Kongress Urban Future: Wie Städte lebenswert bleiben sollen, ohne dass die Autoindustrie stirbt
Beim Städtebau-Kongress Urban Future in Stuttgart dreht sich alles um die Frage, wie Städte in Zukunft lebenswert bleiben. In Baden-Württemberg bedeutet das, den Autoverkehr zu reduzieren. Doch wie soll das gehen, ohne dass der Wohlstand stirbt? Darüber haben Experten diskutiert.

"Was würdest du an Stuttgart am liebsten verändern?", fragt Moderator Greg Clark. Da muss Philippe Crist vom Mobilitätsforum der OECD nicht lange überlegen. "In Stuttgart sieht man vor allem Straßen. Nimm überall eine Spur weg und lass dort eine Tram fahren. Dann nimmst du noch eine weg, pflanzt Bäume und schaffst Orte der Begegnung."
Es sind solche Gedankenspiele, die den Urban-Future-Kongress in Stuttgart bestimmen. Die internationale Konferenz findet bis Freitag in der Landeshauptstadt statt, zum ersten mal in Deutschland. Referenten und Gäste aus aller Welt wuseln in dieser Zeit durch das Haus der Wirtschaft, das Gewerkschaftshaus und die anderen Veranstaltungsorte.
Sollten SUVs verboten werden? Mercedes-Vertreter hat dazu eine klare Meinung
Es gebe ein großes Problem mit SUVs in Städten, erklärt eine Zuhörerin und will von Mercedes-Vertreter Daniel Deparis wissen: Warum werden sie nicht aus der Stadt verbannt? Da muss der 47-Jährige kurz durchatmen. "Ich denke nicht, dass das nötig ist."
Es brauche auch künftig die Möglichkeit, ein großes komfortables Auto zu nehmen, wenn eine vierköpfige Familie in Urlaub fahren will. "SUVs werden nicht gebaut, weil wir nur große Autos bauen wollen, sondern weil es einen Bedarf gibt." Stattdessen müsse man Angebote verknüpfen, wie etwa bei Park-and-Ride. "Es mag ineffizient erscheinen, zwei Verkehrsmittel zu nehmen. Aber das ist es nicht."
Baden-Württemberg bleibt wahrscheinlich Autostandort

Droht dem Automobil-Standort Baden-Württemberg durch Sharing-Konzepte und weniger Autoverkehr der Niedergang, wie der einstigen "Motor City" Detroit in den USA? Dieser Frage widmet sich eine der Diskussionen. "Ich denke nicht, dass das passieren wird", meint Sylvie Römer, Co-Geschäftsführerin der EnBW-Tochter ChargeHere.
Gleichwohl bedeute das nicht, dass das Land ein Automobilstandort bleibt. Die chinesischen Hersteller seien schnell und drängen massiv auf den europäischen Markt. Baden-Württemberg müsse deshalb weiter in Batterieproduktion, Künstliche Intelligenz und Quantencomputing investieren. Ähnlich sieht das Barbara Houessinon-Junger von der Standort-Marketing-Firma des Landes, BW-International. "Wir haben durch die Automobilindustrie eine lange Phase des Wohlstands erlebt. Jetzt ist die Herausforderung, zu zeigen, dass wir uns anpassen können."
Wie Eindhoven sich vom Wegfall einer lohnenswerten Symbiose erholt hat
Die niederländische Stadt Eindhoven hat diesen Wandel schon hinter sich. Jahrzehntelang blühte sie auf, weil der Konzern Philips dort massenweise Elektronik-Geräte herstellte. Doch in den 90er-Jahren verschlankt sich die Firma und schafft viele Produkte ab. Es ist der Zeitpunkt, an dem sich die Stadt neu erfinden muss und die Zeit von Joost Helms, der das "Eindhoven International Project Office" gründet. Die Firma verknüpft Stadt, Hochschulen, Universitäten und die Industrie.
"Du musst klein anfangen und die richtigen Leute zusammenbringen", fasst es Joost zusammen. Das Ziel sei, dass Staat, Gesellschaft und Unternehmen erfolgreich sind und die Stadt Eindhoven davon profitiert. Eine Garantie für den Erfolg gebe es dabei aber nicht. "Du kannst eine Firma nicht zwingen, eine Entscheidung zu treffen, nur weil sie besser für die Stadt wäre. Aber man kann wenigstens zusammenarbeiten."
Inzwischen ist Eindhoven ein Tech-Paradies. Die Firma ASML produziert dort Maschinen, die Chips herstellen, ohne dass diese an Kunden in Europa gehen. Wichtig findet der Niederländer, der jüngeren Generation klarzumachen, dass ihr Wohlstand durch Wirtschaftswachstum entstanden ist. Vielen sei das nicht klar, weil sie etwa solche Hightech-Maschinen nie zu Gesicht bekommen. "Viele Menschen arbeiten dort, erleben das Produkt, das sie herstellen, aber nicht selbst. Das ist ein Problem."