Historische Altstadt
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Schicksalsnacht in Bad Wimpfen: Als der Blitz den Blauen Turm in Brand setzte

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Es war eine Schicksalsnacht für Bad Wimpfen: Vor rund 40 Jahren, am 17. Mai 1984, hat der Blaue Turm in der Altstadt von Bad Wimpfen lichterloh gebrannt. Es war 23.48 Uhr, als der Blitz seitlich, vom Neckar her kommend, einschlug.

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Beim Brand des Blauen Turms 1984 brennt der Turmhelm lichterloh.
Fotos: Ulrike Plapp-Schirmer/ Archiv: Friedrich, Eisenmenger
Beim Brand des Blauen Turms 1984 brennt der Turmhelm lichterloh. Fotos: Ulrike Plapp-Schirmer/ Archiv: Friedrich, Eisenmenger  Foto: nicht angegeben

Es ist 23.48 Uhr, als in Bad Wimpfen der Blitz in den Blauen Turm einschlägt und den Helm samt Türmerwohnung in Brand setzt. Heute gilt die historische Altstadt als die schönste Deutschlands. Doch in der Nacht des 17. Mai 1984 zog ein Gewitter auf. 


Donnergrollen in der Ferne: Otto Maisenhälder, der damalige Vorsitzende des Vereins Alt Wimpfen, beeilt sich, nach Hause zu kommen. Von der Garage in die Wohnung wird er schon nass. Er macht sich Gedanken, ob sein Dach dicht ist, weil er erst wenige Tage zuvor festgestellt hat, dass die Verwahrung seiner Fernsehantenne zwischen den Ziegeln brüchig geworden war. 

Maisenhälder wird zu einem wichtigen Augenzeugen, denn in dem Moment, in dem er aus dem Dachfenster schaut, sieht er ihn.

In der historischen Altstadt: Wahrzeichen der Stadt Bad Wimpfen

"Der Blitz kam nicht von oben und zeigte sich auch nicht als langgezogene Zackenlinie, wie sie üblicherweise bei Gewittern zu sehen ist", schreibt er in Band 4 der historischen Reihe "Regia Wimpina - Beiträge zur Wimpfener Geschichte": "Vielmehr kam er seitlich, fast aus nördlicher Richtung über den Neckar und sah aus wie ein zusammengeschobener Scherenarm, bei dem die Zacken ganz nahe beieinander liegen."

Dem Einschlag in die Turmspitze folgt ein Feuerstrahl, der seitlich am Turmdach herunter läuft. Laut Otto Maisenhälder sprüht es Funken "wie bei einer Feuerwerksrakete". Die Heilbronner Stimme spricht in ihrer ausführlichen Berichterstattung vom 19. Mai 1984 vom "Brand des Jahrhunderts".

Der damalige Türmer Heinz Münchow steht um 23.48 Uhr in 28 Metern Höhe in seinem Wohnzimmer, als der Blitz einschlägt. Er hört "einen infernalischen Knall". Danach ist es dunkel, die Sicherungen sind durchgebrannt.

Türmerfamilie Münchow bangt um ihr Leben

"Unser ältester Sohn Torsten kam plötzlich aus seinem Schlafzimmer", erzählt er tags darauf dem damaligen Stimme-Redakteur Hans-Joachim Godel. "Da oben brennt"s", schreit das Kind. Erfolglos hat es versucht, mit Feuerlöscher und der Bettdecke von Schwester Birthe den Brand zu löschen.

Die Familie rafft schließlich zusammen, was geht. Dann heißt es: "Nichts wie runter!" Heinz und Vera Münchow stürmen zusammen mit ihren drei Kindern los. Die Holztreppe hat 159 Stufen. Doch sie kommen nicht raus, der Eingang ist verschlossen.

Torsten schlägt die Scheibe am Tor ein, verletzt sich an der Hand und schreit um Hilfe. Sein Bruder rennt noch einmal hoch, um den Schlüssel zu holen. Die Situation ist lebensbedrohend - doch die Flucht gelingt in allerletzter Minute.

