Aus dem Setzkasten zeitgenössischer Tanzkunst: Die Compagnie GN I MC aus Barcelona beim Festival "Tanz! Heilbronn"
Die Compagnie GN I MC reißt mit "Set of Sets" das Publikum bei "Tanz! Heilbronn" im Komödienhaus aus den Sitzen. Ein schier endloser und akrobatischer Bewegungsfluss zur Livemusik mit Schlagwerker Miguel Marín.

Minutenlang durchschreiten Tänzer den Raum. Durchmessen in nachgerade sakraler Stille die Bühne, als wollte sich die Compagnie GN I MC einstimmen auf das, was das begeisterungsfähige Heilbronner Tanzpublikum in der kommenden Stunde komplett entflammen wird - bis die Zuschauer die Truppe aus Barcelona im Komödienhaus mit Ovationen feiern beim Festival "Tanz! Heilbronn".
Die Initialen GN und MC stehen für die beiden Tänzer und Choreographen Guy Nader und Maria Campos.
In ihrer mehrfach prämierten Erfolgsproduktion "Set of Sets" aus dem Jahr 2018 verhandeln der Libanese und die Spanierin mit ihrer Compagnie den Faktor Zeit. Und damit das Repetitive unseres Seins, den unaufhaltsamen Fluss allen Lebens und den einen oder anderen Versuch, sich dem Lauf der Zeit zu widersetzen, auszubrechen.
Punktgenaue Mischung aus Tanz, Akrobatik und Kontaktimprovisation
Doch braucht es im Grunde keinen thematischen Überbau. "Set of Sets" zieht als pure Bewegung in den Bann, als punktgenaue Mischung aus zeitgenössischem Tanz, Kontaktimprovisation, virtuoser Akrobatik, Breakdance und Kampfkunst. Ein Sog, den die Livemusik von Schlagzeuger Miguel Marín als gleichberechtigter Bühnenpartner begleitet und potenziert.
Vier Tänzer und drei Tänzerinnen umkreisen einander, lassen sich spiralförmig zu Boden gleiten, drehen und werfen ihre Partner in der Luft, beschleunigen den Bewegungfluss und verzögern ihn auf fast hypnotische Weise. Ein Perpetuum mobile aus Bewegungsmustern, die den formidabel trainierten Tänzern schier Unmögliches abzuverlangen scheinen.
Wenn Körper in die Waagerechte kippen
Die Tänzer kippen in die Waagrechte, bilden skulpturale Pyramiden. Je nach Licht werfen ihre Körper Schatten auf die zwei, drei weißen Stoffwände. Ohne Effekthascherei sind die Tänzerkörper und das fesselnde Spiel ihres Miteinanders der Effekt, ihre so selbstverständlich weichen wie energiegeladenen Bewegungen.
Zu den mal antreibenden, mal beruhigenden Drums von Marín und seiner sphärisch hämmernden Komposition gerät "Set of Sets" zum großen Ganzen. Ein Setzkasten zeitgenössischen Tanzpotenzials, ein steter Kreislauf aus sich annähern, verschmelzen, lösen, wegdriften. Um sich flugs erneut anzunähern und zu verbinden.
Hebungen mit abruptem Richtungswechsel
Dabei begegnen sich die Tänzerinnen und Tänzer auf Augenhöhe, ist niemand der Primus inter pares. Barfuß springen die Tänzer in eine Figur, verharren kurz in einer bizarren Formation, verspielt-kämpferisch. Schwindelerregende Hebungen mit abruptem Richttungswechsel, poetisches, dann wieder akrobatisches Um-die-Achse-drehen: Der scheinbar endlose Fluss an halsbrecherischen Bewegungmöglichkeiten machen "Set of Sets" zum Erlebnis. Ein Tanzvergnügen zu eindringlichen Rhythmen und eingänglichen Melodiekaskaden.
Im Juli im Theaterhaus Stuttgart
Seit 2006 arbeiten Guy Nader und Maria Campos zusammen, ihre Choreographien sind auf Festivals weltweit zu sehen. Anfang Juli ist die Compagnie GN I MC mit derselben Produktion nochmals im Theaterhaus Stuttgart zu erleben beim Colours International Dance Festival.







Stimme.de