Interview
Lesezeichen setzen Merken

Politologe Niedermayer: Laschet war der falsche Kandidat

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer sieht in der Entscheidung der Union für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten den Hauptgrund für den Verlust vieler Wählerstimmen. Scholz habe als Wahlgewinner die größere Legitimation zur Regierungsbildung und habe die richtigen Themen gesetzt. „Laschet stand dagegen für nichts“, so Niedermayer. 

von Hans-Jürgen Deglow
Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer. Foto: dpa
Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer. Foto: dpa

Herr Professor Niedermayer, zum zweiten Mal hintereinander verliert die Union bei einer Bundestagswahl gut acht Prozent. Wie sehr ist die Substanz von CDU und CSU aufgezehrt?

Oskar Niedermayer: Die Union ist relativ inhaltsleer geworden unter der Ägide von Angela Merkel. Die Diskussion in der Partei um programmatische Positionen hat deutlich gelitten. Heute wissen viele Menschen gar nicht mehr, wofür die Union denn eigentlich steht, in der Gesellschaftspolitik oder der Wirtschaftspolitik. Auch muss man sehr deutlich sagen: Das war der falsche Kandidat, der angetreten ist.

 

Was muss daraus folgen?

Niedermayer: Dieses Ergebnis bedeutet, dass die Union ihren Anspruch Volkspartei zu sein, momentan nicht mehr aufrechterhalten kann. Dazu ist ihr Wählerzuspruch zu gering. Eigentlich müsste es nun in CDU/CSU heftige Diskussionen über die personelle und inhaltliche Ausrichtung geben. Dass dies noch nicht in großem Umfang passiert, ist allein der Tatsache geschuldet, dass man jetzt abwartet, ob Laschet doch noch eine Jamaika-Koalition zustande bringt. Spätestens wenn ihm das nicht gelingt, wird es wohl ein großes Scherbengericht geben.

 


Mehr zum Thema

Armin Laschet und sein Generalsekretär Paul Ziemiak sprechen inzwischen von einer klaren Niederlage.
Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen

Meinung: Regierungsbildung ohne Laschet


 

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat von einer klaren, gegen die Union gerichteten Wechselstimmung gesprochen. Ihm erschließe sich nicht, von einem Regierungsauftrag zu sprechen. Diese Linie liege genau auf dem bisherigen Kurs, der zum Absturz der Union geführt habe, und sei nicht zukunftsfähig. In Sachsen hat die AfD die meisten Direktmandate gewonnen und auch die höchsten Zweitstimmenanteile erreicht.

Niedermayer: Herr Kretschmer hat völlig recht. Was die rechtliche Seite betrifft: Laschet darf sich natürlich um eine Regierungsbildung mit ihm als Kanzler bemühen. Letztlich kommt es darauf an, wer die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich bringen kann. Aber die Mehrheit der Bevölkerung wäre wohl nicht damit einverstanden, wenn der klare Wahlverlierer nun Kanzler werden würde. Die Union hat mit ihrem Kandidaten dramatische Verluste erfahren, die SPD hat deutlich zugelegt und liegt auf Platz 1. Scholz ist der Wahlgewinner und hat eine größere Legitimation zur Regierungsbildung.

 

Vor allem SPD, Grüne und FDP haben in ihren Kampagnen ein Versprechen auf Wandel und Erneuerung abgegeben. Wie bewerten sie die Kampagne von CDU/CSU?

Niedermayer: Einerseits wollte man Kontinuität verkörpern, Stabilität, was den Menschen ja durchaus wichtig ist, man werde nicht zu viel Veränderung zulassen, aber schon ein wenig, nur sagte man nicht klar, was damit gemeint sei. Der größte Fehler der Unions-Kampagne war ihre relative Inhaltslosigkeit in der ersten Phase der Kampagne. So etwas kann man nur machen, wenn der Spitzenkandidat ein ganz klares, gefestigtes, positives Image bei der Bevölkerung hat. Ein Grundvertrauen, dass er oder sie es schon richten werde. Das war bei Laschet von Anfang an nicht genügend vorhanden und wurde dann durch seinen Lacher nach der Flutkatastrophe weiter beschädigt. Das hat seine persönlichen Werte abstürzen lassen und er hat seine Partei mitgerissen. Es liegt viel Laschet in dem Ergebnis. Es gibt ja eine Zahl, die wirklich bemerkenswert ist: 86 Prozent der ehemaligen Unionswähler hätten sich einen anderen Kandidaten gewünscht. Es ist eindeutig, dass die CDU wegen Laschet viele Wähler verloren hat.

 


Mehr zum Thema

Berlin
Lesezeichen setzen

Björn Engholm: Union muss einer Reformregierung Platz machen 


 

Sie sprachen die Wirtschafts- und Finanzkompetenz an. Zuletzt hatte man den Eindruck, Friedrich Merz wurde deutlich stärker als Wahlkämpfer eingesetzt. Er war auch Mitglied des Zukunftsteams von Laschet.

