Finanzielle Schwierigkeiten: Abellio will Finanzspritze vom Land
Das Bahnunternehmen Abellio aus Holland, das in Baden-Württemberg etliche Verbindungen auf den Stuttgarter Netzen betreibt, hat große finanzielle Schwierigkeiten. Betroffen sind auch Linien in der Region - unter anderem die Frankenbahn.

Es gibt Streit über die Finanzsituation des Bahnunternehmens Abellio, das unter anderem in der Region Verbindungen auf der Frankenbahn betreibt. Zuletzt machte das Gerücht einer möglichen Insolvenz die Runde. Außer im Südwesten fährt das holländische Staatsunternehmen in vier weiteren Bundesländern.
In Baden-Württemberg wurden 2016 die Stuttgarter Netze, zu denen die Frankenbahn gehört, an Abellio vergeben. Im Juni 2019 stieg Abellio zunächst auf der Strecke von Stuttgart nach Pforzheim/Heidelberg ein. Im Dezember 2019 folgte dann der Regionalexpress von Stuttgart über Heilbronn nach Mannheim, im Juni 2020 die Frankenbahnlinie von Stuttgart über Heilbronn nach Osterburken. Das Abellio-Netz umfasst im Südwesten eine Betriebsleistung von rund sieben Millionen Zugkilometern pro Jahr. Das Unternehmen hatte sich vor fünf Jahren bei der Vergabe der Stuttgarter Netze gegen die wegen eines Formfehlers ausgeschiedene Deutsche Bahn durchgesetzt.
Abellio nennt Gründe für Finanzprobleme
Der grün-schwarzen Landesregierung stößt sauer auf, dass Abellio jetzt Nachzahlungen fordert. Abellio begründet dies damit, dass externe Faktoren zur Negativentwicklung beigetragen hätten: Höhere Kosten durch langfristige Baustellen wie auf der Strecke zwischen Stuttgart und Mannheim, teure Tarifvereinbarungen oder auch unvorhersehbare Personalkosten. Und droht die Insolvenz? "An Spekulationen zu unserer wirtschaftlichen Situation beteiligen wir uns nicht", sagt ein Unternehmenssprecher.
Forderungen aus Holland
"Diese Mehrkosten gefährden nun die Fortführung eines qualitativ hochwertigen Schienenpersonennahverkehrs durch Abellio", schreibt der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra derweil in einem Brief an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der unserer Zeitung vorliegt. Weiter erklärt Hoekstra, er möchte Kretschmanns Aufmerksamkeit "auf die Notwendigkeit eines Ausgleichs der unvorhergesehenen Kostensteigerungen" lenken. Der jetzige Eigentümer - dies ist die staatliche Eisenbahngesellschaft des Nachbarstaates - könne nicht bis zum Ende der Vertragslaufzeit die Verluste kompensieren. Würden die Bundesländer finanziell nicht entgegenkommen, sehe man sich gezwungen, "sein weiteres Engagement zu überdenken", so Hoekstra. Zuletzt wurde über ein mögliches Schutzschirmverfahren diskutiert.
Land verteidigt seine Entscheidung
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärt in einem Antwortschreiben an Hoekstra, Abellio habe sich in einem Vergabewettbewerb nach EU-Recht beworben. Die Konditionen seien bekannt gewesen. "Abellio wusste somit sehr genau, zu welchen Konditionen Leistungen in Baden-Württemberg erbracht werden sollten", so Hermann in dem Schreiben, das unserer Zeitung ebenfalls vorliegt. "Als Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg muss ich ein solches Agieren mit ultimativen Forderungen und uneinlösbaren Fristsetzungen entschieden zurückweisen", schreibt Hermann. Man sei jedoch bereit, die Gespräche mit Abellio fortzusetzen.
Der Abellio-Sprecher erklärt hingegen, die Kostensteigerungen seien bei der Vertragsunterzeichnung nicht bekannt gewesen. Über welchen Betrag es sich handelt, darüber macht Abellio allerdings keine Angaben. Sollte das Unternehmen sich zurückziehen, müssten per Notvergabe neue Ausschreibungen für die betroffenen Netze erfolgen, heißt es im Landesverkehrsministerium.
Reaktionen
Die CDU-Regierungsfraktion unterstützt Verkehrsminister Hermann. Verkehrsexperte Thomas Dörflinger sieht die Verantwortung bei Abellio selbst. SPD-Verkehrspolitiker Hans-Peter Storz wiederum sagt, er erwarte vom Land als Auftraggeber, dass Verträge erfüllt würden.