„Stromgedacht“: Wie die Stromspar-App entstanden ist
Seit der ersten Meldung Anfang Dezember steigen die Downloadzahlen von„Stromgedacht“. Warum die Anwendung keine klassische Warn-App ist und welche Neuerungen geplant sind.
Erstmals von ihr erzählt hat Transnet-BW-Geschäftsführer Werner Götz im Redaktionsgespräch mit unserer Zeitung. Da war die App „Stromgedacht“ gerade erst fünf Tage freigeschaltet. Inzwischen kennen sie Tausende, wenn nicht gar Millionen – seit diese App am 7. Dezember auf Rot sprang: Von 14 bis 15 Uhr sollten die Menschen in Baden-Württemberg Strom sparen, um das Netz nicht weiter zu überlasten, besagte die Meldung an jenem Tag. Aufgefasst wurde dies aber meist als Warnung vor einem richtigen Blackout.
„Das ist keine Warn-App“, wird daher Transnet-BW-Sprecherin Annett Urbaczka nicht müde zu betonen. „Wenn wir eine Warnung vor Stromabschaltungen herausgeben, dann machen wir das über die Behörden und richtige Warn-Apps wie Nina.“ Stromgedacht soll früher ansetzen: „Wir wollen die Menschen dafür sensibilisieren, auf ihren Stromverbrauch zu achten und ihn gegebenenfalls so zu planen, wie wir es für die Netzstabilität brauchen.“
Das mediale Echo war jedenfalls gewaltig, seit die ersten Berichte an jenem Mittwochmorgen über die Ticker liefen. Bis dahin war die App etwa 10.000 mal heruntergeladen worden – bis Mitte vergangener Woche waren es dann schon mehr als 60.000. Wobei nur Nutzer davon profitieren, die in Baden-Württemberg wohnen – die App erstreckt sich nur auf das Netzgebiet von Transnet-BW. Die anderen drei Netzbetreiber haben sich daran noch nicht beteiligt.
Programm aus Ideenwettbewerb entstanden
„Die Bundesnetzagentur ist von der App aber ganz begeistert“, erzählt Annett Urbaczka. Entstanden ist das kleine Programm aus einem Ideenwettbewerb im Jahr zuvor: Alle zwei Jahre lädt Transnet-BW zur „Transnext Open Innovation Challenge“ ein. Eigene Mitarbeiter, aber auch Studenten aus Baden-Württemberg und aus Energie-Studienfächern in ganz Deutschland dürfen Projekte vorschlagen. 2021 ging der Sieg an eine Gruppe aus vier Mitarbeitern und einer Studentin, die eine Skizze für ein Programm namens „Stromwaage“ vorstellten.
Sie wollten damit der Bevölkerung die Möglichkeit geben, aktiv bei der Umsetzung einer kostengünstigen Stabilisierung des Stromnetzes mitzuwirken. Diese sollte für Themen der Energiewirtschaft und Netzführung sensibilisieren, sie frühzeitig über anstehende Stromengpässe – etwa in Zeiten mit besonders hohem Redispatch-Bedarf – informieren und ihnen Vorschläge unterbreiten, wie sie durch ein netzdienliches Verschieben des eigenen Stromverbrauchs unterstützen können.
Dass ein Jahr später die Stromversorgung in Gefahr gerät, war überhaupt nicht abzusehen. Die Leitung von Transnet-BW war aber so angetan von dem Vorschlag, dass sie die weitere Entwicklung förderte und App-Entwickler sowie Designer einband.
Was die einzelnen Farben bedeuten
Mit dem Ergebnis hadert Annett Urbaczka inzwischen aber ein wenig. Denn programmiert sind momentan drei Stufen: „Grün“ für „alles in Ordnung“, „Gelb“ als Information, dass die Stromverbraucher sich auf Stromsparen vorbereiten sollten, und „Rot“ als Appell zum Stromsparen.
„Die Wirkung der Farbe Rot haben wir unterschätzt“, räumt die Unternehmenssprecherin ein. Von vielen sei das als Alarmstufe mit drohender Stromabschaltung eingeordnet worden. Nochmals betont die Sprecherin: „Solch eine Warnung würden niemals wir herausgeben, sondern die Behörden. Wir wollen keine Schreckensszenarien an die Wand werfen.“
Nun will Transnet-BW ein wenig gegensteuern, indem eine vierte Farbe eingeführt wird: „Orange“ steht künftig für ein Ereignis wie an jenem 7. Dezember, wenn also besonders viel Strom aus dem Ausland importiert werden muss. Dann, erläutert die Sprecherin, werden nämlich hohe Bezugspreise fällig, was sich wiederum auf die Netznutzungsentgelte durchschlägt und am Ende in der Stromrechnung der Verbraucher landet.
„Rot“ stehe künftig für einen noch dringenderen Stromspar-Appell, um einen Netzengpass und damit regional begrenzte Stromabschaltungen zu vermeiden. Die App helfe also, dass die Allgemeinheit Geld spart, so die Sprecherin. Wobei für einen spürbaren Effekt weder 10.000 noch 60.000 Anwender ausreichen. „Wir brauchen eine sechsstellige Zahl“, sagt Urbaczka. Und zwar alleine in Baden-Württemberg.
Was geschah
In der Nacht zum Mittwoch, 7. Dezember, setzte die Hauptschaltleitung von Transnet-BW die Ampel in der App „Stromgedacht“ erstmals auf Gelb. Anlass war, dass am Mittwoch 700 Megawatt Strom aus der Schweiz importiert werden mussten. Die Grenze für die Erhöhung der Ampel-Stufe beträgt 500 Megawatt. Der Strombedarf für Baden-Württemberg wird täglich, beginnend eine Woche im voraus, prognostiziert und hängt – wegen Windkraft und Photovoltaik – stark vom Wetter ab. Wenn alle Reservekraftwerke in Betrieb sind, muss Strom im Ausland bestellt werden.