Wie Bürger dem Staat in die Karten schauen können
Behörden in Baden-Württemberg müssen Bürgern einige Informationen bereitstellen, wenn sie danach gefragt werden. Das regelt das Informationsfreiheitgesetz. Datenschützer Stefan Brink gibt Tipps, was man beachten muss und welche Informationen man bekommen kann.

Es gibt viele Dinge, die Bürger wissen wollen. Und mit dem 2016 in Baden-Württemberg eingeführten Informationsfreiheitsgesetz müssen Behörden einige Informationen liefern, wenn sie gefragt werden. Welche das sind und was man beachten muss, weiß Datenschutzbeauftragter Stefan Brink.
Warum müssen Behörden Auskunft geben?
"In den Augen der meisten Behörden ist das noch immer ein Zusatzgeschäft. Man hat eine fachliche Aufgabe und dann kommt noch der Bürger und stellt Fragen", erklärt Stefan Brink. Diese Zeiten seien seit 2016 aber vorbei. "Jede Behörde muss rechtfertigen, was sie tut." Der Zugang zu Informationen ist dabei ein Grundrecht, erklärt der Experte, das sich aus Artikel fünf ableitet. Das hat das Bundesverfassungsgericht 2017 in einem Urteil bestätigt.
Wonach könnten Bürger fragen?
Nach ziemlich viel, erklärt Brink: Unterlagen eines Bauverfahrens, Verträge von Kommunen mit Privatunternehmen, Berichte von Lebensmittelkontrollen, Vergabeunterlagen, Kalkulationen von gemeindeeigenen Unternehmen. Auch die Protokolle nicht-öffentlicher Gemeinderatssitzungen müssen offengelegt werden, sagt Brink. "Allein der Umstand, dass etwas nicht öffentlich ist, ist kein Grund für eine Ablehnung. Das Protokoll muss mindestens mit Schwärzungen herausgegeben werden." Gesetzestexte und Paragrafen muss man dabei nicht kennen. "Sagen Sie einfach genau, was Sie haben wollen", empfiehlt Brink.
Wie geht man vor?
Zuerst sollte man rausfinden, welche Behörde die Information haben könnte: Bund, Land oder Gemeinde? Wer das weiß, kann sein Begehren formlos einreichen. Das bedeutet: Ein Anruf, eine E-Mail oder ein Brief genügen.
Wie schnell muss die Behörde antworten?
Das ist im Informationsfreiheitsgesetz klar geregelt: Wenn man seine Anfrage korrekt stellt, muss die Behörde "unverzüglich" antworten, spätestens aber innerhalb eines Monats. Wenn nicht ganz klar ist, welche Information ein Bürger möchte, kann das Amt darum bitten, dass die Anfrage eingegrenzt wird.
Welche Informationen kann die Behörde liefern?
"Es muss eine verkörperte amtliche Information sein", erklärt Stefan Brink. "Eine Akte, Dokumente, ein Vermerk, eine Fotografie, Karten, eine Audioaufzeichnung, eine E-Mail." Allerdings habe man kein Recht darauf, dass neue Informationen produziert werden. Wenn etwas nicht existiert, muss die Behörde es nicht in Erfahrung bringen.
Werden Unterlagen digital bereitgestellt?
Erst mal entscheidet der Bürger, ob er eine Akte einsehen oder sie digital übermittelt haben möchte. Allerdings können so Kosten entstehen, etwa wenn eine große Zahl von Dokumenten eingescannt oder geschwärzt werden muss. Die Behörde darf Auskünfte nur in anderer Form übermitteln, wenn es dafür einen "wichtigen Grund" gibt - ein hoher Aufwand kann aber ein solcher Grund sein.
Welche Hürden gibt es?
Ein paar. Wenn es sich um personenbezogene Daten handelt, das Urheberrecht verletzt werden könnte oder Betriebsgeheimnisse offengelegt würden, müssen Behörden Informationen nicht herausgeben. Oder auch, wenn die öffentliche Sicherheit bedroht wäre. Behörden dürfen ein Ersuchen aber nicht einfach ablehnen, betont Brink. "Wenn Sie etwa vom Sozialamt wissen wollen, ob ihr Nachbar Sozialhilfe bekommt, sind das personenbezogene Daten. Da kommen Sie nicht einfach ran. Die Behörde muss aber bei Ihrem Nachbarn nachfragen." Der kann die Auskunft verweigern oder zustimmen. "Dann muss das Sozialamt die Akte offenlegen."
Was ist mit Urheberrechten?
Auch Urheberrechte sind kein Totschlagargument, erklärt der Experte. Das sei oft bei Gutachten ein Thema, die nicht ohne Zustimmung des Gutachters einfach veröffentlicht werden dürfen. "Eine Akteneinsicht sollte immer möglich sein", sagt Brink. Dabei dürfe man sich Notizen machen, die Unterlagen jedoch nicht abfotografieren. "Gut aufgestellte Städte machen es gleich bei der Ausschreibung zur Bedingung, dass ein Gutachten veröffentlicht werden darf", sagt Brink.
Bekomme ich die Infos kostenlos?
Einfache Auskünfte müssen kostenlos sein. Ist der Aufwand höher, verlangen Gemeinden in der Regel eine Gebühr. Liegt diese voraussichtlich bei mehr als 200 Euro, muss man darüber informiert werden und zustimmen, dass man das Geld bezahlen wird. Auch Sachkosten, etwa wenn große Karten digitalisiert werden müssen oder Kopierkosten, muss man übernehmen. Für aufwendige Anfragen werden häufig auch hohe Geldbeträge verlangt. "Das kann im vier bis fünfstelligen Bereich liegen", sagt Brink. Meist zögen Bürger ihre Anfrage dann zurück. "Meine Forderung ist deshalb eindeutig: Schafft die Gebühren ab!", sagt Brink. In Baden-Württemberg würden jährlich niedrige fünfstellige Beträge im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz anfallen. "Das sind Kosten, die kann der Staat ohne Probleme übernehmen."
Gibt es Hilfsangebote?
Brinks Behörde bietet auf ihrer Internetseite Musterschreiben und Vorlagen sowie Praxistipps an. Außerdem verweist der Experte auf die Webseite www.fragdenstaat.de. "Die leisten eine herausragende Arbeit für die Informationsfreiheit." Die Seite kann man nach Behörden durchsuchen und ein Auskunftsbegehren einreichen, außerdem werden vorformulierte Mustertexte angeboten. In der Region wird auf diese Weise häufig verlangt, dass Protokolle von Lebensmittelkontrollen herausgegeben werden.
Ist Baden-Württemberg damit ein Vorreiter?
Aus Sicht von Stefan Brink nicht. Er fordert ein Transparenzgesetz wie in Hamburg und Bremen: Dort veröffentlichen Behörden von sich aus alle Informationen, die sie haben. Laut Koalitionsvertrag plant Grün-Schwarz, noch in dieser Wahlperiode ein ähnliches Gesetz in Baden-Württemberg zu verabschieden.

Stefan Brink (56) ist in Baden-Württemberg nicht nur oberster Datenschützer sondern wacht auch über die Einhaltung der Informationsfreiheit. Seine Behörde bietet Schulungen für Interessierte an und berät Bürger. Sie kann informiert oder eingeschaltet werden, wenn Behörden Informationen nicht herausgeben wollen oder dafür zu lange brauchen. "Ich bin froh und dankbar über jeden Bürger, der so eine Anfrage stellt", sagt Brink.


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