Warum Winfried Kretschmann so viel philosophiert
Wenn Winfried Kretschmann etwas entscheiden muss, hört er auf die großen Geister der Menschheit. Wen er damit meint und warum das philosophieren seiner Meinung nach in die Politik gehört, hat er beim Wahlcheck der Heilbronner Stimme erklärt.

Eine Tasse Kräutertee passt zu Winfried Kretschmanns philosophischer Ader. Seine Gedanken lässt der 72-Jährige immer wieder schweifen, etwa wenn von er Freiheit spricht. "Der Sinn von Politik ist Freiheit", schreibt Hannah Arendt. Kretschmann hat sie zu seiner Lieblingsphilosophin erklärt und versteht den Satz als Leitlinie. Die Politik müsse sich fragen: "Wie muss der Freiheitsrahmen sein, dass sich die Kraft, die Innovation und die Freude der Leute am Gestalten entwickeln kann?"
Es sei entscheidend, zu erkennen: "Was steckt in diesem Land mit seinen Menschen. Was machen die? Was können die?" Dazu müsse man Menschen mögen. "Wer die Menschen nicht mag, der sollte nicht in die Politik gehen", findet Kretschmann.
Kretschmann: Beraten, statt einfach entscheiden
"Vielleicht ist das das Schöne an der Pandemie: Wir merken mal, wie großartig die Freiheit ist", erklärt er. Jeder merke, was es bedeute, wenn sie eingeschränkt ist. "Wenn uns der Wert dieser Freiheit wieder bewusst wird, durch ihre Einschränkung, dann hat auch die Pandemie ihren Sinn gehabt."
Warum er häufig philosophiert, erklärt er mit einer Rede des Perikles im antiken Athen: "Eine Passage in der Rede heißt: Wir beraten uns, bevor wir entscheiden. Darum philosophiere ich in der Politik. Ich überlege: Was ist mein Kompass? Wo willst du hin?". Auch auf andere große Geister der Menschheit höre er. "Kant sagt, wir sollen nach Grundsätzen handeln und nicht jeden Tag etwas anderes erzählen."
Gerlinde Kretschmann ist zuversichtlich
Für Aufsehen sorgte Anfang Februar die Nachricht, dass Kretschmanns Frau Gerlinde an Brustkrebs erkrankt ist. "Wie geht es ihr?", fragt Heer. "Ja, wie geht"s einem, wenn man eine Krebsdiagnose hat? Das ist eine heimtückische Krankheit, und die belastet jeden, der sie hat", sagt Kretschmann.
Die Operation sei gut verlaufen. "Sie ist zuversichtlich und darüber bin ich auch froh." Die Erkrankung seiner Frau könne er nicht ausblenden. "Das ist schon eine Herausforderung. Die Krise bewältigen im Wahlkampf und das Familiäre. Sie braucht mich natürlich auch mehr, ich muss jetzt auch mal unter der Woche heim." Dort halte ihn das Spielen mit den Enkeln "frisch".
Baden-Württemberg soll verlässlich regiert werden

"Mir ist ganz wichtig: Das Land muss verlässlich regiert werden", erklärt Kretschmann auf die Frage nach einem möglichen Regierungsbündnis. Er habe das in einer grün-roten und in einer grün-schwarzen Regierung gezeigt.
Er sei kein Fan, Wahlprogramme penibel miteinander zu vergleichen. "Wir brauchen jetzt Dynamik im Transformationsprozess, wir brauchen Dynamik beim Klimaschutz. Und das muss man erreichen in einer Koalition." Es gebe immer Inhalte, bei denen man sich nicht einig wird. "Das ist auch gut so, sonst wissen die Leute zum Schluss nicht mehr, worin man sich unterscheidet." Es dürfe jedoch nicht "alle Monate eine Krise" geben. Er sei zuversichtlich, dass die neue Regierung bis Mitte Mai steht.
Bei Digitalisierung, Klimaschutz und in der Autoindustrie soll es mehr Dialoge geben
Künftig schweben ihm mehr Strategiedialoge mit Unternehmen, Kommunen und Akteuren vor, wie es sie mit der Autoindustrie gibt. Das Format erlaube schnelles Handeln und Innovationen. Das flächendeckende Ladenetz für E-Autos im Land sei ein Produkt dessen, sagt Kretschmann. "Da hat der Bund noch Pläne gemacht."
Beim Zukunftsthemen wie der künstlichen Intelligenz müsse das Land Wissenschaft und Wirtschaft verbinden, damit aus Ideen Geschäftsmodelle werden - die Region habe gute Chancen durch ihre Bewerbung um den Innovationspark für KI in Heilbronn. Außerdem müsse die Verwaltung digitalisiert werden.