Stimme+
Interview
Lesezeichen setzen Merken

Land hofft wegen Abellio-Misere auf Schadensersatz

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) spricht im Interview mit unserer Redaktion über den umstrittenen Bahnbetreiber Abellio. Zudem ist Hermann trotz der hohen Spritpreise gegen Entlastungen für Autofahrer.

von Michael Schwarz
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wollte den Zugverkehr attraktiver machen. Anbieter Abellio machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung.
Foto: dpa
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wollte den Zugverkehr attraktiver machen. Anbieter Abellio machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung. Foto: dpa  Foto: Bernd Weissbrod

Nächste Woche beschäftigt sich der Verkehrsausschuss des baden-württembergischen Landtags mit dem geplanten Kauf des Zuganbieters Abellio durch die landeseigene Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG). Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verteidigt das Vorgehen.

 

War es ein Fehler, bei der Ausschreibung 2015/2016 attraktive Netze an Abellio zu vergeben?

Hermann: Nein, Abellio hat sich vorschriftsmäßig mit einem guten Angebot beworben und hat die Ausschreibung gewonnen. Die Gesellschaft hat noch nicht einmal das günstigste Angebot abgegeben. Das günstigste Angebot mussten wir wegen eines Formfehlers ausschließen. Das war damals spektakulär, das Vergabeverfahren wurde dann von einem Gericht überprüft und bestätigt. Wir konnten zu der Zeit nicht davon ausgehen, dass die Tochter der niederländischen Staatsbahn wenige Jahre später nicht mehr zu den von ihr angebotenen Konditionen weiterfahren und ihre Verträge nicht erfüllen will.


Mehr zum Thema

Zug mit Abellio-Aufschrift im Heilbronner Hauptbahnhof: Im kommenden Jahr wird auf den Zügen aller Voraussicht nach der Schriftzug der SWEG pranken. Das landeseigene Unternehmen will Abellio Baden-Württemberg übernehmen.
Foto: Archiv/Veigel
Stimme+
Region
Lesezeichen setzen

Frankenbahn: Nach SWEG-Deal überwiegt die Zuversicht


 

Will das Land Schadensersatzansprüche geltend machen?

Hermann: Natürlich haben wir Anspruch darauf, dass Abellio den Vertrag einlöst und fährt. Weil Abellio diesen Vertrag wegen der Insolvenz nicht erfüllen wird, entsteht dem Land ein Schaden. Diese Schäden haben wir im Insolvenzverfahren geltend gemacht. Wir sind schließlich Gläubiger und wahren unsere Rechtsansprüche. Wir rechnen mit einem Schaden in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages. Aus der Konkursmasse bekommt man vielleicht zehn Prozent des Wertes wieder. Nach unserem Rettungsplan für Abellio Baden-Württemberg wollen wir unsere Schadensersatzansprüche so einsetzen, dass diese auf den Kaufpreis der SWEG angerechnet werden.

 

Welche Rolle hat die holländische Regierung gespielt?

Hermann: Dass die holländische Regierung mit ihrem Konzern nach Deutschland geht, einen schnellen Euro machen will und dann, als die Rechnung nicht aufgeht, dreist fordert, das Land solle drauflegen, finde ich unmöglich.


Mehr zum Thema

Stimme+
Lesezeichen setzen

Meinung zu Abellio: Zwickmühle


 

Hat das Land weitere Kosten?

Hermann: Wir haben immer zwei Prinzipien verfolgt: Wir wollten und wollen den Nahverkehr für die Fahrgäste stabil erhalten und die Arbeitsplätze der Beschäftigten sichern. Wenn alles so kommt wie geplant, dann würde die SWEG für zwei Jahre Abellio Baden-Württemberg übernehmen und als eigenständige Tochter führen. Wir als Land machen damit eine nach europäischem Recht zulässige befristete Notmaßnahme. Wird uns nachgewiesen, wie hoch künftig die Mehrkosten bei Abellio als Tochter der SWEG pro Zugkilometer sind, dann werden diese Mehrkosten ersetzt. In zwei Jahren schreiben wir das Netz und auch das Unternehmen Abellio neu aus. Die SWEG kann sich bei dieser Ausschreibung ebenfalls bewerben.

Zur Person
Winfried Hermann, Jahrgang 1952, ist seit 2011 Verkehrsminister in Baden-Württemberg – bis 2016 in der grün-roten Regierung, seit 2016 in der Koalition der Grünen mit der CDU. Zuvor saß Hermann von 1998 bis 2011 im Deutschen Bundestag. Ein Mandat im Stuttgarter Landtag hat er seit 2016. Hermann ist ein Urgestein der Grünen, gehört der Partei seit 1982 an – und war im Südwesten Landesvorsitzender von 1992 bis 1997. Hermann ist verheiratet und hat eine Tochter. 

 

Wie wird der Abellio-Kauf finanziert?

Hermann: Die SWEG nimmt wohl einen Kredit auf. Der Kredit wird dann in zwei Jahren von dem neuen Eigentümer der Abellio Baden-Württemberg zu tilgen sein.

 

Wer soll denn bei der Vorgeschichte Abellio in zwei Jahren kaufen?

Hermann: Es wird einen neuen Verkehrsvertrag zu neuen Bedingungen geben. Diese werden im Wettbewerb einen neuen Preis ergeben, der eventuell höher als bei der letzten Ausschreibung sein wird. Wir sind aber sehr froh darüber, dass wir ein landeseigenes Unternehmen haben, das für die nächsten zwei Jahre den Betrieb zuverlässig übernimmt.

 

Wie geht es weiter?

Hermann: Es muss geklärt werden, wie die Transaktion ablaufen soll, damit Abellio Baden-Württemberg unter dem Dach der SWEG die Verkehre gut und preisgünstig erbringen kann. Das Insolvenzverfahren für Abellio Baden-Württemberg wird formell vermutlich bis Anfang 2022 abgeschlossen sein.

 

Noch zur E-Mobilität: Sind die deutschen Anbieter zu teuer?

Hermann: Wenn deutsche und europäische Hersteller nicht günstige E-Autos produzieren, werden die E-Autos aus Asien die Nase vorn haben. Aber es ändert sich etwas, so verkaufen einige Hersteller aus Deutschland und Europa inzwischen auch günstigere Modelle. Allerdings kommen aus China, Japan oder Südkorea sehr preiswerte E-Fahrzeuge mit einer hochwertigen digitalen Ausstattung.

 

Die Spritpreise sind sehr hoch. Sollen Autofahrer entlastet werden?

Hermann: Die Spritpreise waren zehn Jahre lang weit unten und ich habe keinen Politiker gehört, der forderte, dass man die Steuern aus Klimaschutzgründen erhöhen soll, weil der Sprit zu billig ist. Sobald der Sprit aber teurer wird, kommt immer der Ruf nach Entlastung. Wenn alle fordern, dass man durch CO2-Abgaben den CO2-Ausstoß verringern soll, dann können Benzin und Diesel nicht immer billiger werden. Das ist die Konsequenz. Allerdings muss – wie in anderen Feldern auch – geprüft werden, welche Möglichkeiten es gibt, die Mehrkosten sozialverträglich auszugleichen, beispielsweise durch ein Energiegeld.

 

  Nach oben