Niedermayer: Im Prinzip war es schon richtig, ein Team zu bilden, um die ganze Bandbreite der CDU mit ihrem Volksparteianspruch abzubilden. Aber das Team kam viel zu spät: Bis auf Merz waren die Mitglieder einer größeren Öffentlichkeit auch vollkommen unbekannt. In der kurzen Zeit bis zum Wahltag reichte die Zeit nichts aus, um sich als Gesichter der Union für bestimmte Themenbereiche zu profilieren. Der zentrale Fehler bei der Präsentation der Inhalte war, dass man ausgerechnet mit der Umweltpolitik angefangen hat, wo jedem doch klar war, dass die Kompetenzbeschreibung hier bei den Grünen liegt. Den eigentlichen Markenkern der Union, die Wirtschaftskompetenz, hat man versteckt und nicht offensiv genug verkauft. 

 

Und die bewerten Sie die SPD-Kampagne?

Niedermayer: Die SPD hat sehr viel richtig gemacht. Die Kampagne war von Beginn an sehr stark personalisiert. Scholz hat von Anfang an auch den Markenkern der SPD transportiert, nämlich soziale Gerechtigkeit. Der Ruf von Scholz nach mehr Respekt kam bei den Menschen an, auch die Themen Mindestlohn oder Renten hat er sehr gut besetzt. Laschet stand dagegen für nichts.

 

Halten Sie es für möglich, dass Markus Söder als Retter zur Verfügung steht?

Niedermayer: Die CSU ist noch am Wahlabend umgefallen, hat Laschet zugestimmt, dass man auch aus dem zweiten Platz noch einen Auftrag zur Regierungsbildung ableiten könne, Danach kam aber deutliche Kritik im CSU-Vorstand. Laschet wollte am Wahlabend noch alles auf eine Karte setzen, hat seinen Regierungsbildungsanspruch aber jetzt schon deutlich relativiert. Die CSU wartet offenkundig ab, ob Jamaika noch gelingen kann. Andernfalls wird das Scherbengericht beginnen. Und zwar dramatisch.

 


Mehr zum Thema

Wahlimpressionen zur BTW 21 in der Region
Stimme+
Region
Lesezeichen setzen

Das war der Live-Blog zur Bundestagswahl


 

Was denken Sie, wie wird sich die FDP positionieren? Sollte sie versuchen, in einer Ampel als starke Kraft der Mitte Akzente zu setzen, oder soll sie Kanzlermacher für Laschet sein und dann auf ewige Dankbarkeit setzen?

Niedermayer: Die Präferenzen der FDP liegen zunächst sicher bei Jamaika, weil hier die Übereinstimmungen mit der Union deutlich am größten sind. Dann gebe es einer starke bürgerliche Mitte mit starkem Einfluss. Zudem ist das zentrale Argument weggefallen, mit dem Lindner seinen eigenen Leuten und der eigenen Wählerschaft die ungeliebte Ampel hätte schmackhaft machen können: Er werde Deutschland vor Rot-Rot-Grün retten. Das kann er nicht mehr anbringen.

 

Das bedeutet?

Niedermayer: Lindner müsste in einer Ampel sehr viel herausholen. Der Preis müsste sehr hoch gesetzt werden, damit die eigenen Leute zufrieden sind und es akzeptieren. Das heißt, es muss mindestens das Finanzministerium für Lindner herausspringen, und in der Steuerfrage müsste er ein deutliches Entgegenkommen von SPD und Grünen bekommen. Aber diese beiden Parteien verhandeln auch aus einer Position der Stärke heraus. Und auch die Basis von SPD und Grünen will überzeugt werden. Und ob die mitspielen, wenn es heißt: Es gibt keine Steuererhöhungen, ist fraglich. Insofern ist die Ampel für alle Beteiligten nicht einfach zu bewerkstelligen. Vor diesem Hintergrund ist es sehr sinnvoll, dass zunächst FDP und Grüne miteinander sprechen wollen. 

 

Zur Person

Oskar Niedermayer, wurde 1952 in Schönau bei Heidelberg geboren, studierte Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaften in Mannheim und wurde dort mit seiner Arbeit „Europäische Parteien. Zur grenzüberschreitenden Interaktion politischer Parteien im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft“ promoviert. Nach der Habilitation wirkte Niedermayer einige Jahre als Direktor des Zentrums für Europäische Umfrageanalysen und Studien (ZEUS) in Mannheim, bevor er von 1993 bis zum Ende des Sommersemester 2017 als Professor für Politische Wissenschaften am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin lehrte. 2017 wurde er in Heilbronn mit dem Otto-Kirchheimer-Preis geehrt. 


Mehr zum Thema

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet tritt im Konrad-Adenauer-Haus vor die Presse.
Stimme+
München
Lesezeichen setzen

Union arbeitet Wahldebakel auf: Kein «Schönreden»


Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben