Psychiatrie-Klinikleiter kritisieren gängige Praxis
Die Leitungsteams der Kliniken für Forensisches Psychiatrie in Baden-Württemberg stören sich an der hohen Belegung des Maßregelvollzugs mit voll schuldfähigen Straftätern. Es müsse gelingen, Fehlanreize im System zu beschränken, heißt es in einer Pressemitteilung von Donnerstagabend.

Aus Sicht der Kliniken sei es unverständlich, dass den Psychiatrien mittlerweile in größerer Zahl strafrechtlich schuldfähige und damit voll verantwortliche Personen mit hoher krimineller Belastung zugewiesen werden, sagt Udo Frank von der Facharbeitsgruppe Maßregelvollzug. Bei diesen Personen müsse keine Diagnose der Abhängigkeit vorliegen und es stehe überwiegend der Sicherungsaspekt im Vordergrund. „Diese Entwicklung hat nicht nur in Baden-Württemberg, sondern bundesweit zu einem erheblichen Anstieg an Belegung im Suchtmaßregelvollzug und zu hohen Abbruchquoten bei Therapien geführt“, so Frank.
Hintergrund für die aktuelle Diskussion ist unter anderem der jüngste Ausbruch von vier Männern aus dem Maßregelvollzug des Klinikums am Weissenhof in Weinsberg. Drei der Männer sind nach wie vor flüchtig. Einem von ihnen stand eine Gerichtsverhandlung wegen versuchten Totschlags erst noch bevor.
Nach Einschätzung der baden-württembergischen Klinikleitungen begünstige eine obergerichtliche Rechtsprechung, dass Einweisungen in dem Maßregelvollzug oft auch dann angeordnet würden, wenn erfahrene Sachverständige keine konkreten Behandlungsaussichten festgestellt haben. Hintergrund seien unscharfe und nahezu beliebig auslegungsfähige Begriffe im Paragrafen 64 des Strafgesetzbuchs. Die Problematik ist nicht neu, sondern seit einigen Jahren bekannt.
Die Kliniken, heißt es in der Pressemitteilung, drängten auf eine rasche Gesetzesreform auf Bundesebene. „Es muss gelingen, Fehlanreize für kriminell geprägte Personen abzuschaffen“, sagt Udo Frank im Namen der Klinikleitungen. Hierzu tage eine Bund-Länder-AG, deren Ergebnisse erwartet werden.




Stimme.de