Feuerwehrmänner gehen an ihre Grenzen

Zwischenzeitlich ist die Feuerwehr eingetroffen und kümmert sich zunächst um die Sicherung der über zwölf Tonnen schweren Sturm- und Feuerglocke, die im Inneren des Turmes laut Feuerwehrbericht "auf die Decke über der ersten Wohnungsebene" gestürzt war. "Glücklicherweise wurde niemand verletzt", vermerkt Kommandant Reinhold Korb später.

Fast 100 Feuerwehrleute aus Bad Wimpfen, Bad Rappenau, Neckarsulm, Heilbronn und von der Werksfeuerwehr der damaligen Kali-Chemie sind im Einsatz. Stundenlang kämpfen sie gegen die Flammen. Korbs Feuerwehrbericht aus dieser Nacht ist ebenfalls im Sonderheft 4 der Reihe "Regia Wimpina" nachzulesen.

Jetzt geht es nicht nur um die Rettung des Dachgeschosses, in dem sich die Türmerwohnung befindet. Jetzt geht es auch um die Frage, wo der 14 Meter hohe Turmhelm hinfallen wird. Die direkten Anwohner, deren Häuser teilweise nur zwei, drei Meter vom Blauen Turm entfernt stehen, bekommen Angst. Sie werden evakuiert oder müssen innerhalb ihres Haues in weitere hinten gelegene Räume ausweichen.

Bange Frage: Wo fällt der brennende Turmhelm hin?

 Foto: nicht angegeben

Kurz nach 1 Uhr bricht die glühende Spitze tatsächlich ab - und fällt auf die richtige Seite: auf den Parkplatz zwischen Rathaus und Turm.

"Es war wie eine Bombenexplosion", sagt Reinhold Korb zu Stimme-Redakteur Godel. Im Feuerwehrbericht heißt es dann: "Der brennende Hauptturm stürzte teilweise ins Gebäudeinnere und teilweise auf die Freifläche des hinteren Rathausplatzes. Mit mehreren Rohren wurden die durch Funkenflug und herabstürzendes, brennendes Dachtragewerk gefährdeten Nachbargebäude geschützt."

Aufatmen bei allen Beteiligten. Gegen 2 Uhr haben die Feuerwehren den Brand im Griff, gegen 5 Uhr sind die letzten Flammen erstickt. Ein Feuerwehrmann muss mit einem Schulterblattbruch ins Krankenhaus. Andere werden leicht verletzt. Doch keiner stirbt in dieser Schicksalsnacht. Auf über eine Million Mark wird der Schaden geschätzt. Bei Sonnenaufgang bietet sich den Wimpfenern ein trauriges Bild. Das Wahrzeichen der Stadt, erst in den 70er-Jahren restauriert, ist zerstört.

Stadtarchivar Haberhauer dokumentiert das Geschehen

Günther Haberhauer beobachtet den Brand von der Salzgasse aus. 40 Jahre später erzählt der Stadtarchivar von den bewegenden Gesprächen, die er in der Folge geführt hat. Für das Sonderheft zum Blauen Turm, das der Verein Alt Bad Wimpfen 1985 herausgibt, ist er redaktionell verantwortlich.

Es ist eine Schicksalsnacht für den im 12. Jahrhundert errichteten Bergfried. Nach 1674 und 1848 ist es der dritte und schwerste Brand. Der 2015 verstorbene, ehemalige Heilbronner Landrat Klaus Czernuska ist damals noch Bürgermeister der Stauferstadt. "Es tut uns allen weh, was hier geschehen ist", zitiert ihn die Heilbronner Stimme am 19. Mai 1984.

Sofort ist klar, dass der Turm wieder aufgebaut wird. Das Landesdenkmalamt und der damalige Landrat Otto Widmaier sagen sofort ihre Unterstützung zu. "Uns war schnell klar, dass was geschehen muss", sagt Günther Haberhauer auch mit Blick auf die Bewirtschaftung und personelle Besetzung des Wahrzeichens. Nach zehn Jahren als Türmer kehrt Heinz Münchow nicht mehr auf den Blauen Turm zurück. Der nächste Hochwächter heißt Silvio Zercher. Er ist der Vorgänger von Blanca Knodel, der aktuellen Türmerin und einzigen Frau in Deutschland, die so hoch oben ihren Dienst verrichtet.

 
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