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Wie umgehen mit dem Wolf?

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Der Wolf lässt sich im Südwesten immer häufiger blicken. Das gilt als Hinweis darauf, dass sich bald Rudel bilden könnten. Artenschützer sehen das als gutes Zeichen. Aber es machen sich auch Sorgen breit.

Von dpa und unserer Redaktion
Dieses Tier wurde vor wenigen Wochen im Odenwald fotografiert. Foto: Oppermann-Fotografie
Dieses Tier wurde vor wenigen Wochen im Odenwald fotografiert. Foto: Oppermann-Fotografie

Nach Angriffen von Wölfen auf Weidetiere und Rotwild im Südwesten rüstet sich das Land für mögliche Rudelbildungen der Raubtiere. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass nach dem Vorkommen erster männlicher Tiere bald auch Wölfinnen nachkommen und sich so Rudel bilden“, sagte der für den Ländlichen Raum zuständige Minister Peter Hauk (CDU).

In Deutschland gibt es wieder Wölfe, seit im Jahr 2000 ein Paar aus Polen zuwanderte. Im Südwesten wurde der Wolf erstmals 2015 gesichtet. Die Tiere sind streng geschützt. Aber es gibt auch Ängste bei vielen Menschen und vor allem Schäden bei Weidetierhaltern.

„Dann geht die Diskussion erst richtig los“, meinte Hauk mit Blick auf mögliche Rudelbildungen. Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigten, dass drei bis fünf Jahre nach den ersten Wolfsvorkommen sich Rudel bilden können. Die Zahl der Wölfe pro Rudel kann stark schwanken, zwischen drei und elf im Schnitt. Der Minister mahnte, dass dafür die Weichen gestellt werden müssten - zum Beispiel für die Regulierung von Schäden, die durch das Reißen von Schafen oder anderen Weidetieren entstehen. Die Haftungsfrage sei bislang nicht ausreichend geklärt.

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Dabei gehe es nicht nur um Ersatz für gerissene Tiere, sondern auch um Fälle, in denen zum Beispiel Schafsherden in Panik geraten, Zäune durchbrechen und auf einer Straße Unfälle verursachen könnten. „Es muss geregelt werden, wer für solche Schäden aufkommt“, sagte Hauk. Er warnte davor, dem Wolf „blauäugig“ zu begegnen - auch wenn das Raubtier unter Schutz steht. „Eine Willkommenskultur ohne eine Haftungsübernahme durch die Naturschutzverwaltung wäre fehl am Platz.“

Auch Naturschützer sehen noch reichlich Bedarf, sich auf die ersten Wolfsrudel vorzubereiten. Vor allem müssten bürokratische Hürden im Herdenschutz abgebaut werden. So könne mehr für den Schutz von Weidevieh getan werden, sagte der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Baden-Württemberg, Johannes Enssle. Erleichtert werden müsse etwa der Einsatz von Herdenschutzhunden. Für sie seien auch geregelte Zuchtprogramme und das Mitführen von Hundehütten nötig.

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„Wir haben manchmal den Eindruck, dass Minister Hauk versucht, den Herdenschutz zu sabotieren und die Rückkehr der Wölfe als möglichst großes Problem darzustellen“, sagte Enssle. Über den Nabu läuft im Südwesten der Ausgleichsfonds der Naturschutzverbände für von Wölfen gerissene Nutztiere. 70 Prozent der Kosten übernimmt das Land, der Rest kommt aus dem Fonds.

Der auch für das Jagdwesen im Land zuständige Minister Hauk sprach sich dafür aus, Wölfe mit ins Jagdmanagement aufzunehmen. Für den Fall zunehmender Angriffe auf Weidetiere müsse es möglich sein, die Tiere zu bejagen. Bisher gehe das nur über eine Ausnahmegenehmigung des für den Artenschutz zuständigen Umweltministeriums. Die Behörde sieht nach Angaben einer Sprecherin bisher keinen weiteren Handlungsbedarf.

