Aus diesen Gründen sind wenige junge Menschen in der Politik
Es gibt wenige junge Menschen in politischen Ämtern, aber sie werden mehr. Was können sie verändern? Wir haben mit zwei jungen Bürgermeistern gesprochen. Politikwissenschaftler Martin Gross erklärt, wieso Veränderung hier so schwierig ist.

Deutschlands jüngster hauptamtlicher Bürgermeister führt ab 25. März die Amtsgeschäfte in Mulfingen im Hohenlohekreis. Sören Döffinger ist 25 Jahre alt und wurde Ende Januar mit über 80 Prozent der Stimmen gewählt.
Das zeigt: Es gibt sie, die jungen Menschen, die auf kommunaler Ebene Verantwortung übernehmen wollen. Auch wenn die Kommunalpolitik seit Jahren mit einem Nachwuchsmangel zu kämpfen hat.
Mehr junge Menschen in der Kommunalpolitik: Netzwerk soll Amtsträgern helfen
Siewerden mehr und sie werden sichtbarer. Seit 2019 gibt es den Verein "Netzwerk Junge Bürgermeister*innen" mit Sitz in Berlin, der nach eigenen Angaben "die Rahmenbedingungen für das Engagement, insbesondere junger Menschen in allen relevanten Handlungsfeldern der Kommunalpolitik verbessern" möchte.
Der Verein soll aber insbesondere ein Ort zum Vernetzen und Austauschen für junge Amtsträger sein, erklärt Verbandsgeschäftsführer Henning Witzel. So entstünden neue Ideen, es sei ein wichtiger "Blick über den Rathausturm hinaus". Ein weiteres Stichwort sei die Sichtbarkeit kommunaler Themen, denn als Verein werde man anders wahrgenommen als eine Einzelperson.
Junge Bürgermeister: Ist eine Trendwende in der Kommunalpolitik in Sicht?
Die Frage, ob es eine Trendwende in der Altersstruktur der Kommunalpolitik gibt, hält Martin Gross, Politikwissenschaftler an der Ludwig-Maximilians-Universität München, für schwierig zu beantworten. In Gemeinderäten säßen zwar überwiegend ältere Männer, in den Parteien vor Ort gebe es jedoch mehr Jüngere, als man vielleicht denkt. "Die fallen bei den Wahlen aber häufig auf hintere Listenplätze ihrer Parteien und werden deshalb nicht reingewählt."
Diese Struktur sei ein Eigenverschulden der Parteien, doch der Politikwissenschaftler zeigt auch Verständnis. Gesellschaftspolitisch müsse sich das ändern, doch aus Sicht der Parteien sei dieses Vorgehen verständlich. "Weil die Klientel nun mal, wenn man ehrlich ist, die über Sechzigjährigen sind."
Ob kommunale Amtsträger in jungen Jahren überhaupt anders agierten als ihre älteren Kollegen, weiß die Forschung nicht. "Sie sind ja trotzdem den gleichen finanziellen und institutionellen Zwängen unterworfen", sagt Martin Gross. Ein Vorteil sei aber, dass die Perspektive der Jungen eingebracht werde. So werde die Durchlässigkeit und das Verständnis für bestimmte Themen deutlich größer.
Mit diesen Herausforderungen haben junge Bürgermeister in der Politik zu kämpfen
Aus einer anderen Richtung zu denken ist auch für Lena Burth ein Vorteil, den junge Leute in die Kommunalpolitik mitbringen. Die 26-Jährige ist seit Juli 2023 Bürgermeisterin der Gemeinde Ostrach im Kreis Sigmaringen. Vor ihrer Amtszeit war sie fünf Jahre als Betriebsprüferin in der Landesverwaltung tätig. Ihr Amt ist für sie "einer der schönsten Berufe, den man haben kann".
Auf kommunaler Ebene könne man wirklich etwas bewegen und sehe direkt, was man macht. Für die 28-jährige Yvonne Heine, seit 2021 Bürgermeisterin von Riedhausen im Kreis Ravensburg, war besonders die Personalführung eine neue Herausforderung. "Das war ich noch überhaupt nicht gewohnt", erzählt sie.
Häufiger Vorwurf an junge Menschen in der Politik: "Die haben ja nichts Richtiges gelernt"
Werden so junge Menschen gewählt, ist das Erstaunen oft groß, schnell steht die Frage nach der Kompetenz im Raum. Für Martin Gross schwingt hier eine Geringschätzung der Politik im Allgemeinen, aber auch von Kommunalpolitik im Besonderen mit. Der Vorwurf laute häufig, "Die haben ja nichts Richtiges gelernt", Jugendlichkeit werde als etwas Schlechtes dargestellt.
Ein besonderes Phänomen sei ebenfalls, dass Leute auch mit 35 Jahren noch als jung bezeichnet werden. "In einem Wirtschaftsunternehmen gilt mit 35 niemand mehr als jung", sagt Gross. Doch in der Politik sei man es gewohnt, dass sich die Alterskategorien nach hinten verschieben, und wir von 60- bis 70-Jährigen regiert werden.
Diese Vorurteile begegnen den beiden Bürgermeisterinnen in ihrem Berufsalltag eher selten. Im Wahlkampf sei vielmehr das Geschlecht in Verbindung mit ihrem Alter zur Sprache gekommen, berichtet Lena Burth. "Das Thema Familienplanung war auf einmal ein öffentliches Thema." Wie sie damit umgegangen ist? "Offen und transparent", sagt sie, denn sie habe damit gerechnet und es deswegen teilweise auch von sich aus angesprochen. "Das Bürgermeisteramt ist ja ein öffentliches Amt und man ist eine Person des öffentlichen Lebens. Deshalb kann ich das verstehen", sagt sie.
Wenig Repräsentation für junge Generation – Auch Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderung oder queere Personen fehlen in Politik
Nach Einschätzung von Martin Gross ist es jedoch nicht nur wichtig, den Fokus auf mehr junge Menschen oder mehr Frauen zu richten. Parteien müssten sich grundsätzlich viel breiter aufstellen, das heißt: Mehr Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderung oder Menschen aus der LGBTQ-Community integrieren. Auf der Kommunalebene herrsche eine große Repräsentationslücke, die sich durch den Landtag, den Bundestag bis ins Europaparlament ziehe.
Das zu ändern sei schwierig, hier müsse man den Blick auch auf die Verantwortung der Wähler richten. Der Politikwissenschaftler erklärt: "Was wir aus der Forschung wissen ist, dass alle immer diese Repräsentationslücke beklagen. Wenn sie aber die Wahl haben, dann wählen sie vor allem ältere, weiße Männer ohne Migrationshintergrund."