um über Neckartal, Weinsberger Tal, Unterland und das Jagsttal zu blicken.
Für ihre Arbeit wohnt sie mietfrei in der Wohnung und darf einen Anteil der Einnahmen behalten. „Ich bin finanziell unabhängig vom Turm“, erzählt die 74-Jährige. Nur mit diesen Einnahmen könnte sie ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren.
Türmerwohnung im Blauen Turm: Blanca Knodel hat Wohnung selbst eingerichtet
„Als ich 1996 hier eingezogen bin, gab es nur weiße Wände“, denkt Knodel zurück. Sie habe dann in Eigenregie die Wohnung nach ihren Wünschen umgestaltet, auch so, dass ihre drei Kinder dort ihre Rückzugsorte hatten. Für zehn Jahre haben sie im Wahrzeichen zu viert gelebt, bevor die Kinder nach und nach ausgezogen sind. Alleine ist sie dennoch nicht. Oft besuchen sie Freunde, die mit ihr an ihrem „Stammtisch“ sitzen. „Da trinken wir dann ein Viertele.“
Die Bad Wimpfenerin war vor ihrer Karriere als Türmerin Wirtin in der Gaststube „Kräuterweible“, ist mit der Gastronomie groß geworden. „Deshalb habe ich ja auch alles da an Getränken“, sagt sie. Das hat auch zu einer ihrer schönsten Begegnungen geführt.
Ein älterer Herr habe bei ihr geklingelt und gemeint, er sei mit 95 Jahren bestimmt der älteste Gast auf dem Turm. Daraufhin habe sie ihn in die Wohnung eingeladen, auf ein Glas Turmsekt – den es nur bei ihr gibt. Ein Viertel Trollinger-Lemberger wäre mir lieber, habe der Mann damals zu ihr gesagt. Gemeinsam hätten sie dann am Tisch gesessen und getrunken. „Und er hat mich dann bis zu seinem Tod mit 98 Jahren so alle sechs Wochen angerufen und erzählt, er könne mich gar nicht vergessen“, schildert die Türmerin die Geschichte, die ihr zu Herzen gegangen sei.
Brand im Blauen Turm: Betondecke und Blitzableiter sollen Türmerwohnung schützen
Sie habe unzählige schöne Erlebnisse mit Menschen aus allen Herren Ländern gehabt. 2017 musste sie allerdings für fünf Jahre ihre Berufung unterbrechen und ins „Exil“ ziehen. Denn 1984 führte ein Blitzschlag zum letzten großen Brand des Turms. Immer wieder hatte dieser auch schon in der Vergangenheit mit Bränden zu kämpfen. Dabei brannte der Turm mehrmals vollständig aus.
Damit das Wahrzeichen in Zukunft besser vor den Naturereignissen geschützt ist, wurde eine Betondecke oberhalb der Türmerwohnung eingezogen und die Spitze mit modernen Blitzableitern versehen. Gleichzeitig wurde die Fassade saniert und Risse im Mauerwerk geschlossen.
Angst, dass es wieder brennt, hat Blanca Knodel nicht. „Ich wäre nie auf den Turm gezogen mit drei Kindern, wenn ich Angst gehabt hätte. Statistisch gesehen brennt der alle 150 Jahre, da habe ich ja jetzt noch Zeit“, sagt sie mit einem Schmunzeln.
„Schönste Altstadt Deutschlands“: Blauer Turm in Bad Wimpfen immer mehr besucht
Sie hofft, dass sie noch lange in der Wohnung bleiben kann, macht aber altersbedingt schon etwas langsamer. Deshalb öffnet sie den Turm nur noch vier, statt ursprünglich sechs Tage, „ansonsten schaffe ich alles nicht mehr“. Auch mit verkürzten Öffnungszeiten hat die Türmerin aber noch alle Hände voll zu tun. Denn mit der Auszeichnung „Schönste Altstadt Deutschlands“ hat Bad Wimpfen nochmal an Besuchern dazugewonnen, die alle auch das Wahrzeichen besichtigen möchten.
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