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Nach Darstellung von Hauk verändern bejagte Tiere ihr Verhalten. „Sie werden vorsichtig, wenn sie bejagt werden. Der Wolf muss lernen, dass er bei der Erbeutung von Weidetieren sich selbst einer Gefahr aussetzt“, meinte er. So könne der Druck durch die Jagd dazu führen, dass die Wölfe sich auf Wild als Beute konzentrieren. Es sei aber nicht Ziel, den Wolf auszurotten, betonte Hauk. Artenschützer lehnen eine pauschale Bejagung ab.

Der Minister kündigte zudem eine Expertendebatte um das Thema Wolf und Weidewirtschaft für den März 2018 an. Dazu würden etwa aus Südtirol, Graubünden und Slowenien Experten nach Stuttgart eingeladen, um über Erfahrungen im Umgang mit dem Raubtier zu berichten. Auch ein erstes Wildtiermonitoring 2018 solle unter anderem untersuchen, welchen Einfluss Raubtiere auf die Artenvielfalt im Land haben.

In Deutschland sind bisher 60 Rudel nachgewiesen, 13 mehr als vor einem Jahr. Das geht aus Daten des Bundesamts für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBBW) zum Wolf hervor. 13 Wolfspaare und drei sesshafte Einzelwölfe einberechnet, gehe man von 150 bis 160 erwachsenen Wölfen aus, sagte BfN-Präsidentin Beate Jessel im November. Vor einem Jahr waren es 140 Tiere. Die meisten Wölfe leben in Brandenburg und Sachsen.

 

Wolfsnachweise in Baden-Württemberg 

Seit rund 150 Jahren galten Wölfe in freier Wildbahn als ausgerottet im Südwesten - bis 2015 zum ersten Mal die Raubtiere wieder nachgewiesen wurden. Noch handelt es sich um einzelne Tiere, die den Weg nach Baden-Württemberg gefunden haben. Das sind die bisher erfassten Nachweise:

  • 2015 werden zwei tote Wölfe gefunden. Ein Tier wird am 22. Juni auf der Autobahn 5 bei Lahr (Ortenaukreis) überfahren. Auch das zweite Tier erleidet dieses Schicksal. Es wird am 26. November auf der Autobahn 8 bei Merklingen (Alb-Donau-Kreis) überfahren. In beiden Fällen handelt es sich um Rüden aus einem Schweizer Rudel, das am Calanda-Massiv heimisch ist.

  • Am 15. Mai 2016 filmt eine Privatperson einen Wolf bei Bad Dürrheim (Schwarzwald-Baar-Kreis). Es ist die erste Sichtung eines lebenden Wolfes in Baden-Württemberg seit 150 Jahren.

  • Am 8. Juli 2017 wird ein toter Wolf aus dem Schluchsee geborgen. Zuvor war er im Juni und Juli an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg gesichtet worden. Untersuchungen ergeben, dass er erschossen wurde. Der Rüde kam aus dem mehr als 600 Kilometer entfernten niedersächsischen Schneverdingen in den Südwesten.

  • Am 7. Oktober reißt ein Wolf drei Lämmer bei Widdern (Kreis Heilbronn). Es handelt sich um den ersten nachgewiesenen Wolfsriss im Südwesten seit mehr als 100 Jahren. Die Herkunft des Tieres kann nicht geklärt werden.

  • Drei Schafe werden am 26. November bei Bad Wildbad (Kreis Calw) gerissen. Auch sie sind Opfer eines Wolfes geworden, wie eine Analyse von Speichel ergibt. Der Rüde stammt ebenfalls aus dem Rudel bei Schneverdingen in Niedersachsen.

  • Dasselbe Tier beißt Anfang Dezember in der Umgebung von Freudenstadt erneut zu. Bei Bad Rippoldsau-Schapbach reißt er Rotwild. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) geht davon aus, dass der Rüde außerdem für einen Rotwildriss Ende November bei Simmersfeld (Kreis Calw) verantwortlich ist.

Der FVA in Freiburg werden regelmäßig Wolfssichtungen und Wolfsrisse gemeldet. Die Zahl der angeblichen Sichtungen ist seit vergangenem Jahr gestiegen. Wurden der Anstalt 2016 noch 67 Sichtungen gemeldet, waren es 2017 bislang bereits 149. Die FVA weist darauf hin, dass sich solche Sichtungen in der Regel nicht überprüfen lassen. Häufig komme es zur Verwechslung mit Hunden.

 

 

 

 

 

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