Abschuss von Wölfen erleichtern? – "Nehmen Sorgen und Ängste ernst"
Nicht jedem gefällt es, dass der Wolf auch in Baden-Württemberg heimisch geworden ist. Die Bundesumweltministerin will den Abschuss der Tiere erleichtern. Andere halten die Aufnahme von Wölfen ins Jagdrecht für Symbolpolitik.

Gerissene Schafe oder Ziegen seien ein grässlicher Anblick, sagt Micha Herdtfelder. Der Leiter des Arbeitsbereichs Luchs und Wolf bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) will und kann sich daran nicht gewöhnen. Er und seine Mitarbeiter werden von Landwirten gerufen, wenn der Verdacht besteht, dass ein Wolf über ihre Herde hergefallen ist.
Die FVA-Experten dokumentieren den Fall mit Fotos und nehmen dann Gewebeproben. Diese schicken sie an das Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik oder bisweilen geben sie auch den ganzen Tierkörper beim Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt ab. Nach ein paar Wochen wissen sie, ob ein Wolf der Angreifer ist und wo er herkommt.
Bundesumweltministerin Lemke will Abschuss von Wölfen erleichtern
Jedes tote Nutztier ist ein herber Verlust für die Besitzer. "Deshalb nehmen wir die Sorgen und Ängste der Weidetierhalter so ernst", sagt Umweltministerin Thekla Walker (Grüne). Sie weiß, dass das Thema hochemotional geführt wird und die Menschen spaltet. Ihre Parteikollegin Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat nun mitgeteilt, dass sie den Abschuss von Wölfen in Deutschland künftig erleichtern möchte. Was sich genau ändern soll, will sie in den nächsten Wochen vorstellen. Dazu hat sie am Dienstag ihre Länderkollegen zu einer Konferenzschaltung eingeladen. Gravierende Änderungen erwarten Experten für Baden-Württemberg allerdings nicht. Die Rede sei immer von praxisnahen Lösungen. Die gebe es im Land schon länger, sagen Herdtfelder und Walker.
Dafür wurde ein sogenannter Managementplan Wolf vom Umweltministerium erarbeitet. Dieser soll ein möglichst konfliktfreies Miteinander zwischen Menschen und Wölfen ermöglichen. Einbezogen in die Ausarbeitung waren dabei auch verschiedene Naturschutz-, Landwirtschaftsverbände und Interessengemeinschaften. "Er wird fortlaufend überarbeitet und aktualisiert, um so auf neue Herausforderungen landeseinheitlich vorbereitet zu sein", sagt Walker.
Im Schwarzwald haben sich Wölfe dauerhaft niedergelassen
So übernimmt das Land beispielsweise sämtliche Kosten für die Herdenschutzmaßnahmen in den beiden "Fördergebieten Wolfsprävention" im Schwarzwald und Odenwald. Im Gegenzug erhalten die Weidetierhalter nur dann Ausgleichszahlungen für ein gerissenes Tier, wenn sie einen korrekt installierten wolfsabweisenden Zaun vorweisen können – im Rest des Landes werden tote Schafe oder Ziege stets ersetzt.
Derzeit leben drei männliche Wölfe und eine Fähe dauerhaft in Baden-Württemberg, sie haben sich alle im Schwarzwald niedergelassen. Erstmals konnte die FVA im Juni dieses Jahres Nachwuchs nachweisen, es ist die erste Reproduktion im Land seit seiner Rückkehr, sagt Herdtfelder. Wie viele Welpen es sind, wisse er noch nicht.
Bauernverbände machen sich für Dezimierung des Wolfbestands stark
In Baden-Württemberg hat es in diesem Jahr bisher acht durch den Wolf angezeigte Nutztierrisse gegeben, 20 waren es im vergangenen Jahr. Es sind Fälle wie diese, die Landwirte und Weidetierhalter in ganz Deutschland erregen, so fordern zahlreiche Bauern eine Abschussquote für Wölfe oder wolfsfreie Regionen. Aus diesem Grund wandten sich führende Bauernverbände in einem Brief Anfang August an Lemke. Sie machen sich darin für eine jährlich festgelegte "Entnahmequote" für Wölfe stark. Konkret bedeutet das: Sie sollen getötet werden, auch wenn sie keine sogenannten "Problemtiere" sind. Ziel sei die Dezimierung des Wolfsbestands.
Der Abschuss von Wölfen ist in Deutschland aber verboten, der Wolf genießt bundes- und europaweit den höchsten Schutzstatus. Dass jetzt einzelne Grüne wie Lemke darüber nachdenken, die Ausnahmeregelungen für eine Tötung nun zu vereinfachen, sehen Beobachter darin begründet, dass sie zunehmend politisch unter Druck stehen würden in Ländern mit einer hohen Zahl an Nutztierrissen, wie in Niedersachsen zum Beispiel.
Landesumweltministerin Walker sieht bei Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht reine Symbolpolitik
Landesumweltministerin Thekla Walker gehört nicht zu diejenigen, die ihre Haltung geändert haben, sie findet es positiv, dass eine ausgerottete Art eigenständig wieder heimisch geworden ist. Walker wirbt vielmehr dafür, besonnen zu handeln und eine offene ehrliche wie sachliche Kommunikation zu führen. "Die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht wäre aus meiner Sicht eine Symbolpolitik, die falsche Erwartungen weckt", sagt sie in einem Interview mit "Jagd in Baden-Württemberg", dem Magazin des Landesjagdschutzverbandes.
Symbolpolitik, die im Fall eines Falles auch nicht weiterhelfen würde. Es würde nichts am geltenden Schutzstatus ändern. Der Wolf wäre damit dem Schutzmanagement zuzuordnen und eine Bejagung weiterhin nicht möglich. Vielmehr würde es zu weiteren Konflikten führen, sagt Walker. "Müsste ein Wolf doch entnommen werden, wären zwei Behörden notwendig, statt einer." Die FDP im Land ist genauso für die Aufnahme wie Walkers Kollege, Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU). Dieser spricht sogar beim Wolf von "Alarmstufe rot" und warnt öffentlich vor dem Rudel. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke plädiert im weiteren Schritt dafür, den Schutzstatus zu reduzieren, "weil sich die Population stark ausbreitet und jetzt diese Probleme gibt".
Fährtenleser und Scharfschützen in Alarmbereitschaft
In Baden-Württemberg ist es bisher allerdings noch nicht vorgekommen, dass ein Wolf einen korrekt angebrachten Elektrozaun überwunden hätte. Sollte er dies allerdings zweimal innerhalb kurzer Zeit tun, wäre es jetzt schon nach Naturschutzrecht möglich, diesen zu töten, dafür müsste das zuständige Regierungspräsidium eine Ausnahmegenehmigung erteilen. "Wir sind darauf vorbereitet", sagt Walker. Mit einem Team aus Spezialisten wie Fährtenleser und Scharfschütze.
Um das Thema Wolf in Baden-Württemberg weiter zu versachlichen und die Menschen mit Hintergrundinformationen zu versorgen, kündigt Umweltministerin Thekla Walker an, werde derzeit ein Wolfskompetenznetzwerk erarbeitet, das viele Aspekte zum Wolf bündeln und aufeinander abstimmen soll. Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium werde das geschehen. "Ich stelle mir hier einen breiten Ansatz vor, bei dem viele Bereiche wie Monitoring, Herdenschutz, Öffentlichkeitsarbeit, Tourismus abgedeckt und verschiedene Verbände eingebunden werden."