Geld für Hausärzte knapp: Droht ein Aufnahmestopp für Patienten?
Die Mediziner im Land bekommen rückwirkend sieben Prozent weniger Honorar für erbrachte Leistungen. Was das für Kassenpatienten bedeutet.

Die Hausärzte im Land werden für ihre Leistungen aus dem vierten Quartal 2023 knapp sieben Prozent weniger Honorar erhalten. Diesen Wert hat die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) ihren Mitgliedern jetzt mitgeteilt, nachdem sie schon vor Wochen darüber informiert hatte, dass medizinische Leistungen rückwirkend nicht mehr in voller Höhe vergütet werden.
"In der Konsequenz bedeutet das, dass die Hausärztinnen und -ärzte einen Teil der Behandlungen aus der eigenen Tasche übernehmen müssen", heißt es in einer Mitteilung. Vor allem Ärzte, die neue Patienten aufgenommen und mehr Leistungen erbracht haben, dürften betroffen sein. Denn das Budget wird rückwirkend gedeckelt, Mehrleistungen werden nicht in voller Höhe vergütet.
Umsatz sinkt, Kosten steigen: Ärzte klagen über weniger Geld
"Das ist dramatisch", sagt der Neckarsulmer Hausarzt Tobias Neuwirth in einer ersten Reaktion. Der Umsatz sinke, während gleichzeitig die Kosten deutlich gestiegen seien. Damit dürfte der prozentuale Gewinnrückgang noch höher ausfallen. "Wir müssen die Auswirkungen für unsere Praxis nun genau prüfen und überlegen, wie wir agieren", so Neuwirth weiter.
Klar sei: "Wir können nicht umsonst arbeiten." Ein denkbares Szenario für ihn: Es werden keine neuen Patienten mehr aufgenommen. "Wir versuchen, die Fahne hochzuhalten und sind eine der wenigen Praxen, die aktuell noch neue Patienten aufnehmen", sagt er. Aber das werde immer problematischer.
Ärzte bekommen weniger Honorar: Schere zwischen Kassen- und Privatpatienten geht weiter auf
"Fakt ist, durch die Kürzung wird es noch schwieriger für Kassenpatienten, an Termine zu kommen, die Schere zu Privatpatienten geht weiter auf", sagt die Bad Wimpfener Hausärztin Bettina Scheid-Mosbacher. Die Versorgungslage verschärfe sich dramatisch. Gleichzeitig sinke die Motivation für junge Ärzte in die Selbstständigkeit zu gehen, angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten, fürchtet sie. Schon jetzt fehlen rund 1000 Hausärzte in Baden-Württemberg.
Ist die deutsche Trennung zwischen ambulanter Basisversorgung und der Spezialversorgung im Krankenhaus am Ende?
Michael Eckstein, Vize-Chef des Ärzteverbunds Medi im Land und Internist in Reilingen im Rhein-Neckar-Kreis, sagt auf dem Weg zu einer Sondersitzung der KVBW zum Thema, die sieben Prozent weniger hätten "erhebliche akute und mittelfristige Auswirkungen". Jede Praxis müsse überlegen, wie sie mit den Honorareinbußen umgehe. Eine Variante sei ein Aufnahmestopp für Patienten. Mögliche Auswirkungen: Diese wenden sich dann direkt an einen Facharzt.
"Aber die Wartezeiten dort betragen schon jetzt eher Monate als Wochen", so Eckstein. Für Fachärzte, also etwa Orthopäden oder Hautärzte, gelte schon lange eine Deckelung der Budgets. Die zweite Möglichkeit für Patienten sei, sich an die Notaufnahme von Krankenhäusern zu wenden, aber auch die seien chronisch überlastet. Eckstein: "Der Patient wird die Versorgungsmisere individuell lösen, dadurch wird in anderen Bereichen die Not noch größer. Das ist wie ein Verschiebebahnhof."
Karl Lauterbach verspricht Lösungen – Bislang nur Versprechen
Das sich aufbauende Versorgungsproblem sei seit Jahren bekannt, denn die Generation der Babyboomer komme ins Rentenalter. "Auch wir Ärzte arbeiten schließlich nicht, bis wir 100 sind." Aber politisch sei das Thema ausgesessen worden. Eckstein vermutet, dass das deutsche System, in dem die ambulante Basisversorgung und die stationäre Spezialversorgung in Kliniken getrennt sind, an sein Ende kommt. "Ein Systemumbau findet seit etwa 15 Jahren statt." Das sei zwar noch nicht klar kommuniziert, aber doch politisch so gewollt, ist er überzeugt.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der im März einen Brandbrief des baden-württembergischen Gesundheitsminister Luca erhielt, hat indes zwar schon mehrfach angekündigt, die Budgetierung für die Hausärzte bundesweit abschaffen zu wollen. Doch viel mehr als diese wiederholten Versprechen gibt es zum Thema bislang nicht. "Ich glaube das auch erst, wenn es soweit ist", sagt Tobias Neuwirth.



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