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Warum der See zur Todesfalle werden kann

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Vergangene Woche starb ein 25-Jähriger nach einem Badeunfall bei Zaberfeld. In Baden-Württemberg sind seit Jahresbeginn mindestens 49 Menschen ertrunken. Wie kann so etwas passieren? Wir beantworten Fragen zu Badeunfällen.

Von unserer Redaktion
Flüsse wie Neckar und Rhein sind gefährlich und das Baden darin nicht ratsam. Foto: dpa
Flüsse wie Neckar und Rhein sind gefährlich und das Baden darin nicht ratsam. Foto: dpa  Foto: Caroline Seidel (dpa)

In den ersten acht Monaten des Jahres 2018 sind in Baden-Württembergs Gewässern mindestens 49 Menschen ertrunken. Das waren 18 Menschen mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, wie die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) diese Woche mitteilte.

Nach Angaben der DLRG ist das der höchste Stand seit zehn Jahren. 

Zuletzt starb ein 25-Jähriger im Stausee Ehmetsklinge in Zaberfeld. Polizeitaucher fanden die Leiche am Samstag nach tagelanger Suche. 

Wie kann so etwas passieren? Wir beantworten Fragen zu Badeunfällen.

 

Warum sind es so viele?

"Das hängt mit den Wetterbedingungen zusammen", sagt Ursula Jung, Vizepräsidentin vom DLRG-Landesverband Württemberg. In trockenen sonnigen Jahren rechnen die Lebensretter mit mehr Ertrunkenen, da mehr Menschen schwimmen gehen und auch ungeübte Schwimmer sich ins Wasser trauen.

 

Wo ertrinken die meisten Menschen?

Die meisten ertrinken in Seen oder Flüssen. Jung nennt dafür mehrere Ursachen. "Seen sind leicht zu erreichen." Deshalb werde dort oft gefeiert, Alkohol getrunken und dann ins Wasser gesprungen. Das ist gefährlich, denn das Wasser in Seen ist an der Oberfläche warm, in der Tiefe aber deutlich kälter. Wer kopfüber reinspringt, riskiert einen Temperaturschock. Tückisch kann auch das Ufer sein, erklärt Jung: "Gerade Baggerseen haben steil abfallende Ufer. Für Nichtschwimmer ist sehr das gefährlich. Und unsichere Schwimmer kommen eventuell nicht mehr aus dem Wasser oder rutschen auf Sand und Kies aus."

 

Was ist mit Flüssen und Freibädern?

"Dort fahren große Schiffe, deren Bugwelle das Wasser bis zu zwei Meter ansteigen lassen kann. Da muss man gut schwimmen können", sagt Jung. Zudem seien die Strömungen für Freizeitschwimmer kaum einschätzbar. In Freibädern sind in Baden-Württemberg bisher drei Menschen ertrunken.

 

Wer ist besonders gefährdet?

Das weiß Götz Geldner, Chefarzt für Anästhesie, Notfall- und Intensivmedizin am RKH-Klinikum in Ludwigsburg. Er fliegt Einsätze mit dem Rettungshubschrauber Christoph 51, der für unsere Region zuständig ist. Betroffen seien vor allem ältere Menschen mit Vorerkrankung. Wenn sie zu schnell, gerade in kaltes Wasser, gehen, können sie Herzprobleme bekommen, weil der Körper mit der Belastung nicht zurechtkommt. Ertrinken kann die Folge sein. Auch gefährdet sind Menschen, die Alkohol konsumiert haben und Migranten. Letztere könnten oft nicht schwimmen und unterschätzen die Gefahr, die von Gewässern ausgehe.

 

Wie gefährdet sind Kinder?

Kinder sind besonders gefährdet. Sie sollten nie ohne Aufsicht im Wasser sein. "Wir sehen, dass Kinder in der Schule nicht mehr zu sicheren Schwimmern ausgebildet werden", kritisiert Ursula Jung von der DLRG. Es fehle an Lehrkräften, die Schwimmunterricht erteilen. Zudem würden immer mehr Kommunen aus Kostengründen ihre Hallenbäder schließen.

 

Wer gilt als sicherer Schwimmer?

Wer das Deutsche Schwimmabzeichen hat, ist in der Regel sicher im Wasser, so Jung. Kinder sollten das Jugendschwimmabzeichen haben. "Wir reden hier nicht vom Seepferdchen." Für alle gilt, das Schwimmen regelmäßig zu trainieren. Ungeübte Schwimmer warnt Jung davor, Verunglückte aus dem Wasser zu holen: "Davon raten wir dringend ab. Besser einen Rettungsring oder ein Stück Holz suchen."

 

Was tun, wenn ein Schwimmer verunglückt ist?

Den Verunglückten auf eine harte Unterlage in den Schatten legen und mit der Reanimation beginnen, wenn die Person nicht ansprechbar ist, sagt Geldner. Im Wechsel 30 Mal Herzdruckmassage machen und zwei Mal beatmen, Mund zu Mund oder Mund zu Nase. Die Atemspende sei bei Ertrinkenden besonders wichtig, weil diese wenig bis gar keinen Sauerstoff im Blut hätten. Sind mehrere Leute anwesend, kann man Druckmassage und Beatmung aufteilen. "Sprechen Sie Umstehende gezielt an, und beauftragen Sie sie persönlich, Hilfe zu alarmieren. Sagen Sie: ,Sie in der blauen Badehose, rufen Sie sofort den Notarzt"." Sonst könne es passieren, dass niemand aktiv werde.


In Baden-Württemberg sind seit Jahresbeginn 49 Menschen ertrunken. Die Mehrheit der Ertrunkenen - etwa 75 Prozent - waren männlichen Geschlechts. 25 der Menschen ertranken laut DLRG in den Seen des Südwestens, 15 kamen in Flüssen ums Leben. Die anderen Menschen starben im Schwimmbad (6) oder in anderen Gewässern. Nach Angaben der DLRG ist das der höchste Stand seit zehn Jahren. Das zeige sich auch bundesweit, wo in den ersten acht Monaten des Jahres 2018 mindestens 445 Menschen in Bädern, Seen und Flüssen ertrunken sind. Das waren 148 Personen mehr als im Vorjahreszeitraum